Lutter fließt wieder offen: Riesen-Andrang in der Bielefelder City

Bielefeld. Carl Enderle ist hellauf begeistert. Gerade wurde der Hebel umgelegt, das kühle Wasser ergießt sich durch das neue Flussbett und er kann sein Spielzeugboot auf der endlich wieder offen fließenden Lutter fahren lassen. Einfach nur großartig – für den Dreijährigen. Und zwar im Sommer 2004 und im Park der Menschenrechte, als der erste Abschnitt des aus dem Untergrund wieder emporgeholten Flusses eingeweiht wurde. Rund 18 Jahre später und knapp 600 Meter Luftlinie entfernt, hat der inzwischen zum gestandenen jungen Mann herangewachsene Knirps von einst einmal mehr sein Schiff in die frischen Fluten der Lutter gesetzt. Erneut wurde ein Hebel umgelegt, erneut ergoss sich das kühle Wasser durch das neue Flussbett – wohl genau für diesen Moment hatte seine Patentante das kleine Boot über all die Zeit aufbewahrt. Und Carl Enderle, Sohn des Pro-Lutter-Vordenkers Martin Enderle, ist wieder einmal hellauf begeistert. Damit war er am gestrigen Mittwoch allerdings keineswegs allein. Während das Foto von 2004 erahnen lässt, dass zur Einweihung des ersten Abschnitts eher eine Hand voll Schaulustige und eben Kinder mit Spielzeugschiffen erschienen sind, herrschte zum Start des durch die Ravensberger Straße fließenden Abschnitts geradezu Volksfeststimmung. Noch ehe das Wasser durch den Kanal strömte, strömten mehrere Hundert Bielefelder in den Osten der Innenstadt, um beim großen Moment live dabei zu sein. Viele setzten sich frühzeitig an den Rand des Kanals und ließen die bloßen Füße auf dem zu diesem Zeitpunkt noch trockenen und warmen Kies ruhen. Und es waren in der Tat wieder zahlreiche Kinder gekommen, bei den hohen Temperaturen mit Sicherheit auch mit der Hoffnung auf eine kühle Erfrischung. Die ließ dann allerdings noch einen Moment länger als gedacht auf sich warten – möglicherweise auch gerade deshalb, weil derart viele Füße den ersten offiziellen Auftritt der Lutter bremsten. &bdquo;Wir haben extra noch zwei Testläufe gemacht, damit das Timing passt", sagt Friederike Hennen, Abteilungsleiterin im Umweltamt. Doch das Wasser kam etwas langsamer voran als geplant, weshalb die feierlichen Reden, Danksagungen und vor allem der offizielle Startschuss von Oberbürgermeister Pit Clausen mit einigen Minuten Verspätung erfolgten. &bdquo;Wasser Marsch!" hieß es dann endlich vom Stadtoberhaupt, die Menschenmenge vor dem nun endlich zu Recht &bdquo;Café Lutter" heißenden Lokal an der Ecke zur Mittelstraße quittierte den Ausruf mit Jubel und Applaus. Die Anwohner der Ravensberger Straße, die sich unter den Anwesenden befanden, bekamen kurz darauf auch selbst für ihre Ausdauer und ihr Verständnis während der rund zweijährigen Bauarbeiten Beifall. &bdquo;Wir haben euch richtig gequält", so Clausen. Jetzt sei aber das Quartier einzigartig in Bielefeld, die fließende Lutter biete ein deutliches Plus an Lebensqualität. &bdquo;Vergesst den Stress der Vergangenheit und genießt das frische Wasser." Clausen dankte aber auch den Planern und Handwerkern für &bdquo;ihren richtig guten Job", ein besonderes Lob erging auch an die Aktiven vom Verein Pro Lutter, die rund 10 Prozent der sich auf 2,4 Millionen Euro belaufenden Kosten durch Spenden aufgebracht hatten. &bdquo;Das ist eine Wahnsinnsleistung und beispielhaftes bürgerliches Engagement." Lobenswert war auch der lange Atem der Beteiligten. Die erste Idee zur Offenlegung der seit Ende des 19. Jahrhunderts verrohrten Lutter gab es vor 21 Jahren, seit 2004 fließt der Fluss zumindest im Park der Menschenrechte wieder oberirdisch. Erst mit der Sanierung der Lutter-Rohre in der Ravensberger Straße gab es ab 2015 die Gelegenheit, den offen fließenden Fluss in die Straße zu integrieren. 2020 begannen schließlich die Bauarbeiten, die jetzt endlich abgeschlossen sind. Und wer weiß, wie lange es dauert, ehe der dritte, bis zum Stauteich 1 führende Abschnitt der Lutter wieder offen fließt. Carl Enderle will das kleine Bötchen jedenfalls weiter aufbewahren – und vielleicht ist er dann mit einem eigenen Kind dabei, wenn es &bdquo;Wasser Marsch!" heißt.

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