In die Catterick-Kaserne zieht wieder Leben ein

Bielefeld. Jahrzehntelang war die englische Catterick-Kaserne an der Detmolder Straße für Bielefelder ein unerreichbarer, vielleicht sogar geheimnisvoller Ort – geschützt durch hohe Zäune mit Stacheldraht und bewaffneten Soldaten am Tor. Seit dem 1. September ist das endgültig Geschichte. Denn ab sofort werden auf dem Gelände 445 Bundespolizisten ausgebildet. Sanierte Baracken und neue Container Nach 14 Monate langer Vorbereitung gab der Leiter der neuen Ausbildungsstätte, Polizeidirektor Peter Vaupel, am Mittwoch den Startschuss für den ersten Bielefelder Jahrgang. Zuvor musste die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) für 34 Millionen Euro in Windeseile die noch nutzbaren Gebäude auf dem Gelände sanieren. Einige waren aber so marode, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Um den Raumbedarf für die Ausbildungsstätte dennoch zu erfüllen, musste die BImA für 23 Millionen Euro Mietkosten rund 500 Container-Einheiten für den Schulungskomplex errichten. Dort finden sich die Lehrsäle, die IT-Räume, die Kriminalistik. 445 Frauen und Männer Und dann kamen sie endlich: 107 Frauen und 338 Männer im Alter von 16 bis 27 Jahren – 40 unter ihnen sind noch minderjährig – trafen in ihrer Kaserne ein. &bdquo;In dieser Dimension haben wir an einem Tag auch noch nicht Anwärter eingestellt", sagt Vaupel, der als Inspektionsleiter der Bundespolizei Münster auch für das Bielefelder Revier verantwortlich ist. "Aber wir kriegen das heute gut hin", sagt er und ist zufrieden, dass der personelle Aufwand an diesem Tag offenbar ausreicht. 280 Bedienstete Insgesamt 280 Bedienstete sind in der neuen Ausbildungsstätte tätig. 100 davon aus Bielefeld. Einige sind Briten, sie kehren zurück an ihre alte Wirkungsstätte - mit neuem Dienstherr. 130 der 280 sind Tarifbeschäftigte, der Rest seien Polizeivollzugsbeamte (darunter Fachlehrer und Verwaltungsangestellte). Ziel: Als Beamtin helfen Über den ganzen Tag verteilt trafen die Polizeischüler ein. Am frühen Morgen kamen die Schüler aus dem direkten Umkreis, gegen Mittag waren diejenigen geladen, die von weit entfernt anreisen mussten. Aus Brandenburg, Hamburg, Berlin, Dortmund und sogar aus dem bayerischen Haßfurt. Magdalena (18) ist Berlinerin. Als begeisterte Reiterin träumt sie von einer Karriere in der Reiterstaffel. Auf die Idee, eine Laufbahn bei der Bundespolizei zu beginnen, ist sie in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr gekommen: &bdquo;Ich habe am Bahnhof gearbeitet, um dort Menschen zu helfen. Dort hatten wir viel mit Bundespolizisten zu tun, die uns immer wieder geholfen haben. Das hat mir gefallen." Jugendtraum GSG 9 Auch der 17-jährige Richard kommt aus Berlin. Sein Traum ist es, nach der zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Polizeimeister eine Spezialisierung anzustreben. Irgendwann möchte er bei der Anti-Terror-Eliteeinheit GSG 9 landen. &bdquo;Bei der Bundespolizei kann man das Land deutschlandweit erkunden und es gibt sogar Auslandseinsätze." Name und Gesicht als Sicherheitsrisiko Nachname und Gesicht der Anwärter sollen übrigens nicht öffentlich werden. &bdquo;Sollte sich einer unserer Anwärter tatsächlich bei der GSG 9 bewerben, hätte er dazu keine Chance mehr, wenn er öffentlich identifizierbar wäre", erklärt Vaupel. &bdquo;Das ist zum Eigenschutz absolut wichtig." Grundgesetz und Strafen Fünf Stationen mussten die 445 Neuen, die in Bielefeld für den mittleren Dienst ausgebildet werden (Voraussetzung: Haupt- oder Realschulabschluss, erstes Gehalt: 1.300 Euro) durchschreiten. Die erste Station war die Anmelde-Registrierung im Zelt. Dann ging es für die Gruppen in die Sporthalle, wo drei Laufstraßen und diverse Formulare auf sie warteten. Neben einer erneuten medizinische Prüfung sollten sie eine Erklärung abgeben, dass auch seit der Zusage weiterhin keine Vorstrafen vorliegen. Dazu gehörte noch ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz und schließlich wartete am anderen Ende der Halle der künftige Fachkoordinator – sozusagen der Klassenlehrer der 25er-Gruppen. 18 davon gibt es in Bielefeld. Der erste Beamtenstatus Dieser führte den Lehrgang dann zum wichtigsten Teil des Tages. Im Lehrsaal ernannte der Fachlehrer nun jedes Mitglied der neuen Klasse zum &bdquo;Beamten auf Widerruf". Ein feierlicher Moment, der viel Applaus auslöst. Ihre Polizeiuniform samt Schuhen und Mütze erhalten die Anwärter erst in den folgenden Tagen. Nun hieß es erstmal: Einzug in die verschiedenen Doppel- oder Einzelstuben. Block 9 In &bdquo;Block 9", einer der älteren Gebäuderiegel auf dem Gelände, finden sich mehrere Unterkünfte. Hier wurde innen viel saniert. Alle Polizeischüler wohnen zumindest für die ersten sechs Monate auf dem Kasernengelände. Später seien auch Heimschläfer denkbar, sagt Vaupel. Wenige Meter weiter stehen aber auch Wohnhäuser, die von der englischen Kommando-Zentrale erst im September 2004 eingeweiht wurden. Hier wurden aus Wohngemeinschaften der Soldaten, Einzelstuben für die Polizeischüler gemacht. Anwärter Richard sagt: &bdquo;Die Unterkünfte sehen schon mal super aus." Training mit Bahnsteig Längst ist nicht alles fertig geworden. Viele Dinge werden noch auf den letzten Drücker gerichtet. Die Kühlschränke ziehen fast gleichzeitig mit den Bewohnern ein. Andere Projekte lassen noch aus sich warten: So üben Bundespolizisten später an einem eigenen Trainings-Bahnsteig ihre Einsatztaktiken. &bdquo;Dieses Spezialmodul wird erst am Ende des ersten Ausbildungsjahres benötigt. Wir rechnen im März mit der Fertigstellung", sagt der Polizeidirektor. Nach hoffentlich erfolgreicher Abschlussprüfung räumen die Polizeischüler nach einem Jahr wieder die Catterick-Kaserne. Sie machen dann Platz für den nächsten Anfänger-Jahrgang. Sie selbst ziehen dann weiter in eine andere der neun Liegenschaften der Bundespolizei. Nach drei Jahren wieder weg Drei Jahre lang sollen hier Eingangsjahrgänge auf dem 23.900 Quadratmeter großen Gelände ausgebildet werden. Dann plant die Bundespolizei wieder den Rückzug. &bdquo;Danach ist die Ausbildungsspitze im Land erreicht und dieser Standort wird nicht mehr benötigt", sagt Sprecher Achim Berkenkötter. Für andere Teile des Geländes haben inzwischen Zoll (2.500 Quadratmeter) und Bundesamt für Migration (3.000 Quadratmeter) Interesse angemeldet. Die Stadt Bielefeld blieb trotz intensiver Vorplanungen für Wohnungsbau und Gewerbe bisher unberücksichtigt. Die Kommune hofft, zumindest nach dem Abrücken der Bundespolizei auf einen Zugriff auf die Flächen.

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