Warnung: Dreiste Sperrmüll-Mafia zockt ahnungslose Kunden ab

Bielefeld. Katrin Weber (*) ist fassungslos. "Ich bin voll auf diese Sperrmüllmafia reingefallen." Perfide sei deren Masche. 350 Euro plus 10 Euro abgezwacktes Trinkgeld hat sie gezahlt - "für etwa einen Kubikmeter Sperrmüll". Einen Schrank, zwei Stühle, eine Matratze, einige Holzlatten. Von 30 bis 50 Euro war sie ausgegangen. Auch Werner Müller (*) ist bedient. Ihn trifft die Redaktion zufällig an, als die ominöse Sperrmüll-Firma von "bielefeld-sperrmüll.com" für Verwandte seines Schwagers eine 80-Quadratmeter-Wohnung entrümpelt. Müller ist vor Ort, weil sein Schwager verhindert ist. Der hatte mit der Stadt telefoniert, war dann aber "irgendwie auf die andere Internetseite gerutscht". Da die Gespräche mit der Stadt bei gut 20 Kubikmetern in Richtung 750 bis 1.000 Euro gegangen waren, gab es keine Preisabsprache. "Haben Lehrgeld bezahlt" Müller: "Das fand dann erst auf dem Parkplatz statt, da wunderte ich mich über das Berliner Kennzeichen, aber es musste nun einmal alles raus." Zeitdruck am Freitag: Montag musste die Wohnung übergeben werden. "Wir haben Lehrgeld bezahlt - erst sollten es 2.300 Euro netto sein, am Ende waren es 1.700 Euro brutto." Vor Ort sind die Arbeiter hochgradig nervös, als sie registrieren, dass die Zeitung zufällig da ist. "Wir können alles wieder ausladen, kein Problem", sagt der Chef der Kolonne. Müller: "Die hatten es am Ende sehr eilig, vom Hof zu kommen." Stress als Parallele Wer die Fälle miteinander vergleicht, sieht die Parallele "Stress". Weber hatte zwei Wasserschäden binnen kurzer Zeit, "ich bin mit den Nerven runter". Müller hat Termindruck mit der Wohnungsübergabe. Alle glaubten lange, mit der Stadt zu tun zu haben. Den Termin gab es jeweils sehr zügig. Am Telefon sei von 35 Euro pro Kubikmeter die Rede gewesen, sagt Weber. Die Masche der von ihr als "Sperrmüllmafia" bezeichneten Firma: Sie schaltet bei Google eine Anzeige, steht damit bei der Internet-Recherche nach "Bielefeld und Sperrmüll" ganz oben. Seriös sieht die Seite aus. Eine Bielefelder Nummer wird gewählt, die Adresse im Impressum ist eine Bielefelder. Slogan: "Bielefeld entsorgt, Bielefeld recycelt." Bielefeld? Wir fahren hin zur angegebenen Adresse. Kein Schild, kein Briefkasten, kein Müllwagen. Nur eine ältere Dame, die die Tür öffnet und klagt: "Sperrmüll-Firma? Von wegen. Die haben einfach von Berlin aus unsere Adresse übernommen, aber die Firma gab es hier nie und die gibt es hier auch nicht." Es wohnten nur sie und ihre Familie her. Seit Monaten habe sie Kontakt mit Polizei und Ordnungsamt. Von wegen "Kraft Dienste" Die Bielefelder Telefonnummer wurde übrigens am Montag als "unbekannt" behandelt, kein Durchkommen. Offenbar hat die Firma auf den steigenden Druck mit Rückzug reagiert. Nachfragen sind so nicht möglich. Auf der Quittung, die Weber erhielt, steht die "Firma Kraft Dienste" in Kremmen - plus Telefonnummer. Auch hier: unbekannt, kein Durchkommen. Laut Internet existiert diese Firma nicht. Der Polizei liegen Anzeigen vor, eine von Weber. Bundesweit sollen es gut 100 sein. Denn: Die Firma aus Berlin arbeitete mit immer derselben Masche bundesweit. In Leipzig unter www.leipzig-sperrmuelldienste.com. Zur Methode gehört der Stress. Immer wieder werden Termine verschoben, so auch bei Weber. "Sie sollten nachmittags kommen und kamen abends um 19.30 Uhr im Dunkeln." Keine zehn Minuten habe das Einladen gedauert, der Lkw stand 200 Meter entfernt in einer Querstraße. Vor Ort wurde vieles mal eben zu Sondermüll erklärt. "Bin so doof gewesen" Weber zahlte, wollte den hohen Preis am nächsten Tag mit der Stadt klären. Und erfuhr dort, dass sie nicht mit der Stadt zu tun hatte. "Ich bin in der Hektik so doof gewesen, nun will ich wenigstens andere warnen." Auch Müller berichtet von Stress. "Immer wieder sollte angezahlt werden, 1.000 Euro sofort, sonst werde wieder ausgeladen." Für Polizeisprecher Michael Kötter deutet alles auf Betrug hin. "Alle uns bekannten Opfer warnen vor unseriösem Online-Müllhandel, einer Betrugsmasche." Er betont: "Schon, wenn es vor Ort zu Nachforderungen beim Preis kommt, sollte sofort die 110 gerufen werden." Dann kläre die Polizei die Sache. Seine Bitte: "Treten Sie nach jedem Vorfall mit uns in Kontakt." "Das wurmt uns sehr" Andreas Geisler leitet die Stadtreinigung beim Umweltbetrieb. Er bestätigt: "Wir haben seit einiger Zeit Hinweise darauf, dass hier ein Unternehmen aktiv ist, dass den Anschein erweckt, städtisch zu sein." Geisler: "Einige Kunden halten offenbar uns für den Auftragnehmer." Ärgerlich, wenn dann unseriös gearbeitet und abgerechnet wird. Geisler: "Das wurmt uns sehr." Zwar gebe es für private Akteure einerseits das Recht, normalen Sperrmüll abzuholen und Entrümpelungen vorzunehmen, aber die Firmen müssten sich beim Umweltamt anmelden. Kühlgeräte zu entsorgen oder gefährliche Abfälle abzunehmen, das sei nicht erlaubt. Der Rest schon. "Sieht seriös aus" Ein guter Ansprechpartner sei die Verbraucherzentrale. "Sie kann Verträge der Auftragsvergabe prüfen und schauen, ob konkrete Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind." Doch Bettina Willner hat kaum Fälle dazu; verständlich, denn Verträge scheinen in Papierform gar nicht zu existieren. Zur Internetseite sagt sie: "Das sieht schon seriös aus - die Bürger müssen sehr genau hinsehen." Sonst wird es kompliziert, Beschwerden sind kaum möglich. Geisler berichtet, dass verärgerte Kunden in Hotlines landeten. Entweder ohne Anschluss, oder ohne Deutschkenntnisse. Sein Ratschlag: Bei Sperrmüll ans Bürgerservice-Center unter (05 21) 510 wenden, direkt (05 21) 51 34 34 wählen oder über bielefeld.de gehen. Wichtig: "Jede städtische Nummer beginnt mit 51." * = Name geändert

Meistgelesen