Heißbegehrte Photovoltaik-Anlagen: Bielefelder erlebt Reinfall

Bielefeld. Die Sommer werden heißer, die Energie knapper: Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist in vielen Haushalten der Wunsch nach Strom- und Energieunabhängigkeit gewachsen, die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen stark angestiegen, bestätigt die Gesellschaft Bielefelder Netz. So wurden im Jahr 2021 insgesamt 750 Anlagen angemeldet, in diesem Jahr allein bis jetzt bereits 850. Auch Ingenieur Martin Schmelz wollte mit Photovoltaik auf dem Dach seines Zweiparteien-Altbaus in der Innenstadt einen Großteil seines Stroms selbst produzieren - und holte sich erst einmal mächtig Ärger ins Haus. Beispielsweise sei der vorgeschriebene Überspannungsschutz für den Wechselrichter nicht eingebaut, die Dachkonstruktion nicht geerdet worden, obwohl an dieser dafür ein extra Anschluss vorhanden war, berichtet Schmelz, selbst Ingenieur. "Zudem musste ich bezüglich des Speichermanagements gravierende Fehlfunktionen feststellen", ergänzt der Hausbesitzer. Gerade wenn man zusätzlich einen Stromspeicher habe installieren lassen, um auch noch am Abend genügend gespeicherte Energie zur Verfügung zu haben, sei die Kontrolle des Speichermanagements von besonderer Bedeutung. "So soll bei überschüssiger Stromproduktion erst einmal der Batteriespeicher geladen werden, ehe Strom ins Netz eingespeist wird", sagt Schmelz. Auch solle bei Bedarf erst die gespeicherte Energie aus der eigenen Batterie entnommen werden, ehe der teure Netzstrom bezogen werde. All das habe das von ihm beauftragte Gütersloher Unternehmen nicht fachmännisch überprüft. Wie kann man sich vor pfuschenden Firmen schützen? Aber wie kann man sich vor pfuschenden Firmen schützen, wenn ohnehin eine große Nachfrage besteht, Fachbetriebe oft monatelang ausgebucht sind und es zudem Lieferengpässe gibt? Sich bei Handwerkerinnen und Handwerkern über Referenzen und durchgeführte Projekte zu informieren, rät Andreas Kröling von der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld. Auf den Seiten der Innung finde man Fachfirmen. Grundsätzlich dürften Photovoltaik-Anlagen nur Betriebe anmelden, die beim Verteilungsnetzbetreiber, beispielsweise den Stadtwerken, eingetragen sind. Häufig existierten Kooperationen zwischen Elektrotechnik- und Dachdecker-Betrieben. Auch Sanitär-Heizungs-und-Klima-Betriebe, die als &bdquo;hybride Betriebe“ zudem als Elektrotechniker eingetragen sind, seien bei der Planung und Installation beteiligt. Aufgrund der stark angestiegenen Nachfrage und gleichzeitigen Lieferschwierigkeiten und Engpässen bei Materialien wie Wechselrichtern und Speichern komme es derzeit zu langen Wartezeiten. Die würden durch die anhaltende Fachkräftelücke im Handwerk noch verschärft. Mini-Solarmodule für Balkon und Terrassen Ob sich die Installation einer Photovoltaikanlage überhaupt rechnet, kann mit per Eingabe von ersten Eckdaten wie Personenzahl im Haushalt, Dachneigung und Ausrichtung, auf den Seiten der Stadtwerke ganz grob ermittelt werden. Wie groß etwa eine Anlage sein sollte, müsse individuell nach Stromverbrauch besprochen werden, so Pressesprecherin Yvonne Liebold. Das Dach müsse ausreichend Platz bieten, Dachpfannen dürften nicht zu alt und verschmutzt sein, Gauben und Dachfenster könnten stören. "Das Dach sollte schattungsfrei nach Süden oder Ost/West ausgerichtet sein, der Abstand zum Nachbardach muss 1,25 Meter betragen", ergänzt Liebold. Nicht nur Photovoltaikanlagen für Einfamilienhäuser, auch Mini-Solarmodule, die an Balkonbrüstungen, Außenwänden, Dächern, Terrassen und in Gärten eigenhändig angebracht werden können, seien aktuell sehr gefragt, ergänzt Liebold. Ebenso die Energiesparberater des Unternehmens. Termine sind aber aktuell dennoch innerhalb von etwa zehn Tagen über das Formular auf der Homepage zu bekommen. Photovoltaik-Anlage inspiriert Energiesparverhalten des eigenen Haushalts Aber auch bei den Fachleuten gebe es noch viel Weiterbildungsbedarf, berichtet der Bürgernähe-Lokalpolitiker Schmelz. Am hilfreichsten seien aus seiner Sicht Empfehlungen von Nachbarn, Freunden oder Bekannten, die gute Erfahrungen bei der Installation gemacht haben. Auch er habe mittlerweile glücklicherweise einen kompetenten Fachmann gefunden. Über 30.000 Euro habe er insgesamt in die Photovoltaik-Module - auf dem Dach des Altbaus, und dann noch auf der Gartenlaube und auf dem Fahrradschuppen - investiert. Dank zusätzlicher Wärmepumpe im Keller sei er von März bis Oktober bei Strom und Warmwasser energieautark. Für ihn ist das Projekt aber kein reines Rechenbeispiel, sondern mit Idealismus verbunden. Wer gegen Wind- oder Atomkraft sei, könne so aktiv zur Veränderung beitragen. Stelle ich heute die Waschmaschine an, oder warte ich bis morgen, wenn mehr Sonnenschein angesagt ist? "Die Photovoltaik-Anlage inspiriert außerdem nochmal das Energiesparverhalten des ganzen Haushalts", ergänzt Martin Schmelz.

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