Unglaublich: Bielefelder zeigt 1.500 Falschparker an

Bielefeld. Er wird als selbst ernannter &bdquo;Dorf-Sheriff" und Denunziant beschimpft, weil er Falschparker anzeigt. Im Stadtteil Schildesche sorgt dies schon seit Jahren für Unmut. Klaus P. ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs in die Innenstadt. Wenn Autos auf Geh- oder Radwegen parken oder in einem absoluten Halteverbot, ärgert ihn das. Er dokumentiert die Verstöße mit seiner Handykamera und bringt sie beim Ordnungsamt zur Anzeige. Die Behörde verhängt Verwarn- oder Bußgelder, kann dies aber nur tun, weil P. seine Identität preisgibt. Norman Rosenland, Leiter der Bußgeldstelle bestätigt, dass der Schildescher etwa 50 Prozent der 3.000 Privatanzeigen gestellt hat, die 2020 eingegangen sind. Dabei habe es sich mitnichten um Bagatelldelikte gehandelt. Klaus P. (Name ist der Redaktion bekannt) erklärt gegenüber der NW, dass er nun aufgehört habe, weil er bedroht und beschimpft werde – und er seine Familie vor weiteren Anfeindungen schützen wolle. Dabei betont er aber auch: &bdquo;Ich stehe zu dem, was ich tue." Er wisse zwar, dass er mit seinem Verhalten &bdquo;eine Menge Unmut" erzeuge, wolle aber erreichen, &bdquo;dass sich die Menschen an die Regeln halten." Sonst könnten Verkehrswende und Klimawandel nicht gelingen. Er wolle sich für die &bdquo;schwächsten Verkehrsteilnehmer" einsetzen. Schwächste Verkehrsteilnehmer schützen Der Urologe Frederick de Brabandt sieht hier jedoch &bdquo;eine rote Linie weit überschritten." Er wendet sich mit einem Brief an Oberbürgermeister Pit Clausen, &bdquo;weil es meines Erachtens eine politische Frage ist, wie eine Stadt damit umgeht, wenn einer seiner Bürger in seinem Stadtteil Mitbewohner, Nachbarn und Besucher bespitzelt und anschwärzt." Es könne nicht sein, dass ein einzelner Bürger einen ganzen Ort wie ein Dorf-Sheriff überwache und selbst bagatellartige Verstöße zur Anzeige bringe. Brabandt betont, dass er keineswegs für Straffreiheit sei. Die Aufgabe gehöre jedoch in die Hände der zuständigen Behörden. Im Gegensatz zum Strafverfahren gelte beim Ordnungswidrigkeitsverfahren das Opportunitätsprinzip. Dabei liege die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Ermessen der Verfolgungsbehörde. Norman Rosenland erklärt, dass das Ordnungsamt nicht willkürlich entscheidet. Jede Anzeige werde einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Wenn beispielsweise ein Halteverbotsschild auf dem Foto sei und dort jemand unberechtigt parke, müsse ein Verfahren eingeleitet werden: &bdquo;Wir sind an Recht und Gesetz gebunden." Die meisten Anzeigen von Klaus P. seien nachvollziehbar gewesen. Wenn Autos auf Radwegen stehen würden, hätte dies Gefährdungspotenzial. Dabei könne er nachempfinden, dass die Handlung des Mannes für Unfrieden sorge. Vielen Bürgern fehle aber das Unrechtsbewusstsein. &bdquo;Jeder Anzeige liegt das Fehlverhalten des Verkehrsteilnehmers zugrunde." Keine anonymen Anzeigen Recherchen haben ergeben, dass Städte wie Düsseldorf und Köln &bdquo;Fremd- oder Drittanzeigen" befürworten. Auf ihren Homepages steht detailliert, wie Privatpersonen dabei vorgehen müssen. Allerdings werden auch hier keine anonymen Anzeigen angenommen. Der Leiter der Bußgeldstelle betont, dass die Stadt Bielefeld nicht dazu aufrufe, Privatanzeigen zu schreiben oder daran interessiert sei, &bdquo;das Denunziantentum zu fördern." Es gebe jedoch neben P. &bdquo;durchaus einige Leute", die regelmäßig Privatanzeigen stellen würden. Insgesamt sei die Anzahl der Verkehrsverstöße in den übrigen Bielefelder Stadtteilen nicht geringer als in Schildesche. Bezirksbürgermeister Martin Sauer (Grüne) berichtet, dass es im vergangenen Herbst eine Ortsbegehung mit den zuständigen Behörden gegeben habe. &bdquo;Das Problem ist, dass es sich im Ortskern um eine Mischverkehrsfläche handelt. Fußweg und Straße sind optisch nicht voneinander getrennt." Die Anzeigen von Klaus P. seien berechtigt gewesen. Sauer appelliert an die Vernunft aller Verkehrsteilnehmer, um ein friedliches Miteinander zu erreichen. Dabei müssten auch Fußgänger und Radfahrer einbezogen werden. Hemmschwelle zur Gewalt gesunken Bei unklaren Parksituationen, wie beispielsweise in der Huchzermeierstraße, seien neue Markierungen aufgebracht worden. Um das Ortsbild optisch nicht zu &bdquo;verschandeln", den Geschäftsleuten zu helfen und den Ort erreichbar zu halten, hätten sich Politiker und Behörden jedoch darauf geeinigt, keine weiteren Markierungen mehr vorzunehmen. &bdquo;Wir haben versucht, gefährliche Stellen zu entschärfen." Der Bezirksbürgermeister erklärt, dass er gerne dazu bereit sei, die Betroffenen zu einer Gesprächsrunde einzuladen, falls der Konflikt wieder aufflamme. Für Astrid Brausch, Vorsitzende der Interessen- und Werbegemeinschaft, ist der Dorffrieden durch das Verhalten von Klaus P. gestört: &bdquo;Das trägt nicht zu einem positiven Image unseres Stadtteils bei." Stefan Conrad, Wirtschaftsinformatiker und Geschäftsführer einer IT-Firma, meint, dass sich die selbst ernannten Ordnungshüter in Gefahr begeben würden, weil die Hemmschwelle zur Gewalt in den vergangenen Jahren &bdquo;drastisch gesunken" sei. &bdquo;Es wird also der Tag kommen, an dem einer der Dorf-Sheriffs an den Falschen gerät." Und dann werde die Frage gestellt, wie es zu einem solchen Ausufern der Gewalt habe kommen können.

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