Gefährlicher Trend: Mehr Hunde in der Pandemie - und es fehlt an Ausbildung

Bielefeld. Der Zwischenfall unterhalb der Promenade, bei dem frei laufende Hunde drei Alpakas angegriffen und verletzt hatten, hat erneut den Blick auf die deutlich gestiegene Zahl der in Bielefeld registrierten Hunde gelenkt. Dreimal mehr neue Hunde wurden im vergangenen Jahr angemeldet, 426 statt sonst meist 100 bis 150. Bald 15.000 Hunde gibt es. Die Stadt sieht einen &bdquo;Corona-Effekt": Viele Menschen setzen der Einsamkeit in der Pandemie tierisches Glück entgegen. Das ist allerdings problematisch, wie Lars Kleinhans von der Hundeschule &bdquo;Martin Rütter DOGS" am Quellenhofweg befürchtet. Er hat Angst vor &bdquo;einem Riesenknall": Die hohe Nachfrage führe auf dem Welpenmarkt dazu, &bdquo;dass viele kranke und schlechte Tiere auf den Markt kommen". Es ist ein Geschäft. Nicht jeder spielt hier sauber und im Sinne von Tier und Mensch. Karin Tuxhorn von der Hundeschule Tuxhorn: &bdquo;Viele Hunde kommen aus dem Ausland, angeblich gerettet vor der Tötung" – "aber die werden teilweise genau für diese Argumentation unter schlechten Bedingungen produziert." Nur noch Einzelstunden Überfordert seien die Hundeschulen. Corona schränkt sie ein, sie sind nicht in der Lage, all die neuen Tiere und Halter so zu betreuen, dass die Sozialisation gelingt. Ein Grund: Nur noch Einzelstunden sind erlaubt, bis zu 80 Euro kostet eine. Die Folge: viel weniger Unterricht, viel weniger Wissen. Online kann das nicht ersetzen. Gerade als Welpen lernten die Tiere sehr viel voneinander, im Umgang miteinander – in den sogenannten Welpenstunden, so Tuxhorn. &bdquo;Ich habe die Sorge, dass wir bald viel mehr Hunde haben, die Probleme bereiten, verhaltensauffällig werden." Auf sich gestellt Es ist eine Krux. Viele Menschen haben erstmals einen Hund und sind nun oft auf sich gestellt. Das geht auch Sabine B. so, sie möchte lieber anonym von ihrem Kummer erzählen. Sie hat sich einen Australian Shepherd gekauft, und nun ist alles nicht so einfach wie gedacht. Viele Stunden in der Hundeschule kann sie sich nicht leisten, das Tier ist jetzt recht kräftig und extrem agil. Und bellt fast alles an, was sich bewegt, schnappt auch mal zu – versucht es zumindest. &bdquo;Ich merke, dass es nicht gut war, dass er als Welpe nur mit mir zu tun hatte", sagt sie. Nun kommt sie an ihre Grenzen, und sorgt sich. Das Tier sei großartig, aber erkennbar nicht so sozialisiert, dass Hundewiese und Treffen mit Freunden problemlos abliefen. Schlechter Start Kleinhans: &bdquo;Viele Tiere haben jetzt einen schlechten Start ins Leben, ihnen fehlt die Auseinandersetzung mit anderen Hunden und damit das Erlernen eines Sozialverhaltens." Durch die Corona-Einschränkungen sei der Unterricht in der Hundeschule &bdquo;ein knappes Gut" geworden, dem viele Tiere und Halter gegenüber stünden. Was erst einmal schief gegangen sei, lasse sich &bdquo;nur sehr schwierig wieder zurücktrainieren, das geht nicht in ein paar Wochen". Tuxhorn: &bdquo;Ich könnte vor Ärger darüber die Wände hochgehen." Dass die Welpen nicht lernten, mit anderen auszukommen, das sei &bdquo;nicht lustig", denn: &bdquo;Viele werden ja mal richtig groß – und wenn sie dann von Menschen gehalten werden, die nie vorher einen Hund hatten, führt das zu großen Problemen." Zumal viele laut Tuxhorn so denken: &bdquo;Wenn ich gut zum Hund bin, dann liebt er auch mich." Falsch, sagt sie. Der Hund habe Instinkte, wer nachgebe, sei der Schwächere. &bdquo;Viele sind da sehr blauäugig." Konsequente Erziehung sei wichtig – und das vermittelten die Hundeschulen. Das sei wichtig, denn die Ansprüche der Gesellschaft an Hunde seien riesig geworden. Kleinhans: &bdquo;Die Tiere sollen im Café unter dem Tisch liegen und keinen Mucks machen, in vielen Alltagssituationen sollen sie auf Sendepause gehen." Entgegen ihres Naturells. Das brauche gute Erziehung. Die nun oft fehlt. Und so fürchtet er, dass viel mehr Hunde bald viel mehr Probleme bereiten. Konflikte werden mehr Hinzu komme: Bald käme die Erkenntnis, dass Urlaub mit Hund schwierig sei, &bdquo;da werden die Tierpensionen volllaufen und teurer werden". Zudem würden viele sich wieder trennen, &bdquo;die Tierheime werden bald überfüllt sein, das fängt jetzt schon an". Und, naheliegend: Konflikte werden mehr. Sabine B. ahnt schon, dass das Verhältnis zu Menschen ohne Hund nicht einfacher wird, wenn einmal wieder alles offen ist. &bdquo;Wenn ich meinen Hund so anschaue, dann habe ich richtig Sorge, mit ihm mal in die volle Stadt zu gehen." Kleinhans kennt diese Sorgen, er hat schon über soziale Medien Aktionen gestartet: 50 Hunde trugen das Schild &bdquo;Ich will wieder in die Hundeschule!" - und es habe auch schon Briefe an Oberbürgermeister und Hundehalter Pit Clausen gegeben. Aber: &bdquo;Es gab keine oder wenig sinnvolle Antworten", so Kleinhans. Für ihn und Tuxhorn ist es unbegreiflich, warum sie nicht &bdquo;mit fünf, sechs Hundehaltern und Tieren auf 2.000 Quadratmetern mit viel Abstand an der frischen Luft arbeiten dürfen." Tuxhorn: &bdquo;In den Bus als enge Blechbüchse, da darf ich zu vielen anderen rein, aber auf unsere Wiese, da darf ich nicht hin."

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