Teure "Betonwüste": Bielefelds große Jahnplatz-Abrechnung

Bielefeld. Olaf Lewald setzt auf Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung. &bdquo;Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“, heißt es dort im ersten Satz. Genau das erwartet der Leiter des städtischen Amtes für Verkehr von dem Menschen, die künftig auf dem sanierten Jahnplatz unterwegs sein werden. Die Politiker in der Bezirksvertretung Mitte, dem Stadtteilparlament für den größten Bielefelder Stadtbezirk, haben weit weniger Vertrauen in die Verkehrsteilnehmer. Schon jetzt, noch vor der offiziellen Verkehrsfreigabe, gebe es Konfliktpunkte, sagt André Langeworth (CDU) und verweist auf die Gestaltung der Bushaltestelle auf der Café-Europa-Seite des Platzes. Mitten durch die Aufstellflächen für die Bus-Fahrgäste führt der neue Radweg. Es ist das sogenannte &bdquo;Kopenhagener Modell“, das damals für den Haltestellen-Umbau mehrheitlich beschlossen wurde. &bdquo;Und es funktioniert nicht“, meint Langeworth. Fahrgäste und Radler gerieten ständig aneinander. Es fehlt an Grün Dies ist nur einer der Kritikpunkte, den die Politiker in ihrer Sitzung am Donnerstag auflisten. Tim Bevan (SPD) bemängelt, es sei eine &bdquo;reine Betonwüste“ entstanden. Es fehle jegliches Grün. Lisa Waimann (Grüne) findet, die neuen Radwege hätten sich längst als Lieferzone für Lkw etabliert. &bdquo;Da gibt es oft kein Durchkommen.“ Werde nicht angeliefert, bestimmten Mülltonnen das neue Straßenbild. Und dann ist da natürlich auch noch die extreme Kostensteigerung. Die Sanierung des Platzes wird am Ende nicht 13,9 Millionen Euro, wie zunächst kalkuliert, kosten, sondern 27,5 Millionen. In dieser Woche ist bekannt geworden, dass sich die Arbeiten um fast 100 Prozent verteuern. &bdquo;Diese Kostenexplosion wäre durch mehr Genauigkeit vermeidbar gewesen“, meint CDU-Politiker Langeworth. Nicht nachvollziehbar sei etwa, dass Suchgräben gezogen werden mussten, um festzustellen, wo die Leitungen unter dem Platz entlang laufen. Zuletzt sei der Jahnplatz Anfang der 90er Jahre saniert worden. &bdquo;Ich kann mir nicht vorstellen, dass damals niemand notiert hat, wo sich die Leistungen befinden.“ Dass die Pflasterarbeiten bei dem engen Zeitplan auch im Winter fortgesetzt werden mussten, hätte ebenfalls vorher bekannt sein müssen. Jetzt schlügen dafür 600.000 Euro extra zu Buche, rechnet Langeworth vor. Dass der Auftritt in der Bezirksvertretung für ihn diesmal kein leichter werden würde, dürfte sich Lewald schon vor Sitzungsbeginn gedacht haben. Er versucht, die Kritik zu entkräften. An den Haltestellen werde man das Zusammenspiel von Fahrgästen und Radfahrern beobachten. Nach der offiziellen Verkehrsfreigabe werde zunächst Personal eingesetzt, um die Verkehrsteilnehmer für die neuen Wegeführungen &bdquo;zu sensibilisieren“. Das Gleiche werde in der Anfangsphase auch für die Fußgängerüberwege gelten. Dort gibt es eine Ampel für die Autofahrspuren, aber nicht für die Radwege. Mehr Bepflanzung sei wegen der Platz-Untertunnelungen kaum möglich. Es fehle eine ausreichende Erdkrume. Bemängelt wurde auch, dass das neuen Pflaster teils schon wieder verdreckt, sich die Abgänge zur Stadtbahnstation im Untergrund beschmiert und ansehnlich seien. Hier sind noch Reinigungsarbeiten geplant. Kostensteigerungen Die Kostensteigerungen seien teils auch durch Lieferschwierigkeiten und kräftig angestiegene Materialpreise entstanden, begründet die Verwaltung den erheblichen Mehraufwand. Die Fördermittel von Land und EU sind anfangs an einen engen Zwei-Jahres-Zeitraum gekoppelt gewesne. Deshalb hätte eigentlich Ende Juni alles fertig sein müssen. Jetzt ist der Förderzeitraum bis Ende März 2023 verlängert worden. &bdquo;Da hätte man besonnener vorgehen können“, findet Timo Franz (FDP). Der Aufschub sei aber erst spät wegen Corona gewährt worden, so Lewald. Jetzt soll der Jahnplatz am 25. Juli wieder für den Verkehr freigegeben, am 20. August die offizielle Eröffnung gefeiert werden. Die Nachtsonnen, die futuristische Platzbeleuchtung, wird wohl erst im November montiert. Mit dem Aufbau des Weihnachtsmarktes sollen diese Arbeiten aber nicht kollidieren, verspricht Lewald.

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