Stadt Bielefeld: Diese neuen Coronatest-Bescheide sind unzulässig

Bielefeld. Die neue 3G-Pflicht am Arbeitsplatz sorgt bei den Ungeimpften für viel Ungemach. Wer jeden Tag einen Bürgertest vorweisen muss, muss sich auch täglich um Testtermine bemühen und anschließend trotzdem in langen Schlangen warten. Das sorgt für Frust. Da kommen so manche Online-Anbieter gerade recht: Sie werben damit, dass sie Selbsttests der Kunden kostenlos zertifizieren. In nur fünf Minuten ist das Dokument im E-Mail-Eingang. Doch das verlockende Angebot ist leider ungültig. 5-Minuten-Prozedere Dabei ist der Weg zum Zertifikat denkbar einfach. Wir haben den Test gemacht: Beim Hamburger Anbieter Dr. Ansay etwa muss der User in einem Online-Fragebogen lediglich versichern, den Selbsttest korrekt durchgeführt zu haben und dass dieser negativ sei. Dann müsse man den Hersteller des Testkits und die persönlichen Daten nebst E-Mail und Handynummer angeben und zum Schluss in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einwilligen. Das war es.Fünf Minuten später ist das PDF-Zertifikat mit der Unterschrift der Ärztin Eva-Maria Ansay im Posteingang – und das kostenlos. Bei dem gesamten Vorgang muss der User weder seinen Selbsttest vorzeigen, ein Foto davon hochladen, noch überprüft jemand die Durchführung dieses Tests. Die Strafanzeige Gunda Ziemski ist Handwerker-Unternehmerin in Bielefeld. Sie wurde am Freitag von einem befreundeten Unternehmer mit diesen neuen Online-Zertifikaten konfrontiert. &bdquo;Er wusste nicht genau, was er von den Bescheinigungen seiner Mitarbeiter halten sollte." Das Urteil von Gunda Ziemski war eindeutig: &bdquo;Ich habe Strafanzeige gegen den Inhaber der Webseite erstattet." Achtung auf das Kleingedruckte Das Zertifikat sehe völlig normal aus, aber unten im Kleingedruckten ist zu lesen, dass dieses Zertifikat nur in Kombination mit der Testkassette sowie einem Vorher- und Nachher-Foto von dieser Testkassette gültig ist: &bdquo;Da unten guckt doch kein Arbeitgeber hin, wenn er jeden Tag seine Mitarbeiter überprüfen muss." Einer der Mitarbeiter habe sogar noch ein Schreiben vorgelegt, dass dieses Zertifikat den 3G-Anforderungen entspreche, und sei daraufhin auf die Baustelle geschickt worden. &bdquo;So kriegen wir die Pandemie nie in den Griff. Ich will die Arbeitgeber vor dieser Möglichkeit warnen." Ministerium warnt vor der Nutzung Wie das NRW-Gesundheitsministerium mitteilt, werben seit Inkrafttreten der 3G-Pflicht diverse Anbieter im Internet mit digital überwachten Selbsttests mit Testzertifikat und betont: &bdquo;Testzertifikate, die das Ergebnis eines digitalen Testverfahrens bescheinigen, sind ungültig. Die Verwendung solcher Testnachweise im Rechtsverkehr – also zum Beispiel bei Zugangskontrollen nach der Coronaschutzverordnung – stellt sogar eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann." Das Ordnungsamt ist sensibilisiert Mehrere Kommunen - etwa der Landkreis Osnabrück - warnen bereits vor der Nutzung dieser Zertifikate. Die Stadt Bielefeld gibt bekannt: &bdquo;Diese Testnachweise sind nach aktueller Rechtslage nicht ausreichend, da keine vor Ort überwachte Testung erfolgt ist." Dem Außendienst des Ordnungsamtes seien solche Nachweise bisher nicht vorgelegt worden. Man habe die Mitarbeiter jedoch nochmals sensibilisiert. Streitpunkt "Überwachung" des Tests Der Knackpunkt ist tatsächlich die Überwachung: Während das Ministerium betont, dass &bdquo;nur Tests, die vor Ort durch Dritte durchgeführt oder überwacht worden sind, mit einem 3G-fähigen Testzertifikat bestätigt werden dürfen", geht das Rechtsgutachten der Firma &bdquo;Dr. Ansay" davon aus, dass die &bdquo;Durchführung unter Aufsicht" auch mittels Online-Fragebogen gewährleistet ist und damit den Bestimmungen NRWs entsprechend zulässig sei. Schwer zu glauben, denn der Online-Fragebogen klärt zwar viele Dinge und verhindert auch an tatsächlich vielen Stellen Missbrauch, doch ob der Nasenabstrich beim Selbsttest vom Kunden kam oder von seinem Nachbarn oder möglicherweise nur Leitungswasser benutzt wurde, das kann online niemand bezeugen. "Ich bin Selfmade-Multimillionär und Ablehnung gewohnt" Der Unternehmer und Rechtsanwalt Can Ansay, den die Wirtschaftswoche als &bdquo;selbst ernannten Lobbyisten der Ungeimpften" bezeichnet hat, antwortet selbst auf die Anfrage der Lokalredaktion: &bdquo;Ich bin Gründer von DrAnsay.com und Selfmade-Multimillionär. Als Anführer der eHealth-Revolution bin ich es gewohnt, dass das Establishment meine revolutionären Lösungen zuerst reflexartig ablehnt und dann später begeistert kopiert."So habe er bereits 2018 die Online-Krankschreibung erfunden. Nun wolle er mit seinem Angebot helfen, dass nicht noch mehr Menschen in langen Schlangen der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt sind. Für diese Revolution müsse man fleißig, kompetent, kreativ, begeistert und mutig sein. Politiker und Beamte seien das genaue Gegenteil. Er bezeichnet sie als &bdquo;Staatsversager". Anbieter erstattet Bußgeld Ansay ist sich so sicher - unterstützt von einem stets beigebrachten Rechtsgutachten -, dass er sich nach eigener Aussage in Hamburg bereits selbst angezeigt habe. Zudem bietet er allen Bürgern und Arbeitgebern in NRW an, etwaige Bußgelder, die aufgrund seiner Zertifikate fällig werden, zu erstatten. Dass man sein Angebot missbrauchen könnte, hält der umstrittene Unternehmer für unbegründet. Eine Umfrage unter seinen Kunden habe eine Missbrauchsquote von 0,5 Prozent ergeben. Nutzer sollten trotzdem das Verfahren verschweigen Trotzdem warnt Dr. Ansay seine Kunden davor, den Kontrolleuren zu sagen, dass es sich bei ihrem Bescheid um ein Online-Zertifikat handelt. Der Unternehmer begründet diesen Ratschlag mit der Verunsicherung aufgrund der &bdquo;Fake-News im Internet über uns". Die Kripo ermittelt Da Gunda Ziemski ihre Strafanzeige in Schloß Holte Stukenbrock erstattete, ermittelt derzeit die Kripo Gütersloh in dem Fall. Laut Sprecherin Katharina Felsch besteht der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung. Zum Thema: "Katastrophale Zustände": Stimmung vor Corona-Testzentren wird immer aggressiver So setzen Bielefelder Unternehmen die 3G-Regel am Arbeitsplatz um Firmen gegen Lohnfortzahlung für Impfverweigerer mit Covid-19

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