"Im Frühjahr sollen die neuen Altstadt-Pläne fertig sein"

Sie haben ein Ressort im Rathaus übernommen, das die aktuell größten Herausforderungen an die Stadt enthält: die Verkehrs- und die Klimawende. Und Sie haben eine Reihe von Projekten geerbt. Hätten Sie den Jahnplatz so geplant, wie er jetzt geworden ist? Martin Adamski: Da halte ich mich raus. Wenn ich dieses Projekt zu verantworten gehabt hätte, wäre ich vielleicht in einzelnen Punkten anders herangegangen. Ich komme aus der Landschaftsarchitektur. Vielleicht hätte ich trotz des schwierigen Untergrunds versucht, mit Hochbeeten mehr Grün auf den Platz zu bringen – wobei auch dieser Aspekt angedacht war, dann aber aus nachvollziehbaren Gründen verworfen wurde. Fakt ist aber auch, dass der Platz ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Da müssen die Belange der ÖPNV-Nutzer, der Radfahrer und Fußgänger und des Autoverkehrs miteinander verbunden werden und das bei beschränktem Raum. Da hätte man gar nicht zu großartig anderen Lösungen kommen können. Der Jahnplatz-Umbau war so etwas wie eine Operation am offenen Herzen.Ihr Dezernenten-Kollege Gregor Moss möchte den Jahnplatztunnel kaufen, und - das ist sein persönlicher Vorschlag - er kann sich vorstellen ihn zu schließen. Was halten Sie davon?Da befinden wir uns am Anfang der Überlegungen. Wenn man solch ein Objekt tatsächlich erwirbt, kann es dafür vielleicht noch andere Nutzungsmöglichkeiten geben als es zu schließen. Das muss man dann in aller Ruhe betrachten. Bevor man weiter in die Zukunft schaut, sollte man zunächst den Jahnplatz der Öffentlichkeit am 20. August wieder zur Verfügung stellen. Gleich hinter dem Jahnplatz beginnt die Altstadt. Wie wollen Sie verhindern, dass ein neues Altstadtraum-Konzept wieder in Zank und Streit endet? Ich habe in meinen ersten 100 Tagen in Bielefeld viele persönliche Gespräche geführt. Dabei habe ich festgestellt, dass die Grundbereitschaft zur Transformation bei Verkehr und Klimaschutz bei allen da ist. Das muss man nutzen. Die ideologischen Wände in der Stadt dürfen nicht noch höher werden. Das gilt auch für die Altstadt. Nehmen Sie mich mit auf eine kleine Zeitreise. Wann wird die alte Altstadt eine neue Altstadt sein? Ich will die Altstadt nicht neu erfinden. Sie ist jetzt schon toll und hat schon jetzt aus unterschiedlichen Perspektiven viel Potenzial. Es geht darum, die Altstadt weiter zu entwickeln, die Aufenthaltsqualität weiter zu stärken. Die Parkhäuser in und um die Altstadt sind nicht ausgelastet. Da kann man den ruhenden Verkehr stärker dorthin auslagern. Dann hat man mehr Platz für neue Begegnungszonen, für Außengastronomie, für Spielbereiche für Kinder. Wie sehen die nächsten Schritte aus? Wir wollen eine externe Moderation. Wir wollen für die Erarbeitung gemeinsamer Ideen eine paritätische Zusammensetzung aus Politik, Verwaltung, Kaufmannschaft und anderen Akteuren. Die Beschlüsse dazu sollen im September fallen. Dann wollen wir die Wünsche und Erwartungen zusammentragen. Das soll die Grundlage für einen Gestaltungswettbewerb werden. Und ich bin ehrgeizig. Spätestens im ersten Quartal 2023 sollen die Planungsbüros ihre Vorschläge machen. Die Umsetzung kann dann in unterschiedlichen Phasen erfolgen. Einiges kann schnell gehen, neue Einbahnstraßenregelungen oder Temporeduzierungen. Bauliche Veränderungen werden dann länger brauchen. Für große Unruhe hat das Gutachten zur künftigen Ausgestaltung des Parkraums in der Stadt gesorgt. Müssen die Bürger bald auch in Senne oder Schildesche zahlen, wenn sie ihr Auto dort am Straßenrand abstellen? Wenn ich das jetzt beantworte, würde ich einen Prozess vorwegnehmen. Auch da bin ich für einen ehrlichen Interessenausgleich. Es wird aber sicher nicht 700-Euro-Beträge für Anwohnerparkplätze geben.Aber Parken wird an den meisten Orten nicht mehr umsonst sein?Parken wird strukturiert und transparent. Da, wo der Parkdruck größer ist, muss man über andere Maßnahmen nachdenken als am Stadtrand. Ziel ist, mit den Parkhausbetreibern ins Gespräch zu kommen, um aus den Parkhäusern Mobilitätsstationen zu machen. Sie sollen besser ausgelastet sein, dort soll man sein E-Auto aufladen können, auch sein E-Bike. Dort soll man nicht nur sein Auto, sondern auch sein Lastenrad sicher abstellen können. Das sind langfristige Ziele. Aber der Autoverkehr soll schon bis 2030 halbiert werden. Wie kriegt man das hin, wenn die Voraussetzungen fehlen? Für die Fahrradstraße Ehlentruper Weg sollen 117 Parkplätze wegfallen. Was sagen Sie den Leuten, die dort wohnen und jeden Tag ihr Auto für den Weg zur Arbeit brauchen? Erstmal haben sich dort sehr viele Anwohner für die Veränderungen ausgesprochen. Das wird in der öffentlichen Debatte immer gern unterschlagen. Man kann die raren Parkplätze mit Bewohnerparkausweise den Anwohnern privilegiert zur Verfügung stellen. Wir werden zudem bei derartigen Maßnahmen das Quartiersparken im Hinterkopf behalten. Auch zum Ehlentruper Weg werden kurzfristig Gespräche stattfinden, in denen wir die Möglichkeiten des zusätzlichen Quartiersparkens inhaltlich ausloten. Es lassen sich immer intelligente Lösungen finden. Die Verkehrswende wird man aber nicht schaffen, wenn man alles im Status quo belässt.War es eine kluge Idee mit der Initiative Radentscheid einen Vertrag über den Bau von Radwegen und zur Verbesserung der Radinfrastruktur zu schließen?Ich habe diesen Vertrag übernommen, und das Zustandekommen will ich nicht bewerten. Die Mobilität mit dem Auto hat die Städte in der Vergangenheit dominiert. Ich habe großen Respekt vor dem Radentscheid. Er hat aufgezeigt, welcher Bedarf an Radinfrastruktur in Bielefeld besteht. Aber die Umsetzung der einzelnen Vorhaben ist sehr aufwendig. Und wir merken jetzt alle, dass man dafür einen langen Atem benötigt. Es geht nicht alles so schnell wie man vielleicht ursprünglich geglaubt hat. Für die Protected Bike Lane, den geschützten Radfahrstreifen auf der Artur-Ladebeck-Straße, sollte im Frühjahr ein Vorschlag au dem Tisch liegen. Ich lasse mich da nicht treiben. Aber die Straße ist ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedliche Belange zu einer guten Lösung zusammengefasst werden können. Zwischen Adenauerplatz und Betheleck ist bei bis zu 30.000 Fahrzeugen pro Tag keine Einspurigkeit möglich, aber zwischen Brackwede und dem Marktkauf wahrscheinlich auch kurzfristig schon. Ob die Protektion dort in dem Maße, wie es der Radentscheid will, möglich ist, lasse ich offen. Da gibt es Einwände, unter anderem von der Feuerwehr. Nach den Sommerferien werden wir einen konkreten Vorschlag machen. Was soll aus der L 712 n, der Verlängerung der Ostwestfalenstraße, und aus dem Ausbau der Herforder Straße werden? Bei der L712n könnte es sofort losgehen. Für die gibt es einen Planfeststellungsbeschluss. Für die Herforder Straße gibt es den noch nicht. 2016 hat der Rat den Entwürfen für die Herforder Straße aber stattgegeben. Fakt ist jedoch auch, dass es eine neue aktuelle Diskussion gibt über die Notwendigkeit dieses Ausbaus. Fakt ist außerdem, dass es eine neue Landesregierung gibt und man schauen muss, welche Schwerpunktsetzung es bei ihr geben wird. Wenn eine Straße planfestgestellt ist, ist das geltendes Recht. Wir müssen als Stadt davon ausgehen, dass die L 712n, wie sie geplant ist, auch gebaut wird. Für die Herforder Straße müssen wir selbst planen und dabei auch die Überlegungen für einen Radschnellweg zwischen Bielefeld und Herford berücksichtigen. Ich stelle mir einen tristen Novembermorgen mit Nieselregen vor. Auf dem Radschnellweg zwischen und Herford werden dann nicht viele Pendler unterwegs sein, und auf der zweispurigen Herforder Straße ist der Stau noch dicker als sonst. So etwas wird immer wieder gesagt. Wenn sie nach Holland oder nach Dänemark schauen, dann regnet es dort mindestens so häufig wie bei uns, und dennoch nutzen dort die Menschen das Rad in viel größerem Umfang, auch für die Wege zur Arbeit. Wetter kann ein Motivationshindernis sein, aber das beschränkt sich auf wenige Tage. Dieses Argument lasse ich deshalb für die Verkehrswende nicht gelten. Wo geht es denn ruppiger zu? Im Rat von Cuxhaven oder im Bielefelder Stadtparlament? Ruppiger ist der falsche Begriff. Ich habe den größten Respekt vor den Menschen, die in den Räten um die Belange ihrer Wähler ringen. In Cuxhaven war es so, dass es in einer Reihe von Fragen eine überparteiliche Zusammenarbeit gab. In Bielefeld sind die Linien klarer gezeichnet, werden teils deutlich unterschiedliche Ziele verfolgt.

Interview "Im Frühjahr sollen die neuen Altstadt-Pläne fertig sein"

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