Festival auf dem Siegfriedplatz: Lautes Zeichen für Geflüchtete

Bielefeld. Am Samstag stand der Siegfriedplatz im Zeichen der Solidarität, der Hilfsbereitschaft und der Toleranz für und gegenüber Geflüchteten aus aller Welt. Die lokale &bdquo;Seebrücke“-Initiative und der &bdquo;Arbeitskreis Asyl“ luden ein zu einem Festival mit viel Musik und noch mehr Informationen über Schicksale Hilfesuchender. Und davon gibt es leider sehr viele. In einem unscheinbare Schnellhefter, der am Infostand der Seebrücke ausliegt, werden die Leidenswege von Flüchtlingen dokumentiert, akribisch recherchiert. Da ist vom 27-jährigen Hassan aus dem Sudan die Rede, der im Frühjahr Suizid begangen hat. Man fand seine Leiche, aufgehängt an einem Strick, im Innern eines Trucks vor Calais am Ärmelkanal. Hassan suchte in Großbritannien sein Glück – vergeblich. Auch das Schicksal eines ungeborenen Fötus wird nachgezeichnet in dem Hefter. Das Ungeborene erblickte nie das Licht der Welt, seine Mutter bekam im griechischen Flüchtlingscamp auf Samos nicht die notwendige medizinische Versorgung. Flucht-Odysseen aus Nordafrika, aus Afghanistan, dem Jemen oder dem Libanon und dem Nordirak sind hier nachzulesen – Zeugnisse einer EU-Migrationspolitik, die &bdquo;Leid verursacht weit über ihre Außengrenzen hinaus und selbstbestimmtes Leben verhindert“, wie es in einer Stellungnahme der &bdquo;Seebrücke“ heißt. Auch Moh Kanim stammt aus dem Sudan. Allerdings ist er kein &bdquo;klassischer“ Flüchtling, er kam vor dreizehn Jahren nach Ostwestfalen, studierte hier, integrierte sich, fand Arbeit. &bdquo;Ich bin gewordener Bielefelder“, sagt er mit einem sympathischen Lächeln im Gesicht. Moh rappt auf arabisch, englisch und deutsch auf der Bühne bei dem Festival &bdquo;Music & Movement for everyone“. Seit sechs Jahren arbeitet der 32-Jährige im JZ Kamp, ist Projektleiter beim Jugendring. Er trat letzte Woche beim Heimatfestival im Ravensberger Park auf und fühlt sich längst wohl in Bielefeld. Aber manchmal platzt ihm noch immer der Kragen: als er neulich morgens vom Arzt kam und über den Kesselbrink lief, haute man ihn sofort wegen Drogen an. Dunke Haut und Rastalocken – das kann nur ein Dealer sein, oder? Mina Richman steht auf der Pop-up-Bühne des Festivals. Die Singer/Songwriterin mit der fantastischen Stimme singt, wie sie selbst sagt, &bdquo;Lieder übers Suchen nach dem Selbst, übers Lieben, Entlieben oder auch gar nicht erst zum Lieben kommen“. So kann sich jeder was aussuchen. Mina verrät, dass sie am Mittwoch Abend, ab 18.45 Uhr, ein Konzert auf dem Kesselbrink gibt. Sie tritt dann mit ihrer Band, und bei freiem Eintritt auf. Zwischen den Musikbeiträgen immer wieder kleine Wortmeldungen, wie die von Parwana Amiri, die zwei Jahre im Camp Ritsona auf Lesbos lebte, vor kurzem nach Deutschland kam und mit einem Fotografen das Projekt &bdquo;?why|borders“ initiierte. Sie verspricht: &bdquo;Je höher sie ihre Mauern ziehen, desto lauter wird mein Protest!“. Laut, sehr laut, wurde es zum Abschluss des Festivals mit der Punkband &bdquo;Irritator“ – zum Missfallen einiger Anwohner. Zuvor allerdings verzückte der palästinänsische Flüchtling Aeham Ahmad mit seiner &bdquo;Music for hope“. Seine wehklagenden, gefühlvollen &bdquo;Oriental Neo-Folk-Balladen“ bei denen er sich selbst mit dem E-Piano begleitete,versetzten den Siggi wie bei einem Märchen aus 1.000 und einer Nacht, in eine Art Schwebezustand auf einem fliegenden Teppich. Ahmads Klavier wurde, wie er berichtete, in einem syrischen Flüchtlingslager von der IS zerstört. Die während des Festivals eingesammelten Spenden gehen zu gleichen Teilen an die &bdquo;Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan“, genauer an Kinder im kurdischen Machmur, und an die &bdquo;Crisis Management Association“ auf Lesbos. &bdquo;Wir spielen hier für lau“, bekräftigt der Sänger der lauten Punkband, Milos, &bdquo;alles für die Seebrücke“. Die Sprecherin der Initiative, Brix Tramsen, betont ausdrücklich, dass es derzeit nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine gibt, sondern aus aller Herren Länder. Daran will &bdquo;Music & Movement for everyone“ erinnern.

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