Bielefeld Bau-Blockade an der Jöllenbecker Straße beendet

Bielefeld. Wildwuchs an der Jöllenbecker Straße: An der Kreuzung mit der Siegfriedstraße wandelte sich über die Jahre eine Wiese zum kleinen Wäldchen. Auf den knapp 1.500 Quadratmetern, wo lilafarbene Disteln und orangerotes Habichtskraut blühen zwischen Sprösslinge von Birken, Eiben und Buchen, dort wollte ein Investor schon vor langer Zeit einen Komplex bauen für Betreutes Wohnen. Allerdings sei der Bauantrag seinerzeit gescheitert, weil das Amt im Erdgeschoss des Gebäudes eine Ladenzeile verlangt habe – so die Legende. Doch mit solchen antiquierten Forderungen soll zukünftig Schluss sein – zumindest entlang der südlichen Jöllenbecker Straße, zwischen Weststraße und Wittekindstraße. Um den anhaltenden Streits um das individuelle Auslegen von Bauvorschriften ein Ende zu machen, wollten die Politiker der Bezirksvertretung Mitte (BZV) für das Areal einen Bebauungsplan aufstellen. Dessen Vorteil: rechtsverbindliche Vorschriften für alle potenziellen Investoren. Dessen Nachteil: die Kosten für etliche Gutachten verbunden mit der Dauer der Umsetzung. Bauberatung schafft akzeptable Lösungen für Investoren Um das ganze Prozedere abzukürzen, empfahl nun die Verwaltung ihrerseits, auf das Bebauungsplan-Projekt mit dem Namen II/1/59.00 zu verzichten. &bdquo;In dem Quartier besteht eine hohe Nachfrage, Flächen nachzuverdichten. Die betrifft sowohl die Nutzung von verbliebenen Restflächen, als auch den Ersatz von bestehenden Gebäuden durch Abriss und Neubau“ formulierte das Bauamt in einer Beschlussvorlage für die Politik. Die vor zwei Jahren für das Gebiet eine Veränderungssperre verfügt hatte, was so viel bedeutete wie: Nichts geht mehr. Anlass soll ein Bauvorhaben gewesen sein, das hoch hinaus wollte, nach damaligen Erwägungen um einige Etagen zu viel, und der Bebauungsplan sollte Einhalt gebieten. Für den geplanten Neubau sollte ein einst hübsches Häuschen mit angebautem Imbiss-Betrieb weichen, stattdessen aber gammelt es weiter vor sich hin, wie so viele Leerstände in der Stadt. Theoretisch aber könnte sich das an der Stelle schon bald ändern, denn wie das Amt mitteilte, sei diesen April eine Baugenehmigung für das überarbeitete Projekt erteilt worden: &bdquo;Hier konnte durch Bauberatung eine städtebaulich und gestalterisch akzeptable Lösung gefunden werden“, heißt es in der Beschlussvorlage – der Abriss-Bagger kann kommen. Und die zwischenzeitliche Lösungsfindung gelte nicht nur für die Nummer 61, sondern für alle relevanten Baugrundstücke, die seit der politisch gewollten Blockade weiter brach liegen mussten. Zu einer Zeit, in der die Konditionen fürs Bauen deutlich günstiger waren als gegenwärtig. Wie das Bauamt in dem Dokument weiter argumentiert, handle es sich auf dem rund 600 Meter langen Teilstück der Magistrale um eine &bdquo;heterogene Bestandssituation“, was eine angestrebte einheitliche Bebauung praktisch unmöglich mache. Während auf der Westseite der Straße bei den alten, meist frei stehenden Häusern die ein- bis zweigeschossige Bauweise dominiert, ragen im Osten die teilweise miteinander verbundenen Mehrgeschosser in die Höhe, die im Parterre fast alle ein Ladenlokal besitzen. Diese Bauweise sollte ursprünglich auch als Vorbild fungieren für neue Gebäude, erwies sich in der praktischen Umsetzung aber für die Investoren als vehementes Hindernis. Diesen Missstand erkannte die Verwaltung und riet auch hier der Politik zu einem Paradigmenwechsel: So sei die angestrebte Festsetzung von gewerblichen Nutzungen im Erdgeschoss vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung und einem Erstarken des Online-Handels kritisch zu hinterfragen. Denn die fehlende Nachfrage nach gewerblichen Flächen in dieser Innenstadtrandlage könnte künftige Leerstände produzieren und zu einem Trading-Down-Effekt im Straßenabschnitt führen. Große Zustimmung für Abkehr vom Bebauungsplan Damit das Einfallstor zu City nicht noch weiter herunter kommt, votierten die Politiker in der BZV für die angebotene Beschlussvorlage der Verwaltung und verabschiedeten sich von dem Bebauungsplan – in der Hoffnung, dass dort zügig etwas passiert. Das Plenum habe mit großer Mehrheit zugestimmt, sagte Bezirksbürgermeisterin Gudrun Hennke von den Grünen. Und auch Peter Ridder-Wilkens von der Partei Die Linke begrüßte die Entwicklung. Für einen Antrag zu einer vorherigen Sitzung hatte seine Fraktionskollegin Marita Krüger eine veritable Fotosammlung zusammengetragen von Brachen, Leerständen und Baulücken im Stadtbezirk. Verbunden mit der Kollektion erhielt die Verwaltung den Auftrag, die Eigentümer der betreffenden Objekte anzusprechen und über eine neue Nutzung zu reden. Die Antwort dazu vom Amt: Um die Aufgabe werde sich zukünftig das Leerstandsmanagement der Stadt kümmern. Allerdings müsse die Stelle noch ausgeschrieben werden. Dass der Handlungsbedarf groß ist, zeigt allein die interaktive Leerstands- und Baulücken-Karte des Vereins Pro Grün, die mittlerweile über 300 anonymisierte Einträge zählt. Darunter befindet sich gewiss auch die Busch-Brache an der Ecke Jöllenbecker Straße Siegfriedstraße. Für die jetzt eine echte Entwicklungschance besteht. Dann werden die Nachtkerzen und der Feinstrahl als unverwüstliche Vertreter des blumigen Wildwuchses am Rande eines Gartens oder Parks gedeihen.

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