Auch kleine Haustiere brauchen viel Platz - und Ruhe

Bielefeld. Ob Wellensittich, Kaninchen, Meerschweinchen oder Hamster: Kleine (Haus-)Tiere haben große Ansprüche. Ihre Haltung ist platz- sowie zeitintensiver und die Kosten sind höher, als viele Menschen denken. Und: "Auch wenn es Ausnahmen gibt: Die meisten sind Beobachtungs- und keine Kuscheltiere", unterstreicht die Bielefelder Tierheimleiterin Anja Langer. Als Resultat menschlicher Fehleinschätzung landen tierische Minis immer wieder als Fund- oder Abgabetier in der Einrichtung an der Kampstraße. Aktuell leben dort rund 100, davon 60 Hoppler im Kleintierhaus plus 16 in der Quarantäne. Außerdem Meerschweinchen und Sittiche, darunter der einsame Prachtrosella-Witwer Henry und ein von Menschen nicht sehr begeisterter Hahn. Das Kleintier-Angebot im Handel ist breit, bunt, und oftmals vergleichsweise preiswert. Das trägt viel dazu bei, dass Menschen die Bedürfnisse von Nagern und Vögeln oft maßlos unterschätzen. Und dass manche glauben, diese wären als lebendes Geschenk für Kinder gut geeignet. Untergebracht in einer Ecke des Kinderzimmers. Nichts könnte falscher sein, meint Langer. "Gerade bei Kaninchen muss man sich bewusst machen, dass sie wirklich Fläche brauchen, um Haken zu schlagen und frei laufen zu können." Pro Tier seien das mindestens drei Quadratmeter Grundfläche, und da die Tiere mindestens zu zweit sein sollten, seien es dann sogar mindestens sechs Quadratmeter. Vermittelt werde entsprechend nur in Gruppen.Allein mit diesen Vorgaben stößt das Tierheimteam häufig auf Unverständnis. "Die handelsüblichen Käfige sind ja bestenfalls 80 mal 1,20 Quadratmeter groß", bedauert Langer. Groß sei zudem der Pflegeaufwand. "Kaninchen brauchen ein hohes Maß an Reinigung". Außerdem müssten sie geimpft und möglichst kastriert werden. "Und gutes Futter kostet ebenfalls Geld." Viele kauften Kaninchen auch, "damit das Kind etwas zum Streicheln hat". Dafür allerdings seien diese denkbar schlecht geeignet, viele empfinden zu große menschliche Nähe sogar als Bedrohung. Die Tierheimchefin: "Es gibt zwar einige, die sind menschenfreundlicher, aber der Großteil ist es nicht." Auch die Nummer kleiner, Meerschweinchen, benötigt mehr Raum als oft geglaubt. Langer: "Pro Tier mindestens einen Quadratmeter." Mindestens drei Schweinchen sollten es zudem schon sein - entsprechend vergrößert sich die Haltungsfläche. Langer: "Und für sie gilt natürlich ebenfalls: Sie sind Beobachtungs- keine Kuscheltiere." Auch die Fütterung sei nichts, was sich nebenbei erledigen lasse. Pellets oder Trockenfutter sind aus Sicht der Tierheimmitarbeiter nicht geeignet. Stattdessen sollten sowohl Hoppler als auch Meeris - die beide bei Beachtung der Mindeststandards plus gut gesichertem Gehege auch draußen gehalten werden können - frisches Gemüse, Kräuter, Heu und Zweige bekommen. Infos über die Details (Avocados oder Eibenzweige etwa werden gar nicht vertragen) gibt's im Tierheim. Dort läuft ab Mitte April übrigens auch wieder die Aktion "Ein Beutel Grün gegen einen Kaffee". Was (künftige) Halter ebenfalls beachten sollten: Die meisten Nager sind Flucht- bzw. Beutetiere. Deshalb sollte man behutsam mit ihnen umgehen. Werden sie bedrängt oder gegen ihren Willen gehalten, verfallen Kaninchen in eine Schockstarre oder greifen an, kratzen und beißen. Sind sie noch frei, stampfen sie mit den Vorderpfoten Richtung "Feind" und legen die Ohren nach hinten. Meerschweinchen klappern zur Warnung mit den Zähnen. Sie setzen bei ungewollter Berührung das Stresshormon Cortisol frei. Beide sollten daher nie grundlos angefasst oder gar hochgehoben werden.Die Interessenten, die wegen Kleintieren ins Tierheim kämen, seien "sehr zweigeteilt", erzählt Anja Langer. "Einerseits gibt es ganz tolle Menschen, die wirklich liebevoll Gehege für die Innen- und Außenhaltung bauen und sich gut auskennen." Dorthin werde gern vermittelt, das sei auch der Grund, warum kaum ein Kleintier je zurückkomme. "Höchstens, wenn es mit der Vergesellschaftung nicht klappt." Denn die ist nicht immer einfach. Zumal jeder Hoppler und jedes Meeri, einen ganz individuellen Charakter habe, erläutert Langer. Und ganz eigene Vorstellungen davon, mit wem er oder es zusammenleben will, mehr noch, mit wem ausdrücklich nicht. Leider gebe es auch immer noch die andere Seite der Interessenten, "an die wir eben einfach nicht hinvermitteln können", fügt die Fachfrau hinzu. Die sich trotz dieser vielen Vorgaben über eine gut laufende Vermittlung freut. Fast noch komplexer ist die Vogelhaltung. Für Papageien, Wellen- und Nympfensittiche oder Kanarienvögel sei eine Schwarmhaltung - ab vier Tiere - Voraussetzung, betont Langer. Vermittelt würden Vögel nur in Volieren (plus mindesten vier Stunden Möglichkeiten zum Freiflug - offene Fenster und Türen seien vorab abzunetzen). Die Größe variiert nach Anzahl und Art. Für bis zu vier Wellensittiche etwa seien es mindestens 1,50 mal 0,60 mal 0,80 Meter; für die farbenfrohen Rosellas (ein Paar) 2 mal 1 mal 2 Meter. Vögel neigen schnell zu Angst oder gar Panik und sind entsprechend ruhig und vorsichtig zu behandeln. Weitere Vorgaben: täglich frisches Obst und Gemüse, Vogelgritt, hochwertiges Körnerfutter, Pickstein, als Einrichtung Naturäste, Korkröhren, Seile, Leitern oder Schaukeln. Über die genauen Standards je Art gibt das Tierheimteam Auskunft.

Meistgelesen