Trotz Gesetz: Hilfehund sorgt im Supermarkt in Bielefeld für Ärger

Bielefeld. Madeline ist ein schmales Persönchen. Fröhlich hüpft die Vierjährige durch die Wohnung, die blonden Löckchen wippen. Nur wer genau hinschaut, sieht unter dem T-Shirt in Taillenhöhe eine Erhebung. Madeline ist seit ihrem dritten Lebensjahr Typ-I-Diabetikerin, und eine Insulinpumpe ersetzt ihre nicht mehr funktionierende Bauchspeicheldrüse. Weil bei ihr die Gefahr von Unter- oder Überzuckerung so groß ist, hat sie auch noch Nellie – einen Diabetikerwarnhund, der genau vor diesen Gefahren rechtzeitig warnen kann. Das Tier, welches einerseits so hilfreich ist, sorgt im Alltag andererseits für Probleme. Dann nämlich, wenn Nellie mit in ein Lebensmittelgeschäft geht. Seit dem 1. Juli gibt es einen Passus im Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), wonach Menschen mit Assistenzhunden auch Lebensmittelgeschäfte betreten dürfen, &bdquo;soweit nicht der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde". Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat dazu klargestellt, dass es trotz der geltenden Verordnungen zur Lebensmittelhygiene Sonderfälle gibt – und dazu zähle das Mitführen von Assistenzhunden. Das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen habe Vorrang. Für Familie S. war bislang die Marktkauf-Filiale an der Senefelder Straße bevorzugtes Einkaufsziel. Michael S. (29) schildert, dass er den Besuch mit der achtmonatigen Nellie zu Ausbildungszwecken und für kleinere Einkäufe, telefonisch und im persönlichen Gespräch mit dem Marktleiter vorbereitet habe. Letztlich habe man sich nach dessen Rücksprache mit dem Gesundheitsamt auf Besuche mit vorherige Anmeldung an der Information geeinigt, da der Marktleiter das größte Problem in der direkt am Eingang befindlichen Obst- und Gemüseabteilung sah. &bdquo;Ein Mitarbeiter sollte uns dort beobachten, um sicherzustellen, dass unsere Hündin beim Einkauf dort keine Artikel berührt." Nellie ist im Einsatz stets, wie vorgeschrieben, mit einem speziellen Geschirr als Assistenzhund gekennzeichnet. Jacqueline S. (28), die den Hund führt, betont, dass Nellie dabei an besonders kurzer Leine immer direkt bei Fuß gehe. Sie achte selbstverständlich darauf, dass die Hundeschnauze nicht mit Lebensmitteln oder anderen Kunden in Berührung komme. Während sie sich auf die Übungssituation konzentriere, habe ihr Mann derweil Madeline im Auge und erledige den Einkauf. Mit zur Familie gehört auch noch die 14-monatige Mathilda. Der erste Besuch im Marktkauf sei der einzige von fünfen ohne Probleme gewesen. Beim zweiten Mal habe ihn die Mitarbeiterin an der Kundeninformation quasi ausgelacht. Als seine Frau mit dem Hund aufgetaucht sei, &bdquo;wurden wir sehr rabiat darauf aufmerksam gemacht, dass Hunde nichts im Markt zu suchen hätten". Bei einem weiteren Besuch seien sie im Markt von jedem Mitarbeiter aufgefordert worden, den Laden zu verlassen, sonst werde man vom Hausrecht Gebrauch machen. Doch der 29-Jährige räumt ein, dass auch andere Kunden befremdlich auf den Hund im Lebensmittelgeschäft reagieren. Ende August hat dies letztlich zu einem lautstarken Austausch zwischen Michael S. und weiteren Kunden vor der Fleischtheke geführt, nachdem eine Verkäuferin ihn erneut gefragt hatte, was ihnen einfalle, den Laden mit Hund zu betreten. &bdquo;Sie haben Partei ergriffen und gefordert, dass wir des Marktes verwiesen werden", so Michael S. Andere Kunden seien indes auf ihn und seine Frau zugekommen, hätten sich wohlwollend gezeigt. Unverständnis über nicht informierte Mitarbeiter Der 28-Jährige kann nicht nachvollziehen, warum der Marktleiter offensichtlich keine generelle Information an alle Mitarbeiter weitergegeben habe, dass sie mit dem Diabetikerwarnhund den Markt betreten dürfen. Und er würde sich wünschen, dass Marktkauf die Hunde-Verbotsschilder an der Eingangstüre durch Schilder ersetzt, die darauf hinweisen, dass Assistenzhunde als ständige Begleiter behinderter Menschen eine gesetzlich zugelassen Ausnahme darstellen. Andere Märkte in Sennestadt hätten keinerlei Probleme damit, Menschen mit Assistenzhunden in ihre Filialen zu lassen. Ein Rundruf der NW bei weiteren Sennestädter Märkten und Discountern bestätigt Michael S. Worte. Strenge Bedingungen erforderlich Die Edeka Rhein-Ruhr, zur der Marktkauf gehört, weist gegenüber der NW den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Zwei Vorgaben seien in Einklang zu bringen, es gehe dabei aber um das Wie, nicht um das Ob. Die Bedingungen, unter denen ein Assistenzhund Zutritt erhält, seien streng, schreibt eine Unternehmenssprecherin. Hierzu gehörten auch Zertifikate und Ausbildungsnachweise. Auch Familie S. hat Post von Edeka bekommen. Im Schreiben, das der NW vorliegt, wirbt eine Qualitätsmanagerin um Verständnis für die Probleme, die Assistenzhunde in Lebensmittelbetrieben mit sich bringen. Die Lösung, man möge sich anmelden und zumindest in der Obst- und Gemüseabteilung von einem Mitarbeiter begleitet zu werden, &bdquo;schien zunächst für beide Seiten eine zufriedenstellende – wenn auch im stressigen Marktalltag – aufwendige Lösung". Erfahrungsgemäß treffe das Betreten von Hunden nicht immer auf große Begeisterung bei anderen Verbrauchenden, sei es aus Ekel, Angst oder Problemen mit Tierhaarallergien. &bdquo;Leider zeigten Ihre Besuche im Markt, dass allein die irritierenden Blicke anderer Kunden ausreichten, dass diese von Ihnen als Person massiv verbal angegangen wurden", schreibt die Managerin. Nur aus diesem Grund habe der Marktleiter an dem Tag der großen Eskalation einmalig von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht. &bdquo;Der Marktkauf Sennestadt entscheidet sich aktuell weiterhin, den Einkauf mit nachgewiesenen Assistenzhunden begleitet durch einen Mitarbeiter des Marktes zu unterstützen", heißt es weiter in dem Schreiben. &bdquo;Sofern Ihr Verhalten auch in Zukunft zumutbar bleibt, steht Ihrem Besuch im Markt nichts entgegen." Davon will Familie S. aber in Zukunft absehen.

Meistgelesen