Angeklagt wegen versuchten Mordes: Mann rastet bei Prozess in Bielefeld aus

Bielefeld. Schon zu Prozessbeginn am Dienstagmorgen um 9 Uhr vor dem Landgericht Bielefeld deutet sich an, dass der erste Verhandlungstag keinen normalen Verlauf nehmen wird. Es geht um einen versuchten Mord. Der Angeklagte soll bei einem Einbruch in ein Einfamilienhaus an der Buschkampstraße vom Hausherrn überrascht worden sein und dann mit einem Messer zugestochen haben. Nur eine Notoperation konnte im Dezember vergangenen Jahres das Leben des 63-jährigen Bielefelders retten. Prozess in Bielefeld: Mann protestiert und fordert Verhandlung in Moskau Von zwei Justizbeamten wird der 24-jährige Angeklagte in Saal 1 geführt, allerdings unter seinem lautstarken Protest, körperlich und verbal. Hinsetzen will sich der Mann auf keinen Fall, er will stehenbleiben und protestiert gegen die Gerichtsverhandlung in Bielefeld. Er wolle nach Russland, seine Heimat, und in Moskau solle man ihm den Prozess machen, ruft er laut in den Gerichtssaal. Ein Dolmetscher übersetzt. Immer lauter wird die Diskussion mit den zwei, ihn im Gerichtssaal bewachenden Justizbeamten. Beschwichtigend reden sie auf den Mann ein. Einer von ihnen ist der russischen Sprache mächtig, doch auch dies hilft wenig. Bielefelder Richter ermahnt wütenden Angeklagten Auch der Vorsitzende Richter, Christoph Meiring, ist irritiert, als er den Gerichtssaal betritt. &bdquo;Sie sind hier nicht in Russland, bei uns darf man sich hinsetzen“, belehrt ihn der Richter. Als Antwort erhält er einen Schwall von Sätzen in russischer Sprache, die nicht zu verstehen sind, sich aber äußerst aggressiv anhören. Die Ermahnung, sich endlich hinzusetzen, ist vergeblich. Vielmehr müssen sich jetzt die beiden Justizbeamten vor dem Angeklagten in Acht nehmen, der sich zu körperlichen Angriffen bereitzumachen scheint. Wütend reißt er an der Mikrophonanlage. Mann sitzt in der Haftanstalt Brackwede Ein sichtlich genervter Vorsitzender Richter spricht zum ersten Mal von der Möglichkeit, auch in Abwesenheit des Angeklagten das Verfahren durchzuführen, wenn er denn weiter randaliere. &bdquo;Wenn sie sich unschuldig fühlen oder es sind, dann sollten sie sich trotzdem an die Gepflogenheiten im Sitzungssaal eines Gerichts halten, um ihre Interessen zur Geltung zu bringen“, spricht Meiring ihn noch einmal an. Stehend beantwortet der Angeklagte dann nur widerwillig und spärlich Angaben zu seiner Person. Bei seinem Alter gibt er 20 Jahre an, obwohl er am 29.1.1998 in Russland geboren wurde und damit 24 Jahre alt ist. Ohne festen Wohnsitz hat er sich bis zu seiner Verhaftung in Bielefeld aufgehalten und sitzt jetzt in der Haftanstalt Brackwede. Hauseigentümer überrascht Einbrecher und wird niedergestochen Die Anklageschrift, vorgetragen von Staatsanwältin Claudia Bosse, wirft dem Mann neben zahlreichen Einbrüchen und Diebstählen speziell im Kreis Gütersloh auch einen versuchten Mord vor. Am Dienstag, dem 14. Dezember vergangenen Jahres, soll der jetzt Angeklagte am Nachmittag in ein alleinstehendes Einfamilienhaus an der Buschkampstraße eingebrochen sein. Der um 17.42 Uhr heimkehrende Hauseigentümer, ein Lüftungsmonteur, überrascht den Täter, versucht ihn zu überwältigen und auf dem Boden zu fixieren. Doch der Einbrecher sticht mit einem Messer in den Unterbauch des Mannes und verletzt ihn lebensgefährlich. Danach flüchtet er. Richter schließt Angeklagten wegen verbaler Attacken aus Immer wieder unterbricht der Angeklagte lautstark den Vortrag der Anklageschrift, redet parallel zur Staatsanwältin, die immer wieder neu ansetzen muss. Sie ist aufgrund der Lautstärke, die von der Anklagebank, vom stehenden 24-Jährigen kommt, kaum im Saal zu verstehen. Zu den Anklagepunkten will sich der 24-jährige Russe nicht äußern. Er sei unschuldig und habe niemandem etwas getan, sind seine letzten Worte. Denn als seine verbalen Attacken nicht enden, greift der Vorsitzende Richter schließlich durch. &bdquo;Sie haben jetzt die Verhandlung permanent gestört. Deswegen schließe ich sie von dem Verfahren aus“, verkündet Meiring und widerwillig verlässt der Mann den Gerichtssaal. Es kehrt endlich für alle Prozessbeteiligten Ruhe ein. Drohnen bei der Fahndung in Bielefeld im Einsatz Vorgelesen wird jetzt aus Protokollen der Polizei. Es heißt, dass derzeit eine sofortige Nahbereichsfahndung rund um den Tatort eingeleitet wurde. Dabei sollten Suchhunde die Fährte des Einbrechers aufspüren. Doch alle Bemühungen, auch der Einsatz von Wärmebildkameras mit zwei Drohnen, blieb erfolglos. Erst der Zufall will es, dass der jetzt wegen Mordversuchs Angeklagte gefasst wird. Bei einer Fahrradkontrolle wird der 24-Jährige in Gütersloh festgenommen, da er Diebesgut mit sich zu führen scheint. Und der Abgleich seiner DNA wird dann zum Volltreffer: Der Mann hat seine Spuren auch in der Buschkampstraße hinterlassen. Sein heute 63-jähriges Opfer sagt am Dienstag auch aus. Er sei gesundheitlich wieder voll hergestellt und arbeite wieder. Er freue sich, die Tat überlebt zu haben. Am 5. Juli wird die Verhandlung fortgeführt, ohne den Angeklagten.

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