Impfzentren in Bielefeld schließen: "Viertimpfung ist ein Ladenhüter"

Bielefeld. Die Bielefelder sind so impfmüde wie schon lange nicht mehr. Die vierte Dosis will kaum einer haben. Einer der größten Anbieter zieht deshalb jetzt Konsequenzen und hört mit dem Impfen ganz auf. Auch der Leiter des städtischen Corona-Impfzentrums Theodor Windhorst bestätigt: "Die Viertimpfung ist ein Ladenhüter". Er erklärt, wann und warum sie im Sommer - trotz Zweifeln an einer gesteigerten Schutzwirkung - Sinn macht. Für jedermann. Und der Arzt sagt: "Eine vierte Impfung wird in diesem Jahr auf uns alle dennoch zukommen." "Absolut unterirdisch" seien die Impfzahlen - Markus Wendler von Testzentrum PVM, der für die Stadt die beiden großen Impfstandorte Loom und Universität betreibt, hat deshalb bereits mit dem Corona-Krisenstab gesprochen. Mal seien es noch 39, mal 29 Impfungen gewesen, die Wendlers Team in der vergangenen Woche pro Tag verabreicht habe. An beiden Standorten zusammen. "Das lohnt sich nicht mehr. Es gibt eine so geringe Impfbereitschaft in der Bielefelder Bevölkerung bei einer relativ hohen Impfquote, dass wir nicht mehr gebraucht werden." Denn Interesse an der Viertimpfung sei kaum vorhanden. Seit Februar herrscht Flaute, Ende April ist Schluss Ganz anders im Herbst 2021: Als Wendler damals an den Start geht und seine Testzentren im städtischen Auftrag zu Impfzentren erweiterte, ist der Run auf die Drittimpfungen riesig, wenig später schlägt die Omikron-Variante auf. "Ziel war es, die Hausärzte zu entlasten und einen schnelleren Zugang zu Impfungen zu ermöglichen." Dieser Auftrag scheint erledigt zu sein. Vorerst. "Seit Februar ist die Zahl der Impfungen stetig zurückgegangen." Auch Impfnachzügler gebe es kaum noch, so Wendler. "Erstimpfungen kommen eigentlich bei uns nicht mehr vor." Er glaubt: "Wer sich jetzt noch gar nicht hat impfen lassen, der wird wohl auch nicht mehr zu überzeugen sein." Mit dem 30. April ist nun Schluss in seinen beiden Impfzentren. Zum Monatsende werden sie "auf Standby geschaltet", so formuliert es Wendler. Er betont, die Testzentren gebe es im Loom und an der Uni weiter und mit ihnen die Infrastruktur sowie das Gros der Mitarbeiter. "Wenn es wieder nötig werden sollte, können wir jederzeit wieder schnell hochfahren und in kurzer Zeit Impfungen für die Stadt in hoher Zahl anbieten." Er rechnet jedoch damit, dass die Impfwilligkeit in den kommenden Monaten sogar eher noch weiter abnehmen wird. Auf einen Omikron-Wirkstoff zu warten, kann fatal sein, warnt der Arzt Lockerungen, schönes Wetter, eher milde Verläufe bei den Infizierten, politisches Hin und Her, nicht genug Werbung fürs Impfen - das sind die Gründe, aus denen auch Mediziner Theodor Windhorst nicht mehr daran glaubt, dass die aktuelle Impfkampagne noch an Fahrt aufnehmen könnte. Der Leiter des städtischen Impfzentrums weiß zudem: "Viele wollen keine Viertimpfung, weil sie auf einen angepassten Omikron-Impfstoff warten, der im Herbst kommen soll." Abzuwarten, sei für Menschen, die ein geschwächtes Immunsystem hätten, aber fatal, warnt er. Windhorst plädiert ab 70 Jahren aufwärts entschieden für die Viertimpfung, um die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf zu reduzieren - auch wenn der gesundheitliche Nutzen in Studien nicht immer eindeutig nachgewiesen werden konnte. "Es gibt zwar keinen Superschutz, der eine Infektion ausschließt." Aber sollte die immunologische Abwehr nach der Drittimpfung wieder abnehmen - und das sei von Person zu Person sehr unterschiedlich -, könne das durch eine vierte Impfung abgefangen werden. Diese sollte sechs Monaten nach der Drittimpfung erfolgen, um das Risiko für schwere Verläufe niedrig zu halten. Jüngeren rät der Arzt aus zwei Gründen zur Impfung vor dem Sommerurlaub "Bei jüngeren und gesunden Menschen, bei denen die Immunabwehr durch T-Zellen intakt ist und normal gesteuert wird, reagiert der Organismus dagegen nach drei Impfungen meistens gut genug", sagt Windhorst mit Verweis auf israelische Studien. Doch auch für Jüngere könne die Viertimpfung sechs Monate nach der Drittimpfung sinnvoll sein - um persönlich und als Gesellschaft ein bisschen mehr auf Nummer sicher zu gehen."Gerade vor der Fahrt in den Sommerurlaub, dazu möchte ich ausdrücklich raten. Der zweite Booster ist ja kein Teufelszeug und schadet nicht. Und da Virus hat gezeigt, es ist ein Chamäleon und verändert sich." Mit der Viertimpfung gebe es deshalb eine Chance, die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf weiter zu senken und damit auch die Wahrscheinlichkeit, Post-Covid-Symptome zu entwickeln. Dass es ohne weitere Impfungen in Zukunft gehen wird, glaubt Windhorst nicht. "Dafür haben wir noch eine zu hohe Kinderzahl, die noch nicht geimpft ist." "Die vielen Dosen, die übrig bleiben, können wir nicht einmal ins Ausland spenden" Alle Bielefelder ab 18 Jahren, könnten sich in den Impfzentren oder beim Hausarzt ihre Viertimpfung abholen, betont man im Bielefelder Gesundheitsamt. Allseits bekannt ist das nicht. Nicht einmal 4.000 Impfdosen wurden in den Impfzentren bisher vergeben. Bei den Hausärzten holten sich rund 13.600 Personen bis zum 17. April die Viertimpfung ab."Wir würden uns ganz andere Impfzahlen wünschen", sagt Tim Waldherr von der Corona-Abteilung. Gerade angesichts extrem hoher Infektionszahlen. Denn auch bei der Drittimpfung schwächele die Nachfrage. "Dabei sollte die wirklich jeder haben, weil sie den Unterschied macht bei den jetzigen Omikron-Varianten." In allen Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe habe man das Angebot für eine Viertimpfung gemacht, hier sei man seit Ende März durch.Und dann ist da noch das vielleicht größte Drama der aktuellen Impfflaute: Der kostbare Impfstoff, der in anderen Regionen der Welt dringend benötigt würde, muss in Bielefeld jetzt weggeschmissen werden, sagt Impfzentren-Betreiber Wendler. "Die vielen Dosen, die übrig bleiben, können wir nicht einmal ins Ausland spenden, weil der Impfstoff schon aufgetaut ist."

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