Dreht Bielefelds größte Baugenossenschaft Mietern die Heizung ab?

Bielefeld. Die Freie Scholle wird ihren Mietern nicht die Heizungen kleiner drehen. Vorstandsvorsitzender Kai Schwartz und sein Stellvertreter Michael Größlich halten nichts vom Zwang zur Energieeinsparung. Obwohl sich schon die Frage stelle, ob man in der Heizperiode auch mit 19 statt mit 21 Grad in den Wohnungen unterwegs sein könne. "Wir versuchen aber, dass mit Anreizen zu schaffen", betont Schwartz. Dafür stehe man als Genossenschaft im engen Dialog mit den Mietern über klimaschonendes Verhalten. "Letztlich ist es unausweichlich auch eine Frage der Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit." Für die Freie Scholle ist es dabei von Vorteil, dass 61,7 Prozent des Bielefelder Bestandes durch Fernwärme versorgt wird. Darüber hinaus will die Scholle so schnell es geht, weg von den fossilen Brennstoffen, hin zu regenerativen Energien. Ein großes Projekt dazu läuft bereits im Sennestädter Quartier am Verler Dreieck. Die 255 Wohnungen werden in fünf Bauabschnitten von Gas auf Hybridheizungen (Luft-Wärme-Pumpen) umgestellt. Grundsätzlich sollen alle Heizungsanlagen - so weit es technisch möglich ist - im Verbrauch optimiert werden. Erstmals hat Bielefelds größte Wohnungsbaugesellschaf für ihren Bestand und ihre Geschäftsaktivitäten eine Klimabilanz erstellt und ihren CO2-Fußabdruck ermittelt. Daraus geht hervor, dass die 5.148 Wohnungen - auf die 95 Prozent aller Emissionen entfallen - im Jahr 2020 rund 4.328 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß verursacht haben. Das entspricht 13,3 Kilogramm pro Quadratmeter Wohnfläche. Bis 2045 sollen 90 Prozent davon eingespart werden, nicht nur, weil der Gesetzgeber bis 2045 die Klimaneutralität einfordert. Der ebenfalls erstmals erstellte Nachhaltigkeitsbericht, an dem die Mitglieder vorbereitend mitgewirkt haben, setzt ambitionierte Ziele. So sollen ab jetzt jährlich 300 Tonnen CO2 im Bestand durch Modernisierung (Dämmung von Fassaden, Dächern, Kellerdecken) und durch Photovoltaik für Mieterstrom eingespart werden. Im Geschäftsbetrieb will die Freie Scholle ihre Emissionen bis 2025 um 50 Prozent senken. Der Energieverbrauch soll bis dahin um 20 Prozent sinken, ebenso die Gasversorgungsquote. Das Thema "Energie" wird die Baugenossenschaft in den nächsten Jahren erheblich umtreiben - und vermutlich auch ihre Mieter. Dividende für Genossenschafter von 4 Prozent Kai Schwartz und sein Stellvertreter Michael Größlich blicken zufrieden auf das zurückliegende Geschäftsjahr und kündigen zudem für 2023 und 2024 Investitionen von rund 43 Millionen Euro an. Die Scholle-Mitglieder dürfen sich auf eine Dividende von 4 Prozent freuen und darauf, dass die Baugenossenschaft 2022 auf Mietpreiserhöhungen verzichten wird. 76 Prozent der Mieter zahlen damit weiterhin maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter. Der überwiegende Rest kommt auf Mieten zwischen 6,51 und 9,50 Euro, lediglich ein Prozent muss bis zu 11 Euro zahlen. Bei Erstvermietung im öffentlich geförderten Neubau liegt der Mietzins bei 6,20 Euro. Das goutieren die Mitglieder, die Leerstandsquote liegt bei unter einem Prozent, die Fluktuation beträgt 8,3 Prozent. Spareinrichtung der Scholle mit Kunden-Einlage-Rekord Und die Scholle-Mitglieder und weitere Kunden vertrauen ihrer Genossenschaft ihr Geld an: Die bankähnliche Spareinrichtung hat mit Einlagen, die um 9 auf rund 99 Millionen Euro gewachsenen sind, ihren bisherigen Höchststand erreicht. Großartige Zinsen gibt es dafür nicht, maximal 0,5 Prozent. "Die Spareinrichtung ist ein starkes Identifikationsmerkmal", betont Schwartz. "Weil die Mitglieder sehen, was mit ihrem Geld passiert." Die Freie Scholle dient sie als Finanzierungsmittel für ihre Modernisierungsmaßnahmen.

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