Fans saßen im Bielefelder Polizeikessel stundenlang fest - jetzt klagen sie

Bielefeld. Nach Fan-Ausschreitung von Anhängern des Fußballzweitligisten FC St. Pauli auf dem Weg zur Bielefelder Alm kam es am 4. November 2018 im Hauptbahnhof zu einem stundenlangen Polizeikessel, der nun – drei Jahre später – nochmals Thema vor Gericht wird. Wie Amrei Stocksmeyer, Sprecherin des Verwaltungsgericht Minden, berichtet, haben nun zwei Fans Antrag auf die Feststellung gestellt, dass ein Teil der Ingewahrsamnahme rechtswidrig war. Was war passiert? Arminia Bielefeld spielte in diesem Herbst noch in der 2. Liga. Zahlreiche Gästefans des Hamburger Kiezclubs waren zu dem Spiel (Anpfiff: 13.30 Uhr, Endstand: 1:2) per Zug angereist und saßen in einem Regionalexpress von Osnabrück nach Bielefeld. In diesem Zug kam es zu Sachbeschädigungen und – nach Ansicht der Bundespolizei – zu Ausschreitungen. Die Polizei sprach von 150 sogenannten Problemfans in dem Zug. Einige Hooligans sollen auf Polizisten eingeprügelt haben. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, beim Zwischenhalt in Melle gab es turbulente Szenen. Fans sollen Polizisten aus dem Zug gedrängt haben, um aus der Pfefferwolke zu entkommen. Polizisten sollen sie wieder zurückgedrängt haben. Einige Fans sprangen auf die Gleise. Der Zugverkehr musste unterbrochen werden. St. Pauli-Fans bis 18.30 Uhr hinterm Bahnhof festgehalten Um all die Ereignisse Straftaten rund um die Ausschreitungen verfolgen zu können, bat die Bundespolizei die Polizei Bielefeld um Hilfe, um die Identität der anreisenden Fans festzustellen. Die Sicherheitsbehörde schloss daraufhin den hinteren Bahnhofsausgang vor dem Boulevard und setzte damit gut 300 Hamburger Fußballfans fest. Denn auch der Rückweg zu den Gleisen war ihnen von da an verwehrt.Die Polizisten richteten laut Stocksmeyer sogenannte Bearbeitungsstraßen ein, um die große Zahl an Personen nach und nach zu prüfen. Das zog sich lange hin. &bdquo;Von 12.45 bis 18.30 Uhr“, sagte Stocksmeyer. &bdquo;Das Spiel war bereits um 15.15 Uhr beendet, betonen die Kläger. Aus ihrer Sicht hätte die Polizei die Fans danach nicht mehr festhalten dürfen.“ Nicht freiwillig Personalien preisgegeben Insgesamt wurden damals bis 18.30 Uhr die Identitäten von 319 Fans festgestellt, sagt Stocksmeyer. Gegen mehr als 30 dieser Personen wurden später Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die beiden jetzigen Kläger – ein männlicher und ein weiblicher Anhänger des FC St. Pauli – gehörten laut Stocksmeyer zu der Personengruppe, die sich bis zuletzt geweigert hatte, freiwillig in eine der Bearbeitungsstraßen zu gehen, um dort die Personalien preiszugeben. So seien diese Personen noch bis 19.15 Uhr festgehalten worden, bevor sie wieder in einen Zug zurück nach Hamburg steigen durften. &bdquo;Die Kläger sagen, sie hätten in einem anderen Waggon gesessen und hätten nichts mit den Ausschreitungen zu tun gehabt“, sagt die Gerichtssprecherin. Vor Ort sei alles friedlich gewesen. Deshalb habe es für eine Ingewahrsamnahme keine Rechtsgrundlage gegeben. Zumal auch Kinder unter den festgehaltenen Fans gewesen sein sollen. Ob es eine Ingewahrsamnahme war, ist rechtlich umstritten Ob es sich bei dem sogenannten Polizeikessel um eine Ingewahrsamnahme gehandelt habe, ist nach Angaben der Verwaltungsrichterin rechtlich umstritten und müsse im nun anstehenden Verfahren geprüft werden. Als Zweites sei dann im Anschluss von der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts zu klären, ob die mögliche Ingewahrsamnahme zumindest zwischen 18.15 Uhr – also nach Abschluss der Personalienfeststellung – und der Abfahrt um 19.15 Uhr rechtswidrig war. Sehr wohl hatte die Polizei übrigens den Einschluss der Gästefans im Stadion als Ingewahrsamnahme bezeichnet. Man hatte damals befürchtet, dass die Fans während des Spiels das Stadion verlassen könnten, um den Anhängern am Bahnhof zu Hilfe zu eilen. Bisher ausschließlich Einstellungen und Freisprüche Wie berichtet, musste sich der NRW-Innenminister bereits im Februar 2019 wegen des Bielefelder Polizeikessels vor dem Landtag erklären. Der FC St. Pauli stellte nach Auswertung von 80 Gedächtnisprotokollen seiner Fans im Mai 2019 Strafanzeige gegen die damalige Einsatzleitung der Bundespolizei. Diese Klage wurde abgewiesen. Allerdings soll auch ein Großteil der Ermittlungsverfahren gegen mutmaßlich randalierende Fans nach Auskunft der &bdquo;Braun Weißen Hilfe“ – einem Solidaritätsprojekt für FC St. Pauli-Fans – eingestellt worden oder mit Freisprüchen zu Ende gegangen sein. Die übrigen Verfahren seien noch nicht beendet. Im November 2019 reichten nun diese zwei Fans noch Klage gegen das Land ein, weil letztlich die Landespolizei aus Bielefeld für den Kessel hinterm Hauptbahnhof zuständig war. Der Prozess vor dem Verwaltungsgericht Minden findet am 12. Januar statt.

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