
Bielefeld. Die Gusto-Testesser waren in der Stadt. Anfang der Nullerjahre als regionaler Restaurantführer in Bayern gegründet, hat sich Gusto inzwischen in der Restaurant- und Feinschmeckerszene einen Namen gemacht und ist zum bundesweit beachteten Gourmetführer avanciert. Er brachte frischen Wind in das lange von wenigen Publikationen beherrschte Feld der Gourmetkritik. Die Basis für seine möglichst objektive Restaurantkritik sind nach eigenen Angaben regelmäßige, unangemeldete Testbesuche.
In Bielefeld fiel dabei jüngst wieder ein Restaurant in Schildesche auf: Als bester Küchenchef schnitt Sebastian Höptner mit seinem Restaurant Abendmahl ab. Eine „handwerklich und geschmacklich hervorragende, oft auch kreative Küche sehr weit über dem Durchschnitt“ attestieren ihm die Kritiker. Und vergeben zum dritten Mal in Folge sieben Pfannen dafür. Höptner wundert sich gleichzeitig darüber, dass Gourmetbibeln wie etwa der Michelin „einen Bogen um Bielefeld“ machen.
Der noch relativ junge kulinarische Restaurantführer Gusto genießt hohes Ansehen in der Branche. Das Abendmahl im Herzen von Schildesche besuchen die Tester seit acht Jahren regelmäßig. Bei ihrer jüngsten Einkehr ließen sie eine als „Herbstgemüse“ titulierte Vorspeise auffahren, die „Sellerie-Sorbet und blanchiertes Lauch mit Feldsalatcreme zusammenbrachte, um alles letztlich mit Kohlsud zu umspülen“.
Fazit: „Ein schön erdig-gemüsiges, fest in der Region verwurzeltes Arrangement.“ Voll des Lobes äußern sich die Gourmet-Profis auch über die folgenden Gänge, den „rösch gebratenen“ Kohlenfisch etwa, die „klassisch geratene Barbarie-Entenbrust“ und die Dessertvariationen aus Orange, Kürbis, Vanille und Safran. Dass dies so spielerisch-locker daherkomme, sei keine Selbstverständlichkeit.
Michelin-Tester machen Bogen um Bielefeld
Sieben Pfannen – auf diesem Niveau gebe es kaum noch Restaurants ohne einen Michelin-Stern, so Höptner. Das zeigten Nachbarorte wie Detmold (Detmolder Hof), Paderborn (Balthasar), Wiedenbrück (Reuter). Mit jeweils zwei Sterne-Restaurants könnten vergleichbar große Städte wie Münster und Osnabrück aufwarten. „Nach wie vor ist für uns Gastronomen der Michelin sehr wichtig“, unterstreicht Höptner. Allerdings tauchten die Tester in Bielefelder Restaurants längst nicht mehr regelmäßig, sondern im Abstand von etwa drei bis vier Jahren auf, davon ausgenommen seien Neueröffnungen. „Da guckt dann schon bald jemand herein“, sagt Höptner.
Sind es generelle Vorbehalte gegenüber Bielefeld, die den Michelin von regelmäßigen Besuchen der Stadt abhalten? Schrecken andrerseits Gastronomen vor dem Aufwand zurück, der einhergeht mit einer Aufwertung zum Sterne-Restaurant? Höptner vermutet, es könne auch an den Gästen liegen. Zwar gingen die Bielefelder gern zum Essen aus, und die Stadt habe im Vergleich zu ähnlich großen Kommunen eine überdurchschnittlich große Auswahl an Restaurants. Doch sähe man dort häufig das immer gleiche Publikum.
Bei vielen könne der Eindruck entstehen, das Budget für Restaurantbesuche stehe schon vorab fest. Laut Höptner ein Bielefeld-spezifisches Phänomen. Weshalb seine auswärtigen Kollegen auch von den „Bibis“ sprächen, den „billigen Bielefeldern“. Weniger festgelegt verhielten sich dagegen neu Hinzugezogene wie Beschäftigte aus dem Umfeld der Universität.
Liegt es an den "billigen Bielefeldern"?
Doch könnten die Gastronomen durchaus selbst die Initiative ergreifen und mehr wagen, so der Chef des Abendmahls. Mal einen Champagner als Aperitif anbieten, mal ein „großes Gewächs“, einen edlen Wein als Menübegleitung. „Wir sind oftmals zu zurückhaltend“, sagt Höptner selbstkritisch.
Ein Sterne-Restaurant sei auch für Bielefeld angemessen, könne sich werbewirksam für die Stadt auswirken. Kulinarisch gesehen fehle es Bielefeld schon lange an Glanz. Mitte der 1980er Jahre konnten sich gleichzeitig drei Lokale mit Michelin-Auszeichnung schmücken: „Klötzer’s kleines Restaurant“, die „Ente“ und die „Auberge le Concarneau“ auf dem Museumshof Buschkamp. In der aktuellen Gusto-Bewertung erhielt das Tomatissimo sechs, der Buschkamp 5,5 Pfannen.