Warum Weihnachtsbäume mit Ballen dieses Jahr im Trend sind

Bielefeld. "A Tännschen please": Wer jetzt noch keinen Weihnachtsbaum hat, für den wird es aber langsam Zeit. Ein echter Baum braucht schließlich ein bisschen, um sich zu akklimatisieren, bevor er zum späteren Nadeln direkt neben der Heizung in der guten Stube platziert wird. Am vierten Adventswochenende, eine knappe Woche vor dem Heiligen Abend, herrscht in Bielefeld erwartbar reger Betrieb an zahlreichen Verkaufsstellen. Und es gibt für die Käufer gleich mehrere gute Nachrichten. In mehr als 70 Prozent der etwa 41,5 Millionen deutscher Haushalte wird immer noch ein Weihnachtsbaum aufgestellt, sagt die "Weihnachtsbaumzentrale". Keine Ahnung, ob die auch sagen kann, dass die alle echt sind. Kunstvolle Baumarrangements aus Kunststoff, schon mal in Pink oder dunklem Blau, sind schließlich auch auf dem Markt. Oder die "Keinachtsbäume", deren gelöcherten nachhaltigen Eschenholzstamm man selbst jedes Jahr aufs Neue mit Tannengrün verziert. Aber um den Bedarf zu decken, werden auf bis zu 60.000 Hektar im Land immer noch echte Tännchen angebaut, ein Viertel davon allein im Sauerland. Zum Thema: Alternative Weihnachtsbäume - es muss nicht immer die Tanne sein Landschaftsgärtner Torsten Lange aus Lämershagen ist diesbezüglich ein kleiner Fisch. Auf 2 Hektar in Lämershagen und Quelle pflanzen er und seine Frau Bärbel Weihnachtsbäume verschiedener Sorten an. Die zu hegen und zu pflegen, macht schon Mühe genug. Dabei macht nicht der Borkenkäfer die großen Sorgen, der für den Exodus der Rotfichten verantwortlich ist, und sich eher an den älteren Bäumen vergreift, sondern die Trockenheit. "Seit drei Jahren müssen wir die Junganlagen gießen", sagt der 53-Jährige. Aufwendig müsse dafür mit Wassertankwagen auf die Plantagen gefahren werden, "aber man freut sich, dass die Bäume überleben". Etwa ein Viertel aller Weihnachtsbäume in Deutschland werden von den Kunden direkt bei den landwirtschaftlichen Betrieben gekauft. So wie auf dem Arends Hof an der Lämershagener Straße, der im Dunkeln mit seinem 3 Kilometer langen Lichterketten eine Augenweide ist. Dort gibt es für jeden Tannenfreund das Richtige: Die Nordmanntannen mit ihren weichen Streichelnadeln - im Übrigen der beliebteste Baum der Deutschen -, die pieksigen Blaufichten, die dafür aber einen schönen Duft verströmen oder die im Wuchs individuelleren Nobilistannen, die fast schon süßlich riechen. Die besten Geschenkideen zum Fest aus Bielefeld Auf dem Gelände des etwa 400 Jahre alten Hofes mit seinem imposanten Gelbsandstein-Gebäuden ist in den vergangenen Wochen ein kleiner Wald "gewachsen". Die Weihnachtsbäume warten, perfekt ausgerichtet, auf Baumscheiben stehend, auf ihre Käufer. Torsten Lange und seine Helfer nutzen seit vielen Jahren dafür bereits ein System namens "Easyfix": Mit Hilfe eine speziellen Bohrmaschine wird im Garten der Familie jeder Baum erst ausgerichtet und dann ein Loch von unten den Stamm gebohrt. Der passende Weihnachtsbaumständer wird einfach mit einem Gewindedorn aufgeschraubt. Fertig. Aber natürlich passen die Bäume auch in jeden anderen Ständer. Auch schön für die Kunden: Die Preise für den immergrünen Zimmerschmuck sind in den vergangenen beiden Jahren stabil geblieben. In Lämershagen kostet der Meter Nordmanntanne, je nach Qualität, 18 bis 25 Euro. Die Blaufichten liegen bei 15 bis 20 Euro je Meter, die aufwendiger zu pflegende Nobilis bei 25 bis 30 Euro. "Der Trend geht hin zu großen Bäumen", hat Torsten Lange ausgemacht. Auf dem Hof gibt es Exemplare von 50 Zentimetern bis zu 7 Metern Höhe. Nachhaltigkeit wird wichtiger Ein Nischenprodukt ist die Rotfichte geworden, die früher der gängigste Weihnachtsbaum war, aber deren feinere Äste mit schweren Kerzenhaltern durchaus Probleme haben. "Die gehen bei uns auch nur im Topf", erzählt Torsten Lange. Weihnachtsbäume mit Ballen sind nach seinen Worten im Trend. "Unsere Kunden haben den Hintergedanken, der Natur etwas Gutes zu tun, in dem sie den Baum später einpflanzen." Wenn nicht auf dem eigenen Grundstück, so bei Freunden und Verwandten, "oder sie bringen uns den Baum zurück", sagt Lange und lacht. Sein Betrieb "balliere" Bäume auch selbst, aber die meisten kaufe er bei Container-Baumschulen. Die im Topf gewachsenen Bäume gingen besser an als die, bei denen die Wurzeln durchs Ausgraben gekappt würden. Das Flair hat unter Corona gelitten Normalerweise dreht sich auf dem Arends Hof in der Weihnachtszeit ein kleine Kinderkarussell, zuletzt wurde es dort zu eng, daher ist es eingemottet. Den gemütlichen Snack beim Glühwein an den Feuertonnen gibt es schon seit zwei Jahren nicht mehr. "Darum gibt es zu jedem Baumkauf nun die Flasche Glühwein dazu", sagt Bärbel Lange, auch wenn das nicht dasselbe sei. Lediglich in der Scheune gibt es wieder einen kleinen Weihnachtsmarkt mit selbstgeschnitzten Krippen und Weihnachtsdeko. Und einen Bratwurststand - aber gegessen werden muss im Abseits. Nur 4 Kilometer weiter warten Henrik Brinkmann und seine Familie auf die Kunden, die aus weitem Umkreis kommen, weil er verspricht, dass seine Bäume allesamt ungespritzt sind. Der junge Mann, eigentliche Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von Beruf, hat den Forstbetrieb am Wöstenfeldweg, an der Grenze zu Oerlinghausen, im Nebenerwerb von seinem Vater Gustav Adolf übernommen. Vor 40 Jahren hat Großvater Gustav den Betrieb gegründet. "Wir bauen auf 2 Hektar Weihnachtsbäume direkt in Hofnähe an", erzählt Brinkmann. Die Trockenheit hat auch seinen Beständen zu schaffen gemacht. "Eine neue Ausforstung mussten wir deshalb gleich zweimal erneuern, 90 Prozent Ausfall." In diesem Jahr hat er überwiegend Blaufichten im Angebot. "Im vergangenen Corona-Winter sind uns die Nordmanntannen aus dem Bestand ,geräubert' worden." Nicht im wahrsten Sinne des Wortes, sondern im übertragenen. Aber es ist schon so, dass etwa die Hälfte der Brinkmannschen Kunden mit der Säge anrücken und sich ihren Baum selbst schlagen. So wie Julia und Malte mit ihren Kindern July und Arne. Das erste Mal suchen sie sich ihren Baum direkt in der Schonung aus und haben Spaß dabei. "Das machen wir fortan nur noch so", sagt Papa Malte und grinst. "Traditioneller geht es doch nicht." Der zwölfjährige Arne ist der Mann an der Säge, nachdem die passende Tanne gefunden ist. Für den Meter Blaufichte zahlen Kunden hier 16 Euro, die Nordmänner kosten 22 Euro. Und für einige Stammkunden hat auch Henrik Brinkmann einige Rotfichten im Angebot.

Meistgelesen