Schlange stehen für Affenhüte, Drachenschwänze und Roboter-Helme

Bielefeld. Alles muss raus! Na ja, nicht alles, aber im Fundus des Stadttheaters muss dringend ordentlich Platz geschaffen werden. Darum fand nach längerer Pause jetzt wieder ein großer Kostümverkauf statt, zum zweiten Mal in der Oetker-Halle, die dafür das richtige Platzangebot hat. Rund 500 Kleidungsstücke, Hüte, Masken andere Requisiten warteten am Samstag auf ihre Käuferinnen und Käufer. Und diese kamen wieder in Scharen, so dass sich am Einlass eine längere Schlange bildete. Maximal 92 Theater- und Kostümliebhaber durften zeitgleich hinein. Zu den Ersten, die ab 10 Uhr eifrig stöbern dürfen, gehören Lilly und ihr Bruder Leo, die mit Mama Christin gekommen sind. Schnell haben sie sich für zwei Masken entschieden, die neben dem Roboter-Kostüm auf dem Garderoben-Tresen liegen: ein Hunde-Gesicht mit vielen Falten und Schlappohren für die Neunjährige und ein Häschen mit Stehohren für den Siebenjährigen für jeweils 2 Euro. Ob die beiden Masken bei der nächsten Theateraufführung der Grundschule Hörste getragen werden können? Lehrerin Kerstin Wöhle, die mit von der Partie ist, ist skeptisch und lacht. "Wir wollen eigentlich die ,Vogelhochzeit' spielen." Aber mit ein bisschen Kreativität geht bestimmt was, und die Suche im Fundus ist ja auch noch nicht beendet. Vielleicht findet sich noch etwas Passendes aus der "Zauberflöte".Heiko Heldsdörfer, Leiter der Kostümabteilung, kann gar nicht genau sagen, aus welchen Produktionen die Kostüme genau stammen. Lediglich die rosafarbenen Kleider aus "Faust", die gleich zu mehreren als so genannter Chorsatz auf der Stange hängen, kann er spontan identifizieren. Im Fundus sind weit mehr als 10.000 Verkleidungen zu finden. Vieles wird nämlich bereits seit Jahren verwahrt. Ausstaffierung fürs Musikvideo So wie das hellbraune Drachenkostüm mit den Hosenträgern. Fabian Koch hat sich überreden lassen, in die Hose hineinzusteigen und wackelt zur Freude seiner Freunde mit dem kurzen Drachenschwänzchen. Eigentlich ist er mit Freundin Laura Stertkamp auf der Suche nach Kostümen für das neue Musikvideo seiner Rockband "Burning Lizzard". Den ausgefallenen Affenhut, den Laura gefunden hat, werden sie aber auf alle mitnehmen. "Der kommt mit ins Video", sagt Fabian, ohne zu verraten, worum es in Song und Video gehen wird. Jedenfalls nicht um Knatterdrachen Furzipups, den der Gitarrist aus einem Kinderbilderbuch kennt.Als der Termin für den Kostümverkauf im September festgelegt worden ist, "haben wir natürlich an Karneval gedacht", sagt Heide Koch, stellvertretende Intendantin von Bühnen und Orchester des Theaters Bielefeld. Aber Corona macht der Sache bekanntlich überwiegend einen Strich durch die Rechnung. "Wir sind aber total glücklich, dass sich so viele Menschen eingefunden haben. Zum Wegwerfen sind die Sachen viel zu schade", ergänzt Heldsdörfer. Zusammen mit Fundusverwalterin Stefanie Dute hat er ausgewählt, was in den Verkauf kommen soll. Ein Zauberer-Hut - welch ein Glück Janine ist mit Söhnchen Finn (5) extra aus Enger gekommen, um Schnäppchen zu ergattern. "Wir lieben Kostüme", erzählt sie, "nicht nur an Karneval. Wir verkleiden uns das ganze Jahr immer wieder mal." Ob Motto-Partys, Halloween oder der Besuch von Freunden aus England - jeder Anlass sei willkommen. Der Fünfjährige steht zurzeit gerade voll auf Zauberer und ist daher vollkommen glücklich, einen blauen Hut gefunden zu haben, der auch ein bisschen Harry-Potter-mäßig daher kommt.Manche Kostüme des Theaters sind von der Stange, die meisten werden aber extra kreiert und auf Taille genäht. Jedes ist auf alle Fälle durch die Hände der 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kostümabteilung gegangen. Größenangaben finden sich daher nicht, allenfalls die Namensaufnäher der Darsteller, die sie getragen haben. Wer nicht auf Verdacht kaufen will, muss mal kurz in der Toilette verschwinden oder sich ungenant hinter der Trennwand im Foyer der Oetker-Halle umziehen.Gerne Auffälliges für den Alltag Genauso macht es Hannah Richter. Die 22-Jährige aus Werther ist von ihrer Tante auf den Kostümverkauf aufmerksam gemacht worden. Aber die Kleider und Blusen, die sie sich von den zahlreichen Kleiderstangen ausgesucht hat, dienen ihr nicht als Verkleidung, sondern als Alltagsklamotten. Massenware ist nicht ihr Ding, auffallen darf es. "Ich suche schöne, auffällige Sachen, die sich gut kombinieren lassen", sagt Hannah, die eine besondere Vorliebe hat: "Tüll ist der Hammer." Wie gut, dass sie fündig geworden ist. Ein knallrotes Etwas wird die Blicke auf sie ziehen. Nebenan steht Merle Meuleneers vor dem großen Spiegel im Flur. Sie hat eine farbenfrohe Strickjacke an, die über und über mit griechischen Buchstaben übersäet ist. Genau passend zu ihrer Mütze, aber die junge Frau ist sich nicht so ganz sicher, ob sie sie nehmen soll. "Wer weiß, was auf der Jacke zu lesen ist." Rudimentäre Schulkenntnisse lassen allerdings auf einen bunten Buchstabensalat schließen.Der Rest kommt in die Altkleidersammlung Die Kostüme kosten zwischen 3 und 30 Euro und "sind nach dem Sushi-Prinzip ausgezeichnet". Heiko Heldsdörfer lacht und zeigt auf die Tafel mit den Farbmarkierungen. Jede Farbe steht für einen Preis. Bezahlt werden kann bei den sieben Mitarbeiterinnen der Kostümabteilungen, die zwischen den Kleiderstangen umherstreifen und gerne auch mal beratend tätig sind. Auch wer kein Bargeld oder nicht genug davon hat, dem kann geholfen werden. Heide Koch ist Herrin über das EC-Kartenlesegerät. Bis 15 Uhr geht der Verkauf. Was dann mit den Sachen passiert, die noch auf den Stangen hängen? Vielleicht, sagt Heldsdörfer, kommen sie noch mal zurück in den Fundus oder gehen dann endgültig in die Altkleidersammlung.

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