Namensgeber mit Nazi-Vergangenheit: Bielefelder Bar "Max Raebel" umbenannt

Bielefeld. Der eigenwillige Cocktail-Name war eine Verbeugung vor dem Namenspatron der Bar. &bdquo;Unser Mann in Trondheim“ – ein Gin Tonic mit Gurke und Dill – sollte an Max Raebel erinnern, ein gebürtiger Bielefelder (1874 – 1946) und Abenteurer im besten Sinne. Was die Betreiber der Bar am Boulevard bei der Benennung ihres Clubs im Jahr 2017 nicht wussten: Raebel war bereits im Oktober 1932 in die NSDAP eingetreten und tief verstrickt in die Machenschaften der Nationalsozialisten.Im Internet hagelte es wütende Kommentare, Geschichtsvergessenheit und Blauäugigkeit waren noch die harmloseren Vorwürfe, die Ivo Klumpp und Mirko Schmidt gemacht wurden. Vom Eisenacher Historiker Reinhold Brunner kam derweil eine der wenigen besonnenen Rückmeldungen. Es war der Beginn eines regen Austauschs. Jetzt war der Raebel-Experte in Bielefeld zu Gast, um über das eigenwillige und letztlich gescheiterte Leben des &bdquo;Mannes in Trondheim“ zu sprechen – und um bei der offiziellen Umbenennung der Bar dabei zu sein. Vom exzentrischen Tausendsassa geblendet Als Schmidt und Klump vor fünf Jahren bei der Recherche nach einem griffigen und aussagekräftigen Namen für die neue Bar auf Max Raebel gestoßen waren, war sie von der schillernden Persönlichkeit des exzentrischen Tausendsassas &bdquo;geblendet“, wie Schmidt einräumt. Ein Extremsportler, Nordlichtmaler, Komponist, Arktis-Reisender und Skandinavien-Liebhaber: In seiner Vielseitigkeit versprach Raebel, der ideale Patron für den Club zu sein. &bdquo;Er vermittelte genau die Werte, für die wir mit unserer Bar stehen wollten“, sagt Schmidt.Dass in seiner Biografie ausgerechnet von 1933 bis zu seinem Tod 1946 wenig bis gar nichts zu finden war, stimmte die Gastronomen nicht misstrauisch. Raebel schien als Individualist und Außenseiter eher unverdächtig, bei den auf Linientreue und Gehorsam pochenden Nazis mitgelaufen zu sein. Zudem verarmte er immer weiter und starb praktisch mittellos, was ebenfalls ein mögliches Indiz dafür war, dass es Max Raebel im Dritten Reich nicht gerade gut ergangen war.&bdquo;Es war ein Stück weit naiv“, gibt Mirko Schmidt heute zu. &bdquo;Doch die Datenlage ließ damals keinen gegenteiligen Schluss zu.“ Keineswegs nur ein argloser Mitläufer Brunner pflichtet dem bei: Erst durch seine Recherche in den Archiven war er auf den frühen Eintritt Raebels in die NSDAP gestoßen, hatte von Oden und Kompositionen für Hitler und Goebbels erfahren und musste erkennen, dass der in Thüringen durchaus noch als einer der Väter des Rennsteiglaufes bekannte Wahl-Eisenacher keineswegs nur ein argloser Mitläufer war.&bdquo;Er ist von den Nationalsozialisten nicht nur vereinnahmt worden, er hat sich auch aktiv angeboten“, sagt der Historiker. Raebel hätte Zeitlebens nach Anerkennung und Geltung gesucht, blieb aber zu seinem Leidwesen immer nur in der zweiten Reihe und letztlich eine gescheiterte Existenz.Ob er deshalb nun aus Opportunismus oder aus Überzeugung zum Nazi wurde, bleibt im Dunklen. &bdquo;Den Schritt vom mythisch-nordischen zum rassisch-nordischen ist er dann aber auf jeden Fall irgendwann mitgegangen“, sagt Brunner.Es brach ein veritabler Shitstorm aus Als der Historiker nun diese Informationen gesammelt hatte und bei Arbeit an seiner Raebel-Biografie &bdquo;Zwischen den Welten wandern“ auch auf die Bielefelder Bar gestoßen war, wollte er Klumpp und Schmidt darüber informieren, dass ihre Namenswahl vielleicht doch nicht so ideal gewesen ist. Doch noch vor der Kontaktaufnahme wurden die braunen Flecken im Leben Max Raebels bekannt, unter anderem durch die Berichterstattung in der "Neuen Westfälischen" – und in den Sozialen Medien brach ein veritabler Shitstorm los. Bar-Betreiber in Mitte reagieren mit Umbenennung &bdquo;Wir waren völlig überrumpelt“, sagt Schmidt. Statt Thekenbetrieb stand nun Krisenmanagement an, die Bar-Betreiber reagierten mit einer Stellungnahme – und machten vorerst aus Max Raebel &bdquo;MR“. Nach intensiven Gesprächen mit dem Experten und einiger Planungszeit kommt nun der nächste Schritt: Aus MR wird &bdquo;Liv“. &bdquo;Wir hatten damals noch einige gute Namen auf dem Zettel“, sagt Schmidt. Von historischen Bezügen waren die Bar-Betreiber allerdings vorerst kuriert, weshalb ein Vorschlag aus der Belegschaft aufgegriffen wurde: &bdquo;Liv“ – sowohl ein nordischer Frauenname als auch das schwedische Wort für &bdquo;Leben“. &bdquo;Dieser Weg ist vorbildlich, mit Geschichte umzugehen.“&bdquo;Wir wollten die Seele des Ladens bewahren“, erklärt der Gastronom. Denn schon zuvor war mit Art déco-Elementen und dem &bdquo;Nordic Noir“-Ambiente stark auf Skandinavien gesetzt worden – eben wegen &bdquo;Unserem Mann in Trondheim“.Der soll allerdings nicht vollends verschwinden: Laut Schmidt soll auf der Website der Bar an das Leben und die Rolle des einstigen Patrons in der NS-Zeit erinnert werden. Brunner lobt dieses Ansinnen ausdrücklich. &bdquo;Man hätte einfach stillschweigend den Namen ändern und die Sache begraben können“, sagt der Historiker. Die Dokumentation der Biografie und auch des Wirbels rund um die Namensgebung sei hingegen &bdquo;zutiefst ehrlich“. &bdquo;Dieser Weg ist vorbildlich, mit Geschichte umzugehen.“

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