Lebensgefährliche Messer-Übergriffe in Bielefeld: Das sind die Täter

Bielefeld. Die Schlagzeilen rund um blutige Messerstechereien reißen in Bielefeld nicht ab. Am 6. Mai stirbt an der Plaßschule ein junger Mann (26) nach einem Messerstich ins Herz. Am 30. April wird ein Punker (21) am Rande eines Konzerts bei einer Prügelei auf dem Kesselbrink durch eine Stichwaffe verletzt. Die Bielefelder Kripo sucht in der TV-Sendung &bdquo;Aktenzeichen XY“ einen jungen Messerstecher, der im Januar in Ummeln auf einen Bielefelder eingestochen haben soll. Im Dezember wird ein Mann (62) im eigenen Haus von einem Einbrecher niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Ungewöhnlich junge Täter Die mutmaßlichen Täter sind ungewöhnlich jung: 15, 20, 17 und 24 Jahre alt und sie scheuen sich offensichtlich nicht, ihr Messer nicht nur für eine Drohgebärde zu präsentieren, sondern auch einzusetzen. Offenbar ohne jede Hemmung. Denn bei Angriffen mit Stichwaffen und scharfen Klingen kann man lebensgefährliche Verletzungen nie ausschließen, warnt die Kripo Bielefeld auch während ihres Zeugenaufrufs am 11. Mai in der ZDF-Sendung &bdquo;Aktenzeichen XY“. Jederzeit könnten dabei innere Organe getroffen werden. Doch selbst Teenager bewaffnen sich mit Messern. Sie wollen vorbereitet sein: &bdquo;Wenn jemand ein Messer zieht, kann ich reagieren“, erzählt ein Schüler zu seiner Bewaffnung. &bdquo;Hauptsache ich werde nicht abgestochen." Doch genau dazu soll es am 6. Mai auf dem Sportplatz der Plaßschule gekommen sein. Ein 15-Jähriger soll dort mit einem relativ kurzen Messer herumgefuchtelt haben. Ein anderer soll auch ein Messer gezogen haben. Als der Teenager zusticht, ist die Größe und Länge der Klinge genau so unerheblich wie die Anzahl der Attacken. Das Messer trifft nur einmal, dafür aber direkt ins Herz. Der Angegriffene stirbt trotz schneller Wiederbelebungsbemühungen der Polizisten noch am Tatort. Wie reagiere ich richtig? Was sollte man tun, wenn man jemandem mit einem Messer gegenübersteht. Die Polizei Bielefeld rät: &bdquo;Wenn ein Messer im Spiel ist, sollte man möglichst die Flucht ergreifen und nicht den Helden spielen“, berichtet Polizeisprecherin Sonja Rehmert. &bdquo;Aus sicherer Entfernung kann man lautstark andere Menschen auf die Gefahr aufmerksam machen – und natürlich möglichst schnell die 110 wählen.“ Sieben Meter Abstand, so lautet die Sicherheitsgrundregel der Polizei. Wer innerhalb dieses Radius steht, ist in Lebensgefahr. Doch wer angegriffen wird, kann oft nur schwer so viel Abstand zum Angreifer gewinnen. Polizisten in Gefahr Auch Polizeibeamte sind immer wieder mit Messern konfrontiert. Besonders gefährlich wird es, wenn die Waffe noch gar nicht zu sehen ist. Laut Sonja Rehmert trifft die Polizei immer wieder auf Personen, die ein Messer oder einen gefährlichen Gegenstand bei sich haben oder verwenden. &bdquo;In der Aus- und Fortbildung werden Polizisten regelmäßig auf solche Situationen vorbereitet und geschult. Sie sind darauf gefasst, dass Messer oder gefährliche Gegenstände, die zunächst verborgen sind, plötzlich eingesetzt werden.“ Tödliche Gefahr Kampfsportexperte Christian Hjort, der unter anderem auch Polizeibeamte im Umgang mit Messertätern trainiert, rät dringend davon ab, sich einer Person mit Messer in den Weg zu stellen: &bdquo;Messer gehören in der Nahdistanz zu den tödlichsten Waffen. Man weiß nie, wie der Täter reagiert, wenn man ihn in die Enge treibt.“ Selbst ein Wortgefecht oder ein zugestellter Fluchtweg kann so viel Angst auslösen, dass derjenige zusteche. Alle vier Tage eine Messertat in Bielefeld In Bielefeld sind Messertaten keine Seltenheit. Seit 2019 wertet die Polizei in NRW &bdquo;Straftaten mit dem Tatmittel Messer“ aus. Die Zahlen in Bielefeld zeigen, dass im Schnitt spätestens jeden vierten Tag eine Straftat mit einem Messer begangen wird. 2021 registrierte die Polizei 95 Messertaten, im Corona-Jahr 2020 waren es nur 83, dafür 2019 sogar 106. In der Mehrzahl der Fälle (gut zwei Drittel) handelt es sich um Bedrohungen und Körperverletzungen. Raubdelikte machen ein Zehntel der Taten aus. Tödliche Vorfälle sind zum Glück die Ausnahme. Eindeutig männlich Wer sind diese Täter? Polizeisprecherin Rehmert erkennt in der Statistik insbesondere, &bdquo;dass Messer in allen Altersgruppen überwiegend von Männern eingesetzt werden.“ Von den 284 Bielefelder Messer-Straftaten der vergangenen drei Jahre wurden nur 37 von weiblichen Tatverdächtigen (acht davon von minderjährig) begangen. 34 von den 247 männlichen Tätern waren wiederum minderjährig. 14- bis 21-Jährige sind auffällig Es ist klar, dass Erwachsene deutlich häufiger Messer einsetzen &bdquo;als alle anderen Altersgruppen zusammen“, betont Rehmert. Blickt man aber auf den Anteil der verschiedenen Altersgruppen, wird deutlich, dass die Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) trotzdem bei diesen Delikten deutlich überrepräsentiert sind. Vier Prozent der Bielefelder Einwohner sind Jugendliche und drei Prozent sind Heranwachsende. Ihr Anteil an den Messertaten liegt aber jeweils bei 10 bis 13 Prozent und bei den Heranwachsenden sogar bei 10 bis 18 Prozent. Für Kriminologen ist das nicht überraschend. Junge Männer und Jugendliche sind ohnehin überproportional an Gewaltdelikten beteiligt. Die 14- bis 30-Jährigen machen laut einer niedersächsischen Studie nur 9,3 Prozent der Wohnbevölkerung aus, werden aber für knapp 52 Prozent der Gewaltkriminalität verantwortlich gemacht. Ausländer-Phänomen Und dann heißt es immer wieder: Messer-Täter seien oftmals Männer aus dem Ausland, wo der Überlebenskampf und das Recht der Straße deutlich mehr Bedeutung hätten als in Deutschland. Kann die Polizeistatistik darüber eine Auskunft geben? Die Behörde unterscheidet bei den Tatverdächtigen nur zwischen deutschen, nicht-deutschen Staatsbürgern und Geflüchteten (Asylbewerber und Geduldete). Ausländische Bürger machen in Bielefeld einen Bevölkerungsanteil von 17 Prozent aus. Bei den Messertaten lag ihr Anteil allerdings zuletzt bei 45 und 48 Prozent. Hinzu kommt dann noch die Zahl der Tatverdächtigen aus der Gruppe der &bdquo;Geflüchteten“ (10 bis 20 Prozent). Messertäter mit deutscher Staatsangehörigkeit (83 Prozent der Bielefelder haben einen deutschen Pass) sind also deutlich unterrepräsentiert. Hierzu zählen ausdrücklich auch Deutsche mit Migrationshintergrund. Verzerrte Zahlen Die Kriminalforschung betont allerdings, dass mehrere Verzerrungsfaktoren diese scheinbar eindeutigen Zahlen relativieren. So zeigt eine Studie des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention (Christian Pfeiffer), dass Gewaltopfer ausländische Tatverdächtige deutlich häufiger anzeigen (27 Prozent) als deutsche Staatsbürger (13 Prozent). Da die Polizeistatistik nur angezeigte Taten aufweise, fehle hier also das Dunkelfeld. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Flüchtlinge zur Altersgruppe der 14- bis 30-Jährigen gehört, die ohnehin überproportional an Gewalttaten beteiligt ist. Ist es also doch das Alter und nicht die Herkunft? Thomas Fischer vom Deutschen Jugendinstitut hat sich mit der Straffälligkeit junger Geflüchteter auseinandergesetzt und er sieht neben den relativierenden Aspekten auch sogenannte Belastungsfaktoren. Demnach könnten Erfahrungen im Heimatland (Krieg, gewaltbefürwortende Männlichkeitsnormen) wie auch die Situation in Deutschland (fehlende Bleibe- und Arbeitsperspektiven, Diskriminierung) zu einer erhöhten Kriminalitätsbelastung führen. In Bielefeld sitzen aktuell zwei junge Täter in U-Haft: Einem 15-jährigen Schüler mit serbischen Wurzeln wird Totschlag mit einem Messer vorgeworfen. Wegen versuchten Mordes mit einem Küchenmesser muss sich ein junger Serieneinbrecher (24) aus Russland verantworten.

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