Warnung: "Fenster schließen!" Millionenschaden im Filmarchiv - 19 Menschen nach Kellerbrand obdachlos

Bielefeld-Brackwede. Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei eilten am Mittwochvormittag, 24. August, zu einem Brand in einem dreigeschossigen Wohnhaus an der Treppenstraße. Kurz nach 11 Uhr war der Alarm bei der Leitstelle der Feuerwehr eingegangen. Inzwischen warnt die Feuerwehr die direkten Anwohner des Hauses: "Weil nicht klar ist, was dort im Keller brennt, sollten alle Anlieger die Türen und Fenster geschlossen halten." Sogar von Explosionsgefahr war vorübergehend die Rede. Das lag daran, dass in dem Keller Zehntausende sehr entzündliche alte Filmrollen lagern - mit hohem historischen Wert. Inzwischen ist das Feuer gelöscht, die 19 Bewohner der beiden betroffenen Häuser sind allerdings vorübergehend obdachlos. Derweil ist von einem Millionenschaden die Rede. 11.10 Uhr: Augenzeugen hatten Rauch und Flammen im Keller des Hauses entdeckt und sofort über den Notruf "112" die Feuerwehr alarmiert. In der Luft liegt seitdem ein übel riechender Geruch, gelblicher Rauch steigt auf, der auch vor dem Haus erkennbar ist. Brandbekämpfer eilen den sechs Eingeschlossenen zu Hilfe Weil bei solchen Bränden der giftige Rauch leicht nach oben dringt und die Fluchtwege im Treppenhaus so füllen kann, dass für die Hausbewohner ein Entkommen ins Freie schwierig oder sogar unmöglich werden kann, eilten kurz nach dem ersten Eintreffen der Feuerwehr weitere, größere Einheiten der freiwilligen und der Berufsfeuerwehr sowie des Rettungsdienstes zur Treppenstraße. Rund 50 Einsatzkräfte sind inzwischen vor Ort. 11.50 Uhr: Und dort bewahrheitete sich genau das Szenario: In den oberen Geschossen sind tatsächlich noch sechs Personen in ihren Wohnung eingeschlossen, weil ihnen der Fluchtweg durch das Treppenhaus verwehrt ist. Die Retter versuchen nun den Eingeschlossenen oben zur Hilfe zu eilen, während die Brandbekämpfer unten im Keller ein bisher nicht näher identifiziertes Material löschen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dort giftige Stoffe in Flammen aufgegangen ist. ABC-Messeinheit soll Gefahr analysieren 12 Uhr: Sechs weitere Bewohner des Hauses konnten sich laut Feuerwehreinsatzleiter Jörn Bielinski zuvor schon rechtzeitig ins Freie retten. Sie werden aktuell vom Rettungsdienst medizinisch betreut und bei Bedarf behandelt. Bielinski betont, dass die sechs Personen im Obergeschoss zwar nicht nach draußen könnten, aber in der Wohnung sicher seien. Dorthin dringe der gelbe Rauch offenbar nicht. Aktuell sei keine Rettung von außen per Drehleiter nötig. Trotzdem wurde die Leiter bereits für den Notfall in Stellung gebracht. 12.30 Uhr: Warnung der Feuerwehr: Weil immer noch nicht klar ist, welches Material im Keller brennt und welche Gefahr von dem Rauch ausgeht, hat die Feuerwehr den Bereich rund um das Haus weiträumig abgesperrt. "Anlieger sollten Fenster und Türen geschlossen halten", sagt Einsatzleiter Bielinski. Deshalb ist jetzt auch eine ABC-Messeinheit auf dem Weg zum Einsatzort, um herausfinden zu können, welche Gefahr von dem unbekannten Material und dem gelblichen Rauch ausgeht. Massenanfall an Verletzten 12.35 Uhr: Die Feuerwehr hat wegen der Betreuung der insgesamt zwölf Betroffenen das Einsatzstichwort "Massenanfall an Verletzten" ausgegeben. Das besagt zunächst nichts über die tatsächliche Zahl Verletzter aus, aber über die Anzahl der zu betreuenden Personen, die ihr Haus verlassen konnten - oder eben nicht. Sie werden durch von zahlreichen Rettungswagenteams und Notärzte in Augenschein genommen und bei Bedarf medizinisch versorgt. 12.55 Uhr: Nach Informationen der Lokalredaktion, lagern in dem Brandkeller mehrere historische Filmrollen. Sie sollen Teil des "Medienarchivs Bielefeld" sein, das aufgrund seiner umfassenden Sammlung von mehr als 100.000 Filmrollen deutschlandweit einzigartig ist. Der nun betroffene Keller soll eines von mehreren Lagern des Medienarchivs sein. Insbesondere ältere Filmrollen aus Zelluloid gelten als leicht entzündlich. Vor allem die ganz frühen Filmrollen mussten mit einer besonderen Lagerung sogar vor Selbstentzündungen geschützt werden. Bis in die die 1950er Jahre wurden Filmträger auf Nitratbasis hergestellt. Sie stellen laut Wikipedia eine akute Gefahr für Fotosammlungen und Filmarchivare dar. "Nitrozellulose wird mit Schwefel- und Salpetersäure aus Baumwollresten, so genannten Linters, hergestellt. Dieses hochbrisante Gemenge ist nichts anderes als Schießbaumwolle und verfügt über eine höhere Sprengkraft als Schwarzpulver. Deshalb fallen Filme mit Nitrozelluloseträger heute unter das Bundessprengstoffgesetz", heißt es bei Wikipedia. Noch ist aber nicht klar, ob bei diesem Brandereignis historische Filme von dem Feuer erreicht und zerstört wurden. 13.15 Uhr: Frank Becker vom Medienarchiv Bielefeld bestätigt nun, dass ausgerechnet in diesem Keller Zehntausende historische Filme und Tausende Filmplakate seines Archivs lagern. Vor allem seien dort viele Filme zur Historie Bielefelds eingelagert - etwa der Film zur "Waldschule Senne" aus dem Jahr 1927. Um 7 Uhr hatte Frank Becker noch einige Filmrollen in das Lager zurückgebracht, nachdem er die alten Schätzchen digitalisiert hatte. Zu diesem Zeitpunkt war das Lager noch intakt. Der gelbliche Rauch, so Beckers Aussage, sei leider ein typisches Anzeichen für "schmurgelndes Filmmaterial". Wie schwer der Schaden durch Flammen und Löschwasser sei, könne der Initiator, Sammler und Stiftungsgeber noch nicht sagen: "Seit vielen Jahren habe ich die Stadt Bielefeld um Hilfe gebeten, um diese historischen Filmdokumente besser lagern und besser schützen zu können", sagt der sichtlich angefasste Filmarchivar. "Von Seiten der Stadt wurde nie etwas gemacht, jetzt kommt leider die Quittung." 14:30 Uhr: Gute Nachricht vom Rettungsdienst: Ernsthaft verletzt wurde offenbar keiner der Bewohner. Trotzdem werden einige Bewohner von Notärzten und Notfallsanitätern behandelt, weil sie den giftigen Rauch eingeatmet haben könnten. 14.45 Uhr: Eine Selbstentzündung scheint nicht den folgenreichen Brand ausgelöst zu haben. Wie zu erfahren war, habe die Feuerwehr einen Schaltkasten im Filmlager als mögliche Ursache wahrgenommen. Das Feuer muss im voirderen Teil des Kellers gewütet haben. Dort befindet sich wohl auch die Elketronik. Für Einsatzleiter Jörn Bielinski war keinerlei Hinweis auf eine offensichtliche Brandursache zu erkennen. Die abschließende Ursachenforschung wird nun die Kripo übernehmen. 16:30 Uhr: Schlechte Nachrichten für die 19 Bewohner der beiden durch den Kellerbrand betroffenen Wohnhäuser Nummer 8 und Nummer 6. Wie Feuerwehreinsatzleiter Jörn Bielinski mitteilte, müssen sich alle 19 Bewohner vorübergehend eine neue Bleibe suchen oder in städtische Notunterkünfte ausweichen. Der Rauch war in die Wohnräume eingedrungen und hat die betroffenen 12 Einheiten aktuell unbewohnbar gemacht. Die Eingeschlossenen, die während der ersten Stunden oben in ihren Wohnungen ausharren mussten, konnten am späten Mittag ihre Wohnungen verlassen. Dafür wurden den fünf Personen - zuerst war von sechs Personen die Rede - Fluchthauben aufgesetzt, damit sie ohne Einschränkungen durch das Treppenhaus geführt werden konnten, in dem immer noch der Rauch stand. Sie hatten bis dahin regelmäßigen telefonischen Kontakt zur Feuerwehr und waren in den geschlossenen Wohnungen sicherer, als vor dem Haus, sagte Bielinski. 16.45 Uhr: Nach den wiederholten Warnungen durch die Feuerwehr haben die Messungen der Feuerwehrexperten ergeben, dass für die Bevölkerung keine Gesundheitsgefahr herrschte. Natürlich sei der Qualm eines solchen Feuers giftig, aber der verteilte sich außerhalb des Gebäudes so schnell, dass die Feuerwehr diesbezüglich Entwarnung gab. Wie sich im Nachhinein herausstellte, bestand auch keine akute Explosionsgefahr. Trotzdem muss das Feuer in dem Lager stark gewütet haben. Inzwischen in von einem Millionenschaden die Rede. Für Frank Becker dürfte der ideelle Wert seiner Sammlung aber weitaus höher sein als der bloße Wert seiner seltenen Filme und Originalplakate. 17.00 Uhr: Insgesamt waren 133 Einsatzkräfte der Feuerwehr (Freiwillige und Berufsfeuerwehr), des Rettungsdienstes sowie der Betreuungseinheiten des Arbeiter-Samariter-Bundes, des Deutschen Roten Kreuzes und der Johanniter-Unfallhilfe (Schnell-Einsatz-Gruppe) im Einsatz.

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