Lärm, Kameras, pinkelnde Fernfahrer: Bielefelder am Ende ihrer Kraft

Bielefeld. Bau- und Verkehrslärm, blockierte Straßen durch Lkw, unüberprüfbare Videoaufnahmen, Fernfahrer, die ihre Notdurft in der umgebenden Botanik verrichten – die Liste der Probleme, mit denen sich die Familien Holthöfer und Mosca im Gewerbegebiet an der Erpestraße in Ummeln konfrontiert sehen, ist lang. Besonders im Fokus ihrer Vorwürfe steht ihr direkter Nachbar, die Firma SDG Modultechnik GmbH. Privathaus liegt mitten im Gewerbegebiet Eigentlich wollen Friedhelm und Brigitte Holthöfer in ihrem Eigenheim ein beschauliches Leben als Rentner genießen. Ihr Privathaus, 1928 erbaut, liegt mitten im Ummelner Gewerbegebiet an der Erpestraße. Das habe die Stadt 1988 ausgewiesen, berichtet der 65-Jährige. Und weil zu dieser Zeit niemand auf die exakten Festlegungen geachtet habe, verlaufe die Gewerbegrenze nun quer durch den Garten der Familie. &bdquo;Wir haben damals keinen Widerspruch eingelegt", bedauert Friedhelm Holthöfer. Die kleinen Handwerker, die vor langen Jahren in der Nachbarschaft ihren Geschäften nachgingen, sind längst verschwunden. Stattdessen &bdquo;haben wir jetzt eine Riesenfirma vor der Nase". Mit einer hohen Werkhalle direkt nebenan. Dauerstreit entzündet sich immer wieder neu So begann ein Dauerstreit, der sich immer wieder an neuen Konflikten entzündet. Und nahtlos weiterging, als die Firma SDG Modultechnik den Standort übernahm, die mit einzelnen Fahrzeugteilen Lastwagen nach individuellem Kundenwunsch zusammenstellt. &bdquo;Vor ungefähr fünf Jahren", schätzt Holthöfer, sei das Unternehmen neben ihm an die Erpestraße gezogen. Den Prozess gegen die bestehende Halle, die noch vom Vorgängerbetrieb direkt am Gartenzaun errichtet wurde, hat die Familie schon 2011 verloren. Nun wolle SDG eine weitere Halle zur Lagerung von Modulteilen, mit Büro und Sozialräumen an der Wipperstraße, auf der anderen Seite der Privatgrundstücke, bauen. Das Projekt wurde für Holthöfers und auch für Moscas im Nebenhaus, Hausnummer 39 a, zum Dauerärgernis. Nachtruhe zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens Dem städtischen Bauamt zufolge ist die Errichtung der zweiten Halle im Sommer 2019 &bdquo;auf der Grundlage des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes" genehmigt worden. Die Betriebszeiten seien von 6 bis 22 Uhr festgelegt. Für die Bauarbeiten draußen allerdings gilt, wie überall sonst stadtweit, die &bdquo;Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm": Entsprechend ist von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens Nachtruhe einzuhalten. Das werde allerdings ständig missachtet, erzählt Holthöfer frustriert. &bdquo;Heute – zum x-mal – früh um 6 Uhr fing der Baulärm wieder an, obwohl derartige Geräusche erst ab 7 Uhr erlaubt sind", berichtet er beispielsweise an einem Donnerstag Mitte Juli. Und: &bdquo;Es kümmert keinen am städtischen Telefon." Die SDG-Firmenleitung spricht von lediglich zwei morgendlichen Vorfällen, bei denen der Fremdunternehmer eine Viertelstunde zu früh angefangen habe. Es sei sofort darauf hingewiesen worden. &bdquo;So etwas würde mich auch ärgern", so der Unternehmer. Baugenehmigung für neue Halle Der Stadt liegt laut Verwaltung sogar nur eine Beschwerde über Baulärm (vom 3. Mai) vor. &bdquo;Daraufhin haben die Mitarbeiter des Umweltamts Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen und auf die Nachtzeit hingewiesen." Sie bestätigt zudem ausdrücklich, dass bei den Arbeiten auf dem neuen Hallengrundstück alles rechtens sei: Die Baugenehmigung sei schriftlich am 17. Dezember 2020 erteilt worden, und das Gelände sei &bdquo;auf Grundlage der erteilten Baugenehmigung im Rahmen der Kampfmittelüberprüfung ausgekoffert" worden. Derzeit wird es als Lkw-Parkplatz genutzt. Fernfahrer verschmutzen Umgebung Das Problem, dass Fernfahrer ihren Unrat im Umfeld entsorgen, ist auch aus anderen Bielefelder Gewerbe- bzw. Industriegebieten bekannt, etwa aus der Sennestädter Fuggerstraße. Eine gesetzliche Regelung, etwa, dass Fernfahrer betriebliche Sanitärräume nutzen dürfen, gebe es nicht, teilt der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung mit. Die sogenannte Arbeitsstättenverordnung beziehe sich nur auf Personal der eigenen Firma. Auch eine EU-Verordnung ist dem Verband nicht bekannt. Freie Sicht ins Fenster der 14-jährigen Tochter Die vom Unternehmen angebrachte Videoanlage hat besonders die unmittelbar neben Holthöfers wohnende Familie Mosca auf die Palme gebracht. Die &bdquo;Rundumkamera", so André Mosca, habe direkt ins Zimmer seiner 14-jährigen Tochter fotografieren können. Er hätte sich ein einfaches Sichtschutzblech gewünscht. Stattdessen habe die Firma auf seine Beschwerde hin erklärt, dass die entsprechenden Bereiche gepixelt würden. Der 45-Jährige wandte sich daraufhin an die Landesdatenschutzbeauftragte NRW um Hilfe. Die bescheinigte ihm jedoch, dass der Datenschutz durch die Verpixelung gewährleistet sei. Familie Mosca habe mittlerweile aufgegeben und den Umzug ins ruhige Ostfriesland vollzogen, berichtet Friedhelm Holthöfer. Hunderte von Kilometer weit weg, auch weit weg von jeder Baufirma. &bdquo;Ich habe keine Lust, mich noch weitere 10, 20 Jahre hier rumzuärgern", sagt André Mosca. Friedhelm Holthöfer würde am liebsten ebenfalls wegziehen. &bdquo;Wenn das hier nicht mein Geburtshaus wäre, würde ich sagen – und tschüss." 29 Anzeigen wegen Parkens im Halteverbot Weitestgehend beigelegt schien zumindest der Halteverbots-Zwist, der sich an parkenden Autos auf dem Seitenstreifen entzündet hatte. Deswegen und wegen der Sattelschlepper, die immer wieder auf der Erpestraße ständen, komme er oft nur &bdquo;im Blindflug" aus seiner Garage, moniert Holthöfer. Er schaltete einen Rechtsanwalt ein, der für seinen Mandanten eine Ordnungswidrigkeitsanzeige gegen die Halter von 17 Fahrzeugen erhob, die &bdquo;im absoluten Halteverbot zwischen den Grundstücken Hausnummer 39 und 41 parken". Seitdem habe sich die Situation etwas entspannt, sagt der Ummelner. Gleichwohl gebe es dort weiterhin Dauerparker. Der Unternehmer ist überzeugt, dass Holthöfer das Parkverbot falsch verstanden hat. Und die Stadt? Die hat bei ihren Kontrollen &bdquo;aktuell" keinen Verstoß festgestellt. &bdquo;Allerdings sind hier im Zeitraum Ende März bis Ende April insgesamt 29 Privatanzeigen für die Erpestraße eingegangen." Vor dem Haus Nr. 41 – das ist das Unternehmen – dürfe auf dem Seitenstreifen &bdquo;jedes Fahrzeug, welches von der Größe her dorthin einpasst, geparkt werden", ein Schild werde noch versetzt. Ab dem (Privat-)Haus Nr. 39 gelte das absolute Halteverbot. &bdquo;Auch für den Seitenstreifen." Wunsch: Stadt soll Verstöße kontrollieren Angesichts des jahrelangen Dauerstreits zieht Friedhelm Holthöfer ein bitteres Fazit. Ihm bleibe nur die Resignation. Vieles müsse er aufgrund der rechtlichen Vorschriften im Gewerbegebiet akzeptieren. &bdquo;Da kann ich mich gar nicht wehren". Aber er wünsche sich, dass Vorgaben eingehalten würden und das bei Verstoß auch von der Stadt kontrolliert werde. &bdquo;So fühlt man sich sehr alleingelassen."

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