Rechtsextremismus Bielefeld droht die nächste große Neonazi-Demo

Bielefeld/Berlin. Die gescheiterte Berufung der notorischen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aus Vlotho (Kreis Herford) vor dem Landgericht Berlin ist am 1. April deutschlandweit zur Kenntnis genommen worden. Das Urteil lautete ein Jahr Haftstrafe ohne Bewährung. Angesichts ihrer zahlreichen gleichlautenden Verurteilungen vor allem wegen Volksverhetzung (seit 2004) blieb die Nachricht aber doch eher eine Randnotiz. Für Bielefeld könnte das Urteil aber erneut weitreichende Folgen haben. Bereits 2018 und 2019 hatte die rüstige Dame mit dem komplett verzerrten Blick auf den Holocaust indirekt zwei Mal die komplette Bielefelder Innenstadt in einen Ausnahmezustand versetzt. Denn schon von Mai 2018 bis November 2020 saß die betagte Ikone der Neonazi-Szene zu zweieinhalb Jahre lang in einer Zelle der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede. Und deshalb hatten ihre rechtsextremen Gesinnungsgenossen vier Mal Bielefeld zum Ziel ihrer Demo-Auftritte auserkoren. Riesige Wasserwerfer stehen vor Bielefelder Bürgern Der große Widerstand der Bielefelder Stadtgesellschaft - unter Federführung des "Bündnisses gegen Rechts" - setzte extrem große Polizeieinheiten in Marsch, um die Neonazis von den Bielefeldern in jedem Fall trennen zu können. Unvergessen bleiben dabei die riesigen Wasserwerfer, die damals für eine beängstigende Atmosphäre in der Innenstadt und viel Kritik an der Polizei gesorgt haben. Mit der nun zu erwartenden neuerlichen Inhaftierung der inzwischen 93-jährigen Wiederholungstäterin drohen nun weitere Neonazi-Auftritte in Bielefeld. Zunächst wird sie in der Justizvollzugsanstalt Senne im offenen Vollzug landen landen. Die Frage ist eigentlich nur wann und wie lange. Für Bewährungsstrafe und Haftverkürzung nicht geeignet Denn Haverbeck hatte damals die komplette Haftzeit im geschlossenen Vollzug absitzen müssen. Für den offenen Vollzug hatte sie sich als nicht geeignet erwiesen, nachdem sie den Haftantritt geschwänzt hatte und von der Polizei vorgeführt werden musste. Außerdem hatten die Behörden gefürchtet, sie könnte die Ausgangszeit zur Flucht oder für weitere Straftaten nutzen. Für eine Bewährungsstrafe oder eine vorzeitige Entlassung nach einer gewissen abgesessenen Haftzeit (Haftverkürzung) kam sie ebenfalls nicht in Frage. Die notorische Holocaustleugnerin gab keinerlei Anlass für eine positive Prognose. Das bestätigten die Gerichte in allen Instanzen. Also ist auch jetzt wieder damit zu rechnen, dass Ursula Meta Hedwig Haverbeck-Wetzel (93) aus Vlotho am Ende hinter verschlossenen Mauern in Brackwede landet. Zwar hat sie noch die Möglichkeit, Revision gegen das Berliner Landgerichtsurteil einzulegen. Aber am Ergebnis wird das nichts ändern.Haverbeck "beschädigt das Andenken Millionen Ermordeter" In dem Berufungsprozess gegen zwei frühere Volksverhetzungsurteile aus den Jahren 2017 und 2020 hatte die Vorsitzende Richterin der 93-Jährigen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie &bdquo;von der historischen Wahrheit meilenweit entfernt“ sei und sie so &bdquo;die Andenken Millionen Ermordeter beschädigt“ habe. &bdquo;Unerträglich“ seien auch hier vor Gericht ihre Äußerungen gewesen. Das Hafturteil ohne Bewährung sei nach der Beweisaufnahme &bdquo;alternativlos“ gewesen. Reue oder ein Umdenken seien bei der 93-Jährigen nicht zu erkennen gewesen.Wiederholt hatte Haverbeck behauptet, dass das Konzentrationslager Auschwitz kein Vernichtungslager gewesen sei, und dass Massenmord dort nicht stattgefunden habe. Nach Schätzungen von Historikern ermordeten die Nazis allein im KZ Auschwitz-Birkenau mindestens 1,1 Millionen Menschen. Besucht habe sie das Konzentrationslager nie, sagte Haverbeck vor Gericht. Vier große Neonazi-Demos in Bielefeld Teil der Verhandlung war auch ein Video-Interview mit dem rechtsextremen Youtuber Nikolai N., der in der rechten Szene besser bekannt ist als &bdquo;der Volkslehrer“. Auch ihm gegenüber hatte sie den Holocaust geleugnet. Vor Gericht sagte sie, sie habe nicht gewusst, dass das Gespräch veröffentlicht wird. Der Volkslehrer war später einer der bekanntesten Demonstranten der Rechtsextremen, die den Demoaufrufen der Neonazi-Partei &bdquo;die Rechte“ nach Bielefeld gefolgt waren. Insgesamt vier Demos hatten die in Dortmund ansässigen Neonazis damals angemeldet. Am 10. Mai 2018 (mit 350 Neonazis) und am 7. Mai 2019 (mit 35 Neonazis) gab es jeweils kleinere Auftritte vor der Justizvollzugsanstalt. Am 10. November 2018 (mit 400 Neonazis) und ausgerechnet am 9. November 2019 (mit 250 Neonazis) in der Innenstadt kam es zu einem enormen Gegenprotest mit mehreren Tausend Gegendemonstranten. Der personelle Aufwand und die Kosten für die polizeiliche Sicherung dieser Kundgebungen und Aufzüge war riesig. Hoffnung auf eine geschwächte Dortmunder Nazi-Szene Es gibt allerdings eine Hoffnung, dass sich das extrem rechte Schauspiel in Bielefeld nicht wiederholen könnte: Ein Großteil der führenden Neonazis, die in Dortmund-Dorstfeld lange Zeit eine Art Zentrum der rechtsextremen Szene in Westfalen bildeten und den Begriff &bdquo;Nazi-Kiez“ mitzuverantworten hatten, sind inzwischen nach Ostdeutschland gegangen.Darunter auch einer der Anmelder der Bielefelder Haverbeck-Demos. Michael Brück soll nach Chemnitz gezogen sein. Der zweite Parteifunktionär, der für die Großdemos verantwortlich zeichnete, ist der ehemalige Bielefelder Jura-Student Sascha Krolzig, der aufgrund seiner zahlreichen politischen Vorstrafen nicht zum Rechtsreferendariat zugelassen wurde und somit sein 2. Staatsexamen nicht absolvieren kann. Auch er wurde 2020 inhaftiert – so wie weitere führende Kader der rechtsextremen Partei. Zudem verstarb der ehemalige Dortmunder Ratsherr mit dem vielsagenden Spitznamen SS-Siggi im Oktober 2021. Laut dem NRW-Verfassungsschutz ist die Dortmunder Neonazi-Szene geschwächt. Doch für ihren Abgesang ist es noch deutlich zu früh, sagen Szene-Beobachter wie die Dortmunder Nordstadtblogger.

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