Bielefelder kann kaum noch laufen: Stadt verwehrt ihm Parkplätze für Behinderte

Bielefeld. Johannes Bänfer war schon immer ein sportlicher Mann. Extremsportarten wie Kitesurfen, Wellenreiten und Fallschirmspringen waren die großen Leidenschaften des Berufssoldaten. Doch mittlerweile kann er nicht einmal mehr mit seinem Sohn Fußball spielen. Der 36-Jährige leidet an einer extrem seltenen neuromuskulären Krankheit. Eingeschränkt ist er deshalb gleich mehrfach, denn nicht nur körperlich, sondern auch bei den Bielefelder Behörden stößt er immer wieder an Grenzen. Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) Typ 2 nennt sich die erbliche Erkrankung, die bei Johannes Bänfer vor knapp drei Jahren diagnostiziert wurde und sich immer weiter ausbreitet. "Deutschlandweit leiden daran nur 54 Menschen", berichtet Bänfer. Und gerade, weil seine Krankheit so selten ist, bereitet sie ihm im Alltag besonders viele Probleme. Und das beginnt schon bei der Suche nach Ärzten, nur wenige kennen sich in diesem Bereich aus. So muss der Bielefelder regelmäßig zur Uniklinik nach München fahren, um seine Symptome behandeln zu lassen. Mehr können die Ärzte und Professoren nicht für den Familienvater tun, eine Heilung gibt es derzeit nicht. Das hat mich umgehauen - Bielefelderin lebt mit unheilbarer Krankheit Betroffen sind bei ihm in erster Linie die Waden-, Bauch- und Schultermuskeln, die er nicht mehr ansteuern kann. Er trägt deshalb Orthesen, die ihn beim Gehen Halt geben. "Die Krankheit wird schlimmer, in den letzten Jahren mussten mir schon viermal stärkere Orthesen angepasst werden. Ohne sie kann ich beispielsweise keine Treppenstufen mehr gehen", so Bänfer. Auch einen Schultergurt trägt er mittlerweile, die Arme kann er nicht einmal mehr auf 90 Grad anheben. All das sind Einschränkungen, die den früheren Extremsportler hart getroffen haben. Doch besonders schlimm ist für ihn, dass sich zusätzlich ein echter Kampf mit den Behörden ergeben hat. Beispielsweise ein Besuch in der Innenstadt ist für ihn kaum möglich. "An guten Tagen kann ich etwa 600 Meter weit gehen, an schlechten aber keine 50. Das kündigt sich aber vorher nicht an", so der 36-Jährige. Deshalb wäre es für ihn eine enorme Erleichterung, die Behindertenparkplätze in der City nutzen zu dürfen - doch obwohl die Liste seiner körperlichen Einschränkungen regelmäßig länger wird, erhält er für die Nutzung keine Berechtigung, lediglich 60 Prozent Gehbehinderung wurden ihm von der Stadt bescheinigt. Intensivpfleger schwer erkrankt: Lebensretter braucht nun selbst Hilfe Den Behindertenparkplatz darf er allerdings erst mit dem Merkzeichen einer "außergewöhnlichen Gehbehinderung" (aG) - ab 80 Prozent - nutzen. Für seine Ärzte sei völlig klar, dass er darauf ein Anrecht haben müsse. "Die Stadt geht aber immer nur nach einem bestimmten Schema und nach gewissen Krankheiten vor. Da meine Krankheit aber so selten ist, dass sie dort nirgends aufgeführt ist, ist es ein echter Kampf. Allerdings habe ich schon oft gehört, dass es nirgendwo so schwierig ist, einen Grad der Behinderung zugesprochen zu bekommen, wie in Bielefeld", sagt Bänfer. Die Folge: Besuche in der City fallen für ihn oft aus. "Die meisten Parkhäuser und -lücken sind für mich zu eng, ich brauche Platz, um mit meinen Orthesen aus dem Auto auszusteigen", berichtet der Bielefelder. Hinzu komme sein eingeschränkter Bewegungsradius: "Wenn ich Glück habe und beispielsweise in der Welle einen geeigneten Parkplatz finde, komme ich gerade mal bis zum Alten Markt und kann dort im Café sitzen." Doch auch das ist selten geworden, zu oft sei es vorgekommen, dass ihn bei seiner Rückkehr jemand eingeparkt habe und er nicht mehr einsteigen konnte. "Mehrmals musste ich deshalb schon mit dem Taxi nach Hause fahren", so der 36-Jährige. Ausgebrochen ist seine Erkrankung im Jahr 2017, als er für einen Triathlon trainierte und sich bei einem Sturz einen Muskelfaserriss zuzog. "Meine Ärzte sagen, wenn ich nicht so viel trainiert hätte, wäre die Krankheit früher ausgebrochen. Durch die plötzliche Trainingspause ist die Erkrankung aufgefallen", so Bänfer. Denn von einem Tag auf den anderen habe er seine Füße kaum noch bewegen können - und das war erst der Anfang. "Ärzte erklären mich für verrückt": Bielefelder Powerfrau wird zum Pflegefall Auch heute noch bereiten ihm unebene Oberflächen Probleme, denn seine Füße kann er nicht mehr richtig knicken und anheben. Schmerzlich bewusst wurde ihm das bei seinem letzten Besuch in der Stadt. Mit seiner Ehefrau und seinem Sohn wollte er den Jahnplatz überqueren. "Diese Baustelle war für mich eine Katastrophe, überall waren Schlaglöcher und Huckel. Ich bin gestolpert und konnte mich gerade noch an der Absperrung festhalten", so Bänfer: "Ich habe das Gefühl, das Bielefelder Verkehrskonzept ist nicht ganz durchdacht. Grundsätzlich finde ich es ja schön, wenn die Altstadt weniger befahren ist, aber für mich ist das momentan wirklich ein Problem. Die Stadt sollte doch eigentlich ein Ort für alle Menschen sein." Ein Rollstuhl komme derzeit nicht infrage - auch wenn dieser irgendwann unvermeidbar sein wird: "Meine Ärzte wollen mich solange wie möglich mobil halten." Probleme hat er aber auch auf Supermarktparkplätzen, manchmal muss er unverrichteter Dinge wieder fahren: "Ich muss immer nach einem Seitenparkplatz suchen oder so blöd parken, dass niemand mehr neben mir parken kann". Probleme mit den Behörden kennt er aber nicht nur wegen der Parkplatzproblematik. Auch bei der Covid-Impfung, die er als immungeschwächter Patient so schnell wie möglich brauchte, gab es Hindernisse. "Ich hatte damals noch keinen Pflegegrad und niemand kannte meine Krankheit oder fühlte sich zuständig, weder beim Gesundheitsamt noch im Impfzentrum. Erst nach knapp einem Monat und 53 E-Mails konnte ich geimpft werden", sagt er. Barrierefrei sei die Stadt für ihn in keiner Weise. Doch aufgeben kommt für ihn nie infrage, er wolle immer weiter Anträge stellen und auch sonst seinen Lebensmut nicht verlieren. Der Personaloffizier möchte trotz seiner unheilbaren Krankheit für seine Frau und seinen sechsjährigen Sohn da sein - auch, wenn er seinem Kind mittlerweile nur noch beim Bolzen zuschauen kann, statt wie früher gemeinsam Tore zu schießen.

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