Multimillionär überlebt 995 Tage im Thai-Knast - und landet in der JVA Senne

Bielefeld. Stefan Güth ist wieder frei – nach fast dreieinhalb Jahren hinter Gittern. Die meiste Zeit davon verbrachte der Bankexperte (45) in einigen der härtesten Gefängnisse der Welt – den gefürchteten Haftanstalten von Thailand. Dass er diese Zeit lebend überstand, ist nicht selbstverständlich. Zumal der Multimillionär regelrecht ausgenommen worden sei – von Anwälten, Richtern, Gefängnisdirektoren und Gangbossen. Mehr als 500.000 Euro habe er als Schmiergeld an die Justiz gegeben. &bdquo;Dass ich dadurch frei kommen könnte, das war leider nie geplant", sagt er heute rückblickend. Was ihn außerdem wurmt: &bdquo;Mein Fall wurde auch von der deutschen Justiz nicht ernst genommen." Thai-Häftlinge schlafen wie Ölsardinen Insgesamt sieben Gefängnisse lernt Stefan Güth von innen kennen. Die Haftanstalten in Thailand sind hoffnungslos überlaufen. Gut 360.000 Häftlinge zählte man in Thailand 2019. Damit hat das asiatische Land im Verhältnis die viertmeisten Gefangenen in der Welt. Wer dort kein Geld hat, liegt nachts wie in einer Ölsardinen-Dose auf dem Boden – rechts und links liegen die Füße des Nachbarn. Wer zahlt, liegt zwar auch auf nacktem Stein, kann aber zumindest 50 Zentimeter Schlafplatz sein Eigen nennen – ein Luxus. &bdquo;Das sind dort unfassbare Zustände", sagt Güth. &bdquo;Psyche und Geist klinken sich da total aus, sonst gehst Du kaputt. Um Bücher wird dort richtig hart geprügelt", sagt er über die schlimmste Zeit seines Lebens. Mehrfach glaubt er, nicht mehr lebend aus dem Gefängnis rauszukommen. Er erleidet sogar einen Schlaganfall. Nach dem Aufstieg folgt der jähe Absturz Seiner vietnamesischen Frau zuliebe war der Multimillionär 2012 nach Thailand gezogen. Der ehemalige Direktor von Banken in Dänemark und der Schweiz hatte zuvor eine Gesellschaft für Anleihe-Geschäfte gegründet, mit der er nach eigenen Aussagen zum &bdquo;größten Emittenten von Bond-Listings an der Wiener Börse" aufgestiegen war. Güth scheffelte über die Jahre mehrere Millionen Euro. Auch in Thailand vermehrte er so weiter sein Geld – 16 Stunden pro Tag. Als sich plötzlich seine Frau von ihm trennte, war es wie ein Schock. Es war der Beginn eines jähen Abstiegs. Sein Reichtum weckt Begehrlichkeiten Der Weltenbummler sagt heute selbst über sich, dass er unfassbar dumme Fehler gemacht hat. &bdquo;Ich habe danach richtig auf die Kacke gehauen. Ich bin rumgelaufen wie ein goldbehangener Weihnachtsbaum", sagt er in einem TV-Beitrag für das NDR-Reportage-Format &bdquo;Strg F". Sein von Kleemann getuntes Mercedes Cabrio kostet 125.000 Euro, die für einen thailändischen Minister eigens gepanzerte S-Klasse 250.000 Euro. Am Körper trägt er teilweise Goldschmuck im Wert von 20.000 Euro. Sein offen zur Schau gestellter Reichtum macht den Ausländer zum Objekt der Begierde. Drogen auf der Sex-Party Weihnachten 2014 steht plötzlich die Polizei in seiner 750-Quadratmeter-Villa. Nach einer rauschenden Sex-Party mit zwei Prostituierten lag noch ein Holzkistchen in seinem Bett. Güth zufolge hatten die Sex-Arbeiterinnen die Droge &bdquo;Jaaba" – eine Methamphetamin-Mischung – mitgebracht. Die Polizei findet in der Kiste 1,7 Gramm Crystal Meth. &bdquo;Eine Falle", wie er sagt. Für 300.000 Euro auf freiem Fuß Sein deutscher Anwalt Roman von Alvensleben sagt, dass man mit so einer geringen Menge Drogen in Deutschland sogar auf eine Geldstrafe hoffen kann. In Thailand verstehen die Behörden keinen Spaß. Das Auswärtige Amt und zahlreiche Urlauber-Portale warnen dringend vor dem Umgang mit Drogen in dem Land. Wer erwischt wird, dem droht lange Haft. Doch der in Witten aufgewachsene Deutsche erkennt die Gefahr nicht: &bdquo;Mein Anwalt hat mir versichert, dass er mich rausholt." Der Anwalt einer namhaften thailändischen Kanzlei verteilt insgesamt 300.000 Euro an Bestechungsgeldern an Staatsanwälte und Richter. Und tatsächlich: Der reiche Deutsche bleibt auf freiem Fuß. Er erhält für die Weitergabe von Drogen eine zweijährige Bewährungsstrafe, kann sogar das Land verlassen. Er muss allerdings alle drei Monate wieder einfliegen, um sich bei den Behörden zu melden. Plötzlich sechs Jahre und drei Monate Haftstrafe Doch der Staatsanwalt legt Berufung ein. Während der reiche Lebemann weiter Partys feiert, ist er nun wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels angeklagt. Eine Feinwaage in seinem Goldschmuck-Tresor soll das beweisen. Während sein Anwalt den Deutschen wieder im Glauben lässt, dass er mit dem Geld alles geregelt habe, kehrt Güth im Mai 2017 nach Thailand zum zweiten Prozess zurück. Doch das Urteil in der zweiten Instanz lautet nun plötzlich sechs Jahre und 3 Monate Haft. Am 22. Mai 2017 kommt Güth in Pattaya hinter Gitter. &bdquo;Black Economy" – alle halten die Hände auf &bdquo;Die Haftstrafen in Thailand sind so hoch, weil es eine riesige Einnahmequelle ist", sagt Güth. Anwälte, Staatsanwälte, Richter, Gefängnisdirektoren profitierten davon. Der 45-Jährige spricht von einer &bdquo;Black Economy". Dass er frei kommen sollte, sei daher nie geplant gewesen. Statt dessen steht keine 24 Stunden nach dem Urteil sein Anwalt in der Zelle, um ihn nun für weitere 250.000 rauszuholen. Güth zahlt wieder. &bdquo;Aber es war alles Unsinn. Es hat gar nichts gebracht", sagt er heute. Er habe wirklich geglaubt, dass wenn man genug Geld auf das Problem werfe, dann verschwinde das Problem. Ein Irrglaube. Er kenne ausländische Mitgefangene, deren Eltern ihr Haus verkauft hätten, um sie aus dem Knast rauszuhauen. Doch es nutzte nie etwas. &bdquo;Die leben jetzt von Hartz IV." Legale Flucht nach Deutschland Immerhin – Güths finanzielle Möglichkeiten sind immer noch so gut, dass er eine Auslieferung nach Deutschland finanzieren kann. Er nennt es eine &bdquo;legale Flucht". Nach 995 Tagen in verschiedenen thailändischen Gefängnissen landet er am 11. Februar 2020 in Frankfurt. Doch von Freiheit ist keine Rede. Er wird noch am Flughafen festgenommen. Denn Deutschland hat sich verpflichtet, dass der Ausgelieferte in seiner Heimat die volle Reststrafe absitzen muss. &bdquo;Die Franzosen regeln das anders", erklärt der Ex-Häftling heute. Dort werde nach Aktenlage und nach französischem Recht neu geurteilt. &bdquo;Der deutsche Staat macht das nicht." König verkürzt Haft – Gezerre um Entlassung Strafverteidiger von Alvensleben betont, dass normalerweise eine Haft in solch unzumutbaren Gefängnissen zu einer Haftzeitverkürzung in Deutschland führe. Doch die Auslieferungsverpflichtung verhinderte das. Immerhin profitiert Güth vom Geburtstag und der Krönung des thailändischen Königs – sie brachten 40.000 Häftlingen jeweils eine haftzeitverkürzende Amnestie. &bdquo;Die Haft wurde erst auf vier und beim zweiten Mal auf drei Jahre verkürzt", erklärt von Alvensleben. Entsprechend beantragt er für seinen Mandanten mit den beglaubigten Kopien aus Thailand die Anerkennung der Amnestie in Deutschland. Doch die Staatsanwaltschaften fühlen sich nicht zuständig. In Bochum wird ein Gnadenverfahren eingeleitet, das niemand beantragt hat. Dann erklären sich die Staatsanwaltschaften in Hagen (Güths JVA-Adresse) und in Bochum (Güths letzter deutscher Wohnsitz) jeweils für nicht zuständig. &bdquo;Es war unerträglich", sagt von Alvensleben. Schließlich droht er mit einer Untätigkeitsklage. Erstmals frei in Bielefeld Ein Cousin seiner Mutter aus Bielefeld sorgt für den Durchbruch: &bdquo;Offener Vollzug ist nur möglich, wenn man eine Bezugsperson in der Nähe des Gefängnisses angeben kann", sagt Güth. Durch den entfernten Verwandten landet der 45-Jährige auf seiner Knast-Odyssee schließlich in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. Damit war automatisch das Landgericht Bielefeld für seinen Fall zuständig. &bdquo;Das Landgericht hielt zwar unseren Antrag für unzulässig, aber das Oberlandesgericht in Hamm hat kurz darauf endlich für Klarheit gesorgt", sagt sein Anwalt. Die erste Nacht liegt er auf dem Boden Die königliche Amnestie wird nun anerkannt, die bisherige Haftlänge als unzulässig eingestuft. Am 10. November kommt Stefan Güth endlich auf freien Fuß. Die erste Nacht in einem Bielefelder Appartement-Hotel schläft er auf dem Boden: &bdquo;Das Bett war mir einfach zu weich." Am 26. April erledigt das hiesige Landgericht auch die noch laufende Bewährung. &bdquo;Mein Mandant hätte eigentlich im Juni 2020 entlassen werden müssen. Er war fünf Monate zu lange in Haft." Neue Heimat in Südamerika Der Neu-Bielefelder ist nach all den schlimmen Erfahrungen in Thailand aber auch entsetzt von der deutschen Justiz: &bdquo;Die haben mein Anliegen überhaupt nicht ernst genommen." Überhaft wegen falscher Berechnungen sei kein Einzelfall in deutschen Gefängnissen, behauptet er. Trotzdem wolle er nicht mehr juristisch dagegen angehen. Der Weltenbummler hat mit dem schlimmsten Kapitel seines Lebens abgeschlossen: &bdquo;Ich bin zum Glück immer noch Millionär. Aber die nächsten 40 Jahre meines Lebens werde ich ganz bescheiden gestalten", sagt er. Inzwischen ist er nach Brasilien gezogen. Fürs Interview erreicht die Redaktion ihn aber in Mexiko. Denn für eine dauerhafte Einreise benötigt er ein tadelloses Führungszeugnis. Seit der Sex-Party in Thailand ist das bei ihm nicht mehr der Fall.

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