Bielefeld. Der Jahnplatz: Teurer geworden, mit wenig Grün ausgestattet, umstritten und bereits schon verdreckt – der zentrale Platz ist das zentrale Debattenthema in der Stadt. In Kommentaren dieser Zeitung genauso wie in Leserbriefspalten.
Hier ein bunter Mix an Reaktionen.
Schwierige Lernprozesse
Wolfgang Voigt aus Bielefeld schreibt: „Das kommt am Ende dabei heraus, wenn die regierenden Rathausparteien so ein Projekt in kürzester Zeit umsetzen, um Zuschüsse zu bekommen, die fristgebunden sind. Da bleibt dann eine durchdachte Planung größtenteils auf der Strecke. Der zuständigen Bau-, Planungs- und Verkehrsdezernent, Herr Moss, er gehört ja bekannterweise der CDU an, wurde nebenbei in einer seiner wichtigen Kernkompetenzen, dem Verkehr, entmachtet – und das Jahnplatzprojekt wurde am Ende mit einer Stimme Mehrheit, der von unserem Oberbürgermeister Clausen, durchgedrückt.
Es ist sehr fragwürdig, nur mit der Begründung Zeitdruck so zu handeln. Ich würde mir wünschen, dass solche stadtprägenden Projekten von einem über Parteigrenzen hinweg gehenden Konsens getragen werden. Und auch die Stadtgesellschaft sollte weitestgehend mit einbezogen werden. Das dauert dann zwar alles etwas länger, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es eine viel größere Zustimmung und dadurch am Ende viel mehr Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt gibt. Das ist nun, wie leider schon öfter in der Vergangenheit, verspielt worden. Schade, aber diesbezügliche Lernprozesse scheinen im Rat der Stadt extrem schwierig zu sein.
Gar nicht so übel
Norbert Gertz hingegen sieht den neuen Jahnplatz viel gelassener – und er sieht auch eine Diskussion, die für ihn etwas schräg daherkommt. Gertz: „Stadtplanung in BI läuft nach dem Schema: Kostenübernahme von außen auftun; Streit über die Planung; dann alles mit der Brechstange, selbst mit hauchdünner Mehrheit.
Aber: Erst einmal sollte man sich doch über die Funktion(en) des Jahnplatzes klar werden. Der Jahnplatz war
1. immer Verkehrsknotenpunkt für Autos und Busse
2. immer Gelenkstelle zwischen Alt- und Neustadt
Der Jahnplatz kann gar nicht die Atmosphäre von Plätzen haben, die a) rings von gewachsener Bebauung umringt werden und b) nicht von Straßen durchquert werden.
Dafür eignen sich in Bielefeld nur der Alte Markt, der leider zu klein ist – oder der Platz vor der Stiftskirche in Schildesche.
Wenn man im Zusammenhang mit dem Jahnplatz das Stichwort „Piazza“ hört, ist das pure Unkenntnis. Denn dazu gehören die genannten Bedingungen a) und b).
Bekannte Beispiele sind der Markusplatz in Venedig, die Piazza Navona in Rom und die Piazza del Campo in Siena, alles herrliche Plätze, alle ohne Grün.
Insofern finde ich den Jahnplatz gar nicht so übel
Vorschläge für neues Grün
Christian Damisch ist als Anlieger des Platzes mit seinem Wurststand bekannt. Er ist enttäuscht, hat aber auch Ideen. Damisch: „Wir als unmittelbare Anlieger des Jahnplatzes sehen mit sehr großem Bedauern tagtäglich auf diese Beton und Steinwüste. Kein Grün für unsere Stadt – und das, obwohl die „Grünen“ mit im Rathaus regieren. Eigentlich schade. Verbranntes Gras auf den Dächern, Bäumchen als Grün – das war alles! Probleme blieben bestehen: Tauben, Müll, Auf- und Abgänge vom Forum und keine öffentlichen Toiletten. Hier einige Vorschläge: Rollbare Hochbeete, deren Bepflanzung und Pflege von zweiten und dritten Klassen von Grundschulen gemacht wird – so schafft man lebendiges Grün, Bürgernähe und Identifikation. Ein Insektenhotel hinter dem Pizza-Hut-Gebäude mit einer natürlichen Wiese. Kurzfristig mehr Fahrradständer und aktive Kontrollen bezüglich der Rotlichtgänger und -fahrer. Denn: Unfälle sind hier vorprogrammiert.
Autospuren für Radfahrer
Aus Steinhagen kommt Dennis Frank – und er findet, dass der Platz sich entwickeln kann. Und er glaubt, dass absehbar größere Veränderungen folgen werden. Frank schreibt: „Der Jahnplatz ist mit dem Umbau doch dafür ausgelegt, in spätestens fünf Jahren hoffentlich (!) autofrei zu werden – dafür müssen lediglich die jetzigen Autospuren rot angemalt werden; und schon ist das Kopenhagen-Konzept passé. Lediglich die Kreuzungen und die Ampelschaltungen als Zugang zum Jahnplatz müssten für Radfahrer leicht überarbeitet werden.
Außerdem ist der Platz ja noch nicht fertig: es fehlt ja noch das Mobiliar, mit hoffentlich (!) vielen Pflanzkübel-Bänken.
Nicht mehr mein Bielefeld
Hans-Jürgen Brinkmann ist Ur-Bielefelder – und empfindet den neuen Jahnplatz als Platz zum Fremdschämen. Warum? Dazu Brinkmann: „Ich lebe seit fast 70 Jahren in Bielefeld, aber was jetzt in Bielefeld passiert, das ist nicht mehr mein Bielefeld. Ich kenne den Jahnplatz noch mit Straßenbahn und Autoverkehr, aber vor allen Dingen mit Blumen, Grünflächen und Bäumen. Diese Betonwüste von heute, die ist einfach nur zum Fremdschämen ... von den anderen Bausünden (Kesselbrink, Tüte, Kaffestrich usw.) mal ganz abgesehen. Wir haben die Konsequenz gezogen und kaufen nicht mehr in Bielefeld ein, sondern fahren nach Rheda-Wiedenbrück oder Münster. Alles Städte mit mehr Flair und Aufenthaltsqualität. Es ist einfach nur traurig.
Die den Platz versauen
Aus Lemgo kommt Uwe Tünnermann – und ihn ärgert am meisten, wie mit dem neuen Platz umgegangen wird; und wie mit jenen umgegangen wird, die den Platz verdrecken. Tünnermann: „Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Lange hat es gedauert, doch jetzt endlich fordert ein Journalist der NW-Lokalredaktion die Verfolgung und Bestrafung von sich asozial verhaltenden Müll-Chaotinnen und -chaoten. Das wird das Problem zwar nicht lösen, doch immerhin demonstriert unsere Zeitung auf diese Weise, dass das Maß voll ist. Aber Bielefeld wäre nicht Bielefeld, wenn nicht sofort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamts öffentlich verkünden würden, dass es natürlich äußerst schwierig sei, Kaugummispucker und Zigarettenkippenwegwerfer auf frischer Tat zu erwischen. Im Klartext: Wer den öffentlichen Raum versaut, hat nichts zu befürchten. Die (ganze) Wahrheit ist allerdings: Die Vermüllung der Stadt wird so lange fortdauern, wie der politische Wille fehlt, das zu ändern.