Demo außer Kontrolle: Ausschreitungen in der Bielefelder Innenstadt

Bielefeld. 1.000 Menschen waren angemeldet beim aktuellen "Lichterspaziergang" am Freitagabend, 17. Dezember, in der Bielefelder City. 1.500 hatten sich bei der Demo gegen die Corona-Maßnahmen vor zwei Wochen in der Stadt zusammengefunden. Diesmal wurden es noch deutlich mehr. Am Ende schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl sogar auf 3.000. Die Demo wurde deshalb kurz nach 19 Uhr abgebrochen. Doch die Teilnehmer zogen nun in Gruppen weiter durch die Stadt. Es kam zu Widerstandshandlungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. So viele Teilnehmer wie bei ihrem Lichterzug am 3. Dezember hatten die Verantwortlichen damals schon nicht erwartet. Sie hatten unter dem Motto &bdquo;Bielefeld steht auf! Für ein Ende der Corona-Maßnahmen" zum Protest aufgerufen. Bisher kamen zu den Demo-Zügen maximal einige Hundert Leute. Nun waren es plötzlich 2.000 bis 3.000. Linke Aktivisten hatten gleichzeitig eine Gegendemo angemeldet - die aber kurzfristig abgesagt, weil sie Auflagen der Polizei nicht erfüllen wollten. Dennoch, so teilte die "Antinationale Linke" auf Twitter mit, wurde stattdessen eine "Eilversammlung" einberufen und spontan "gegen Polizeiwillkür demonstriert". Pünktlich um 18 Uhr kamen die ersten Wortbeiträge der Antifaschisten: "Es ist wichtig, dass wir da sind, um zu sehen, wer da mitläuft und deren Hetze zu unterbinden. Die Lichterspaziergänger grölen und jubeln auf der anderen Seite des Kesselbrinks - zunächst friedlich. Auf einem ihrer Schilder steht: "Zwang und Ausgrenzung stoppen", auf einem anderen: "Ihr seid so, wie sie wollen, dass ihr seid". Noch ist alles friedlich. 18.20 Uhr: Dann wird es laut. Alle rufen "Widerstand" im Chor. Dann eine Durchsage: 2.000 Teilnehmer sind nach eigenen Angaben gekommen. Der Kesselbrink ist proppevoll. 18.50 Uhr: Die Polizei sperrt laut Berichten von vor Ort offenbar derzeit die Route ab. Die Demo soll eigentlich durch die Innenstadt führen. Doch die Behörden sehen eine zu große Zahl an Teilnehmern. Die Polizei schreibt am Abend: "Die erwarteten 1.000 Teilnehmer beim Lichterspaziergang wurden weit übertroffen, so dass die Ordnungsbehörde der Stadt Bielefeld eine Zugangsbeschränkung auf Basis der CoronaSchVO anordnete. " Ab 2.500 Demo-Teilnehmern sieht die Corona-Schutzverordnung 3G- und Maskenpflicht vor. Also durften von da an nur immunisierte oder getestete Personen an der Versammlung teilnehmen. Die Folge war, dass daraufhin sich "eine Vielzahl von Personen über die Anordnung und die geplante Kontrolle der 3G-Regelung hinwegsetzte und beabsichtigte, sich vom Kesselbrink zu entfernen", heißt es von der Polizei. 18.58 Uhr: Der Zug setzte sich also nur scheinbar in Bewegung. Die Demo sollte über die August-Bebel-Straße, Paulusstraße, Feilenstraße, Mindener-, Elsa-Brändström-Straße, Kreuzstraße und den Niederwall geführt werden, um am Ende wieder am Kesselbrink einzutreffen. Und tatsächlich gehen viele Demonstranten nun auch los. Doch der Demo-Anmelder (43) aus Bielefeld ist noch in Verhandlungen mit der Polizei: "Wir wollten die Demo zweiteilen, das wäre eine Lösung gewesen", sagte er am späten Abend. Denn 3G und Maskenpflicht war sicherlich hier nicht umsetzbar. Kurz vor einer Rückmeldung der Polizei habe sich die Sache aber verselbständigt. "Ich habe noch versucht, die Menge aufzuhalten, aber es war zu spät." DEMO ABGEBROCHEN 19.10 Uhr: Dann ist die Demonstration plötzlich abgebrochen. Es wird keinen Marsch durch die Stadt geben, die Straßensperrungen sind aufgehoben, heißt es. Der Grund: Der Anmelder hatte angesichts der bereits fortgezogenen Leute und der nicht mehr kontrollierbaren Situation die Demo für beendet erklärt. Seitdem liefen rund 3.000 zum Teil sehr wütende Menschen durch die Bielefelder Innenstadt. Viele von ihnen nahmen den vorher geplanten Weg - ohne Genehmigung. "Zur Vermeidung einer Eskalation kanalisierte die Polizei dabei die Teilnehmerströme", hieß es am späten Abend. 19.30 Uhr: Die Polizei versicherte, die zahlreichen Gruppen weiterhin zu beobachten und darauf zu achten, dass die beiden gegenüberstehenden Lager nicht aufeinander treffen, damit es zu keinen Auseinandersetzungen kommt. Das gelingt: Zwischen Antifa auf der einen Seite sowie Impfgegnern, Verschwörungsanhängern und Querdenkern auf der anderen kam es zu keinen Vorkommnissen. Die Antinationale Linke beendete die eigene Demo um 19.45 Uhr ohne Vorkommnisse. Dennoch läuft später die Lage in der Stadt mehr und mehr aus dem Ruder. Die Gruppen sind so zahlreich, dass sie Polizeisperren in Richtung Innenstadt schlicht durchbrechen. Sie sind einfach zu viele und sie beleidigen den Staat und die Polizeibeamten teilweise aufs Übelste. Körperverletzungen, Widerstand und Festnahmen Polizeisprecherin Sonja Rehmert meldet gegen 21.30 Uhr sogar zwei vorläufige Festnahmen nach Widerstandshandlungen. Es habe an mehreren Stellen Widerstandshandlungen, Körperverletzungen und Beleidigungen von Polizeibeamten gegeben. So hätten sich an der Renteistraße mehrere Demonstranten den Anweisungen der Polizei widersetzt und das offensichtlich dann auch mit Gewalt: Sonja Rehmert sprach von zwei leicht verletzten Beamten und einem Demo-Teilnehmer, der bei der Auseinandersetzung ebenfalls leicht verletzt wurde. Er wurde vorläufig festgenommen und in Gewahrsam genommen. Ähnlich ein Vorfall am Jahnplatz, wo die Polizei von mehreren Widerstandshandlungen sprach. Auch hier gab es eine vorläufige Festnahme. Selbst am Kesselbrink, wo der geplante Demo-Zug abgesagt wurde und von wo die Menschen eigentlich wegdrängten, kam es zu einer Festnahme. Gegen 21.20 Uhr hatte eine Frau zuvor mehrere Polizeibeamte mit ihrem Handy gefilmt und auch nach mehrmaliger Aufforderung, dies sein zu lassen, ihr Smartphone weiter auf die Beamten gehalten. Schließlich soll sich die Frau provokant vor den Beamten aufgebaut haben. Als die Beamten sich das Handy greifen wollten, kam es zu einem Gerangel. Die Frau wehrte sich vehement, Die Beamten brachten sie daraufhin zu Boden und führten sie - unter dem lautstarken Protest der Umstehenden. Insgesamt 14 Strafanzeigen Am Ende zählt die Polizei sieben Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, fünf Strafanzeigen wegen Beleidigung und zwei Strafanzeigen wegen Körperverletzung. Vier Personen aus dem Spektrum der "regierungs- und coronakritischen" Szene wurden am Ende vorläufig festgenommen. Gegen 22.20 Uhr löste sich die Lage zusehends auf. Die Polizei konnte keine Teilnehmer der Demo mehr in der Innenstadt ausmachen. Neonazis und Rechte Mit den viel kritisierten, wenn auch bisher friedlichen Lichterspaziergängen in Bielefeld hatte das Geschehen am Abend nur noch wenig zu tun. Einige rechte und rechtsextreme Gruppen wurden in der Menge ausgemacht, teilweise vermummt. Sie agierten sicherlich nicht planlos. Denn die extreme Rechte hat die Szene der Impfkritiker längst für sich als neue Spielwiese ausgemacht. Die Polizei konnte während des Einsatzes einen bekannten Rechtsextremen auf dem Kesselbrink identifizieren. Weitere verfassungsfeindliche oder rechtsextremen Teilnehmer seien aber nicht aufgefallen. Auch wenn weitere Teilnehmer aus diesem Spektrum bei der hohen Anzahl von Teilnehmern nicht auszuschließen gewesen seien, so Sonja Rehmert. Sicherlich hatte auch Viele die Euphorie des gemeinsamen Ungehorsams gepackt. So zeigen Videos aus der Innenstadt, wie Demonstranten Polizisten wütend anpöbeln und beleidigen. Immer wieder gab es Gerangel gegen Polizeiketten. "Größere Auseinandersetzungen hat es aber nicht gegeben", sagt Rehmert. Aus der Kritik am Staat wurde hier am Abend an manchen Stellen dennoch Gewalt und Widerstand.

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