So werden Kinder keine Opfer von sexualisierter Gewalt

Bielefeld. Die schlechte Nachricht: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist ein weit verbreitetes Phänomen. Die gute Nachricht: In Bielefeld wie in anderen Städten versucht man, solche Straftaten zu verhindern. Es gibt daher in der Stadt kein Grundschulkind der 3. und 4. Klassen, das noch nie in Kontakt mit dem Präventionsprojekt &bdquo;Mein Körper gehört mir!“ gekommen ist. Polizei, der Verein &bdquo;EigenSinn“, die theaterpädagogische Werkstatt Osnabrück, Schulamt und Beratungsstellen sind gemeinsam im Boot, um die acht Bausteine des Programms umzusetzen. Und das mit großer Kontinuität. »Die Kinder haben nach dem Stück Gesprächsbedarf« Seit 1999 und in bislang 2.300 Klassen ist das Projekt, das acht- bis zehnjährigen Jungen und Mädchen helfen soll, auch subtile (sexualisierte) Gewaltformen zu erkennen und Hilfe zu suchen, in Bielefelder Schulen verankert. Genauso lange unterstützt die Stiftung der Sparkasse Bielefeld das Programm als Hauptsponsor finanziell mit 50.000 Euro im Jahr. &bdquo;Wir unterstützen dieses wertvolle Präventionsprojekt weiter mit großer Überzeugung“, sagt Stiftungssprecher Christoph Kaleschke.Seit diesem Schuljahr gibt es eine Neuerung im Bewährten: Die Stadt Bielefeld ist mit einem Jahresetat von 30.000 Euro für die Organisation so genannter &bdquo;Kindersprechstunden“ eingestiegen. Sie hat somit dem Engagement ihres Schulamts eine weitere Dimension hinzugefügt. &bdquo;Wir helfen eine Lücke im Konzept des Programms zu füllen“, schildert Sozialdezernent Ingo Nürnberger im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Helfen, das Gehörte und Gesehene besser zu verarbeiten Denn: Im Anschluss an die Aufführungen des von der Osnabrücker Theaterwerkstatt entwickelten Stücks &bdquo;Mein Körper gehört mir!“, das kindgerecht verschiedene Anlässe zeigt, in denen Grenzüberschreitungen vonseiten Erwachsener geschehen, haben Schülerinnen und Schüler noch Gesprächsbedarf. Eigene Erlebnisse, die ihnen ins Bewusstsein kommen, Beobachtungen bei Freunden oder das Bedürfnis zu erfahren, wann Grenzen überschritten sind – eine Nachbereitung allein oder in einer Kleingruppe mit einer zugewandten Beraterin hilft, das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten und einzuordnen.&bdquo;Manchmal kommen auch Kinder, die über einen Streit unter Kindern sprechen wollen. Oder solche, die von häuslicher Gewalt erzählen“, schildert Barbara Brune von der Ärztlichen Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern, die die Kindersprechstunden koordiniert und fachlich begleitet. Auch für solche Anliegen erhalten sie ein offenes Ohr. Dann sei es oft besser, wenn eine schulfremde Person mit viel Fingerspitzengefühl und Sachverstand zur Verfügung stehe. Gleichwohl sind die Lehrer immer mit im Boot. Neue Delikte wie Cyber-Grooming kommen hinzu Manchmal spielten auch Scham und Unbehagen eine Rolle, bevor Kinder sich öffneten: &bdquo;Oft fehlen Kindern schlicht die Worte“, so Brune. Geschulte Kräfte sind für die Fragen der Schüler da, helfen ihnen, sofern nötig, Worte zu finden und ihre Grenzen zu definieren.Nun wird in Bielefeld also die Beratung von Lehrern, pädagogischem Personal des Offenen Ganztags (OGS) von Eltern und schließlich die Projektauswertung im Zusammenspiel mit der Polizei (Kommissariat Kriminalprävention/Opferschutz) durch einen weiteren Baustein speziell für die Kinder ergänzt. &bdquo;Bei uns lief man damit offene Türen ein“, ergänzt Nürnberger, immerhin sei die Abwehr von Kindeswohlgefährdung &bdquo;eine Kernaufgabe des Jugendamts“ und Missbrauch das Schlimmste, das Erwachsene Kindern antun könnten. Für die Evaluation der jeweiligen Durchläufe an Schulen ist die Dienststelle von Anne Warmuth bei der Polizei zuständig. Sie beobachtet, dass sich die Delikte verändern, neue Formen wie etwa das Cyber-Grooming hinzukommen. &bdquo;Kinder sind heute viel früher technisch ausgestattet. Das versuchen Täter auszunutzen“, schildert sie.Die Coronakrise hat die Probleme verstärkt Im Internet würden immer häufiger Kontakte zunächst harmlos scheinend angebahnt, später versuchen erwachsene Täter an sexualisierte Bilder von Kindern heranzukommen, manchmal an die Kinder selbst. Auf solche aktuellen Entwicklungen reagieren ebenfalls die Macher des Theaterstücks und passen ihre Inhalte an.Und die Coronakrise? Hat sie mit dem Wegfall sozialer Kontrolle im langen Homeschooling und die Zunahme der Internetnutzung bei den Kindern die Probleme weiter verschärft? Brune und Warmuth bestätigen, dass Übergriffe mittels sozialer Medien in der Krise zugenommen haben. &bdquo;Auch die Frauen- und Familienberatungsstellen haben einen stärkeren Zulauf“, ergänzt Dezernent Ingo Nürnberger: &bdquo;Auch dort geht es ja oft um die Kinder.“Bedarf an umfassenden, kindgerechten Präventionsangeboten gibt es leider offensichtlich immer noch genug.

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