Feuer in Bielefelder Filmarchiv: Die Brandursache gibt Rätsel auf

Bielefeld. Knapp zwei Wochen nach dem verheerenden Brand in seinem Filmarchiv konnte der Bielefelder Medienarchivar Frank Becker am Montagmorgen zum ersten Mal kurz sein Lager an der Treppenstraße betreten. Eine Selbstentzündung schließt er aus - und erklärt die Hintergründe. Nach der ersten Begehung ließ sich laut Becker noch keine Aussage zum Zustand der rund 10.000 Filmrollen und der übrigen Filmmemorabilien, die dort untergebracht sind, treffen. Bei den Löscharbeiten habe die Feuerwehr "alles auf einen Haufen geworfen", so der Filmarchivar. Jetzt müsse er sich erst einmal einen Weg bahnen. Zudem fehlt derzeit die nötige Beleuchtung. Der 61-Jährige versucht seit dem 24. August sein Lebenswerk zu retten und ist ganz berührt davon, wie viele Menschen ihn und die Medienstiftung unterstützen wollen. Aktuell ist Frank Becker intensiv auf der Suche nach einem neuen Lager für all das, was noch zu retten sein wird. Ein Zwischenlager hat Frank Becker schon in Aussicht, aber eine Langzeitlösung wäre ihm natürlich lieber. 100 bis 120 Quadratmeter, trocken, kühl und ebenerdig - das wäre das Optimum. Und vor allem sollte es ein Industrielager sein, so wie seine vier übrigen Lager in und um Brackwede, in denen insgesamt rund 100.000 Filme, Werbematerialien, Vorführgeräte und rund 50.000 Tondokumente gelagert sind. Frank Becker betont, dass im Keller des Hauses an der Treppenstraße keinerlei Filmrollen mit brennbarem Material gelagert waren. Bereits vor zehn Jahren habe er nachweislich diese historischen Zelluloid-Filme ins Bundesarchiv nach Berlin-Hoppegarten gebracht. Andere Teile seiner Sammlung würden in der modernsten Filmlageranstalt Österreichs, in Laxenburg, aufbewahrt. Auch in den übrigen Lagern gebe es keine 35-Millimeter-Filme mehr, die aus der Zeit vor 1950 stammen und bei denen eine Selbstentzündungsgefahr besteht. Genau davon geht die Kripo nach den bisherigen Ermittlungen aus: von einer Selbstentzündung. Die Experten haben nach Aussage von Polizeisprecher Fabian Rickel einen technischen Defekt als Ursache ebenso ausgeschlossen wie eine vorsätzliche Brandstiftung. Im Umkehrschluss wird daher von einer Selbstentzündung durch eine der alten Filmrollen ausgegangen. Anfangs war ein Schaltkasten im Eingangsbereich des Kellers im Verdacht, den Brand ausgelöst zu haben. Nur Sicherheitsfilme gelagert Becker erklärt, dass ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Filmträger Triacetat und Polyester eingesetzt worden sind, so genannter Sicherheitsfilm, der nur sehr schwer entflammbar sei, und nur solche Filme seien an der Treppenstraße gelagert worden. Bei dem Brand der Kunststoffe war dann hochgiftige Blausäure entstanden, so dass nur einen Tag nach dem Feuer erneut ein Großeinsatz der Feuerwehr in Bielefeld-Brackwede nötig geworden war. Frank Becker hat den Brackweder Rechtsanwalt Vincenzo Copertino mit seiner Vertretung betraut. Dieser will sich zu der von der Polizei sehr schnell kommunizierten Brandursache und dem weiteren Vorgehen derzeit nicht äußern. "Wir müssen die Aktenlage abwarten und dann die gutachterlichen Stellungnahmen einsehen." Erst danach können man abschätzen, "wohin die Reise geht", ob eventuell ein weiteres Gutachten beauftragt werde. Moralische Unterstützung Neben dem Schaden des Filmarchivs selbst, den Frank Becker nach groben Schätzungen auf mindestens 750.000 Euro beziffert hatte, kommen noch mögliche Folgeschäden. Die 19 Bewohner der vom Brand indirekt betroffenen zwölf Wohnungen an der Treppenstraße hatten auch aus Sicherheitsgründen mehrere Nächte außer Haus verbringen müssen. Ein Anwohner erklärte gegenüber der NW, seine beiden vor dem Haus geparkten Fahrzeuge seien durch die Rauchgase so geschädigt worden, dass sie einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hätten. Während sein Lebenswerk auf der Kippe steht, versucht Frank Becker ruhig zu bleiben und seinen Verpflichtungen nachzukommen - in seinem Fachgeschäft "Papier Bröker", als Filmlieferant für Kinos und Museen im ganzen Land, als Moderator des von ihm aus der Taufe gehobenen "Funkjournals" und als Betreiber des "Melodie"-Kinos. In Letzterem wurde am Freitag nach nahezu 24 Jahren aber vorläufig der letzte Film gezeigt: "Old Shatterhand". 35 Besucherinnen und Besucher kamen dafür in die Aula der Brackweder Realschule, aber auch, um ihm Mut zuzusprechen und Hilfe anzubieten, sagt Frank Becker. "Auch das hat mich moralisch wirklich etwas aufgebaut", sagt der 61-Jährige.

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