Verwaltung lässt Bielefelds Brandruinen vergammeln

Bielefeld. Im Hof häuft sich der Müll: alte Polstermöbel, ein Kühlschrank, leere Eimer, und was der Wind seit über einem Jahr durchs Gitter des locker stehenden Bauzauns weht. Der Seiteneingang über die Sudbrackstraße steht eigentlich jedem offen. Von der Schildescher Straße aus betrachtet, wirkt die Brandruine solide gesichert: Ein mit Planen bespannter Zaun dient als Sichtschutz und als Hindernis für Kletterer, die davor aufgereihte Barriere aus Baken blockiert zusätzlich den Zutritt ins ehemalige &bdquo;Hotel Kaiser“ - sowie den Bürgersteig samt Radweg. Diese Form der brachialen Baustellensicherung scheint verkehrskonform zu sein, schließlich begnügt sich die Stadt mit dem Status quo, der laut Bauamt auf unbestimmte Zeit so fortbestehen werde. Denn obwohl das Gebäude nach den Bränden im April und November 2021 praktisch als einsturzgefährdet gilt und weiter verrottet, könne der Eigentümer nicht einfach zu einem Abriss gezwungen werden: &bdquo; Die Anordnung der Beseitigung einer baulichen Anlage unterliegt hohen rechtsstaatlichen Anforderungen und stellt einen erheblichen Eigentumseingriff dar. Die Frage der Verhältnismäßigkeit, einen Abriss zu fordern, ist daher eine Einzelfallentscheidung.“ Weiter heißt es, dass für die Brandruine Maßnahmen abgestimmt und umgesetzt worden seien, die als verhältnismäßig angesehen werden, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Und für die Nutzung des Straßenraums für erforderliche Absperrungen seien Sondernutzungsgebühren erhoben worden: Den gesperrten Rad- und Gehweg gab es in der Zone 3, in der die Schildescher Straße liegt, ab dem ersten Monat für 3,25 Euro pro Quadratmeter, ab dem siebten Monat steigt die Gebühr fürs Ausstellen von Baustellen-Bauzäunen dann auf maximal 4,75 Euro. Brandruine bringt Geld für die Stadtkasse Bei einer blockierten Fläche von rund 50 Quadratmetern, der 2,50 Meter breite Bürgersteig ist auf einer Länge von gut 20 Metern abgesperrt und zugestellt, verdient die Stadt an der Brandruine mittlerweile monatlich rund 240 Euro. Fußgänger mit oder ohne Kinderwagen oder Rollatoren und Radfahrer gehen leer aus. Sie dürfen sich mit Hilfe der üblichen Straßenschilder ihren Weg vorbei an dem Gemäuer selbst suchen. Da haben es die Passanten am Hartlager Weg deutlich einfacher, denn der Bauzaun, der die dortige Brandruine absperrt, steht direkt auf der Grenze des Grünstücks und berührt nicht den Bürgersteig. Hinter dem offenen Gitter wehen die langen Gräser gleichmäßig im Wind, eine rostige Schubkarre liegt umgekippt auf der Seite und ergänzt das Stillleben vom verwaisten Haus. Keine Fenster, keine Türen, nur noch die nackten Kacheln an den Wänden der einstigen Bäder, die nun schon seit über zwei Jahren auf neue Bewohner warten. Pfingsten 2019 geriet ein Teil des Dachstuhls in Brand, Ursache war laut der Ermittlungen der Kriminalpolizei ein technischer Defekt an der Photovoltaikanlage. Alle 32 Mietern wurden umquartiert und erhielten damals die Nachricht, dass Reparatur und Sanierung nicht vor 2019 abgeschlossen sein dürften. Doch bis heute konnte keiner der ehemaligen Bewohner zurückkehren. Grundstückswert von über 800.000 Euro Die kurze Seite des L-förmigen Gebäudes ist vom verbrannten Dachstuhl befreit und über die gesamte Fläche mit einem provisorischen Flachdach gesichert. Auf dem Nachbardach sind die Photovoltaik-Module noch montiert, nur die Stromabnehmer fehlen, weil das komplett ausgeräumte Haus leer steht. Die 1.600 Quadratmeter große Brache inklusive Altbestand würde am Immobilienmarkt allein gemessen am Bodenrichtwert einen Preis von über 800.000 Euro erzielen können. Und vielleicht wurde sie längst weiterverkauft, ein Schild am Bauzaun gibt keinen Aufschluss darüber. Anders lief es dagegen an der Herforder Straße in Milse, wo die Stadt vor wenigen Wochen eine Brandruine abreißen ließ. Das Schicksal drohte dem Haus sowieso, weil die Stadt das Flurstück seinerzeit erwarb für den geplanten Ausbau der Herforder Straße. 2015 fungierte das kleine Mehrfamilienhaus als Flüchtlingsunterkunft, später blieb es sporadisch bewohnt. Bis im Dezember 2021 die Dachgeschosswohnung brannte. Danach blieb das Haus leer, und am 31. Mai stand plötzlich der Abrissbagger in der Einfahrt. Eine Woche habe der Abriss gedauert, erzählt Nachbar Hans Dieter Prester, dann seien die Arbeiten erledigt gewesen. So schnell kann es gehen, doch in Schildesche und Stieghorst sieht es nicht danach aus, dass das Verkehrs-Hindernis und das Bruchstein-Gemäuer demnächst verschwinden - zahlen die Eigentümer doch Sondernutzungsgebühren.

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