Altes Bielefelder Fischgeschäft wird zum innovativen Architekturbüro

Bielefeld. Als Fischgeschäft Adam war das kleine, historische Gebäude an der Johannisstraße 23 im Schildescher Ortskern einst bekannt wie ein bunter Hund. Noch heute erinnern sich viele Schildescher daran. Bevor Architekt Klaus Beck das Objekt ab 2019 behutsam als Wohn- und Geschäftshaus sanierte, wurde zuletzt 20 Jahre lang nur noch der vordere Teil genutzt: als Antiquitätengeschäft. Damit haben die heutigen, hellen und offenen Räume mit insgesamt rund 200 Quadratmetern Nutzfläche nur noch die Außenmauern gemein. 1942 wurde die rechtmäßige Eigentümerin deportiert, enteignet und ermordet Das kleine Gebäudeensemble besteht aus zwei aneinander gefügten Baukörpern mit unterschiedlicher Größe, Konstruktion, Dachform und Fassadengestaltung. Der Ursprung geht bis ins Jahr 1869 zurück. Die jüdische Familie Grünewald betrieb dort eine Schlachterei mit Verkauf. "1942 wurde die rechtmäßige Eigentümerin, Pauline Grünewald, deportiert, enteignet und ermordet", berichtet Beck. Nach dem Krieg wurde der Besitz von Fritz Adam erworben und von der Familie als Wohnhaus und Fischgeschäft genutzt - noch bis 2004. Die bewegte Nutzungsgeschichte habe vielfältige bauliche Spuren hinterlassen, sagt Beck. Aufgrund mangelnder Unterhaltung habe das Gebäude aber erheblichen Schaden genommen. So sei der gesamte Sockelbereich durchfeuchtet, das Mauerwerk massiv von Schimmel befallen, die Dachkonstruktion zerstört gewesen. Unter Denkmalschutz steht es nicht, jedoch unter Bestandsschutz. So musste die äußere Kubatur erhalten bleiben. Die energetische Sanierung und der Umbau des Gebäudes sollten den Charakter des Vorgefundenen aufgreifen, aber auch zeitgemäße Architektur und Bautechnik verwirklichen. Bescheidenheit war die Devise. Aufgenommen wurde die sehr reduzierte Architektur, die ungeordnete Verteilung der Fenster- und Türöffnungen, fehlende Dachüberstände und schlichte Putzfassade. "Die Wärmedämmung auf den Außenfassaden veränderte das Erscheinungsbild, da die Stärke der Außenwände sich annähernd verdoppelt hat", berichtet Beck. Das sei besonders sichtbar an allen Öffnungen, da Fenster- und Türlaibungen in einer knapp 50 Zentimeter starken Außenwand erscheinen. Diese Veränderung werde erlebbar gemacht, indem Fenster- und Türöffnungen mit unterschiedlichen Anschlägen - von innen- bis außenbündig - die Laibungstiefe sichtbar und die Stärke des Mauerwerks erfahrbar machten. Das Gebäude erscheine als Block, in den die Öffnungen eingeschnitten wirkten. Fenster und Außentüren sind unkonventionell nur mit Leinöl behandelt Innen und außen wurden einfache, vorwiegend regionale Materialien wie naturbelassenes Holz und Dämmstoffe aus regenerativen nachwachsenden Rohstoffen verbaut. So auch bei den Fenstern und Außentüren, die unkonventionell nur mit Leinöl behandelt sind. "40 Prozent aller CO2-Emissionen werden vom Baubereich verursacht: mehr als von Verkehr und Landwirtschaft", sagt Beck. Bei der Reduzierung der Betriebsenergie (Heizung, Warmwasser, Strom) werde schon viel getan. Viel Potenzial stecke jedoch noch in der Verringerung des Energieaufwands für die Baustoffe selbst, die sogenannte &bdquo;Graue Energie“. Das Ensemble in Schildesche besteht genau genommen sogar aus drei Baukörpern: Dem Vorderhaus mit annähernd quadratischem Grundriss, dem trapezförmigen Hinterhaus mit Kühlraumanbau und der massiven Garage mit Balkon, heute als leichter Carport erreichtet. Im Vorderhaus wurden die beiden Geschosse des ehemaligen Ladenlokals geöffnet. Eine neue, offene Empore aus schlichten, Holzplanken wird von einer Treppe in Holzstahlkonstruktion erschlossen. Der hintere Hausteil wird aktuell ebenfalls vom Architekturbüro genutzt. Aufgrund der Gebäudesymmetrie sei dieser Teil besonders herausfordernd gewesen. Durch die beiden unterschiedlichen Giebelseiten sind die Dachflächen doppelt gekrümmt. "Kein Fenster konnte einfach so gerade eingesetzt werden", ergänzt Büropartner Max Hoff. "Wir haben hier alles so vorbereitet, dass wir auch zwei Einheiten und auch eine Wohnung daraus machen könnten." Technisch und statisch sei alles vorsorglich so berücksichtigt worden, dass spätere Änderungen schnell umsetzbar seien. Auch alternative Grundrisse für zwei separate Einheiten wurden entworfen. Hereinspaziert: beim Tag der Architektur am 18. und 19. Juni Der Vorbesitzer sei nie auf den Dachboden des Hinterhauses gegangen "Wir haben hier noch Überreste aus der alten Fischräucherkammer, einen Schlitten und andere Schätzchen gefunden", berichtet Hoff. Auch seien noch die Spuren der Rossschlachterei, die groben Deckenhaken, an denen die Pferde aufgehängt wurden sowie die Rinne zum Abfluss des Blutes, zu sehen gewesen, ergänzt Beck. "Hinter den Wohnräumen des Dachgeschosses fand sich eine wurmstichige einfache Holztruhe, letztes verbleibendes Relikt von Pauline Grünewald, in deren Haus vor ihrer Deportation viele weitere jüdische Bürger aus Bielefeld zwangsweise wohnen mussten, bevor auch sie auf dem Kirchplatz vorgeführt und zur Ermordung abtransportiert wurden." Die Bearbeitung der Geschichte sei bei der Sanierung ebenso von Bedeutung wie die Behebung sichtbarer baulicher Schäden. Rund 480.000 Euro hat die Sanierung gekostet. Wer sich das Gebäudeensemble an der Johannisstraße 23 genauer ansehen möchte, hat am Tag der Architektur am 18. und 19. Juni Gelegenheit dazu: am Samstag von 14 bis 17 Uhr, am Sonntag von 11 bis 14 Uhr.

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