Gesundheitsamt verweigerte einem der ersten Infizierten den Corona-Test

Bielefeld. Am 7. März 2020 wurde das Corona-Virus erstmals amtlich in Bielefeld festgestellt. Doch es war schon mindestens eine Woche früher in die Stadt angekommen. Am 1. März war Leo Zielinski aus dem Skiurlaub zurückgekehrt. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, seiner Tochter und seiner vierjährigen Enkelin hatte er eine Woche in Pejo verbracht, in Südtirol. "Ich weiß nicht, wo wir uns angesteckt haben”, sagt der Physiotherapeut. Als er in die Alpen fuhr, gab es keinerlei Anzeichen, keine Alarmmeldungen, dass gerade dort das Virus sich sprunghaft ausbreitete. Als er zurückkam, erfuhr er, dass aus Norditalien immer mehr Erkrankungen gemeldet wurden. "Wir waren am Sonntag wieder in Bielefeld. Am Montag wollte ich mich dann sicherheitshalber testen lassen.” Doch das Gesundheitsamt lehnte dies ab. Virus-Test abgelehnt "Es war schon sehr schwierig, überhaupt einen Kontakt zu bekommen.” Seine eigenen Versuche, telefonisch jemanden im Amt zu erreichen, waren erfolglos. Erst dem Hausarzt, den Zielinski um Hilfe bat, gelang dies. "Dann wurde ich gefragt, ob ich Symptome habe. Die hatte ich nicht. Mir wurde erklärt, dass Südtirol kein Risikogebiet sei.” Ein Virus-Test wurde abgelehnt. !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}(); Drei Tage später, am Donnerstag, 5. März, wurde Südtirol vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt. Die italienischen Behörden vor Ort bestätigten da gerade zwei Infizierte. Einer von ihnen sei schon auf dem Weg der Besserung. Am gleichen Tag wurde im Stadtrat verkündet, in Bielefeld gebe es bisher keinen bestätigten Corona-Verdachtsfall. Die amtliche Bilanz hatte sie schlicht noch nicht zur Kenntnis genommen. Denn Zielinski ist sicherlich nicht der einzige, der aus dem Skiurlaub zurückgekehrt war. Und der dann nicht untersucht wurde. Als amtlich erste Corona-Infizierte in Bielefeld werden ein 53-jähriger katholischer Gemeindereferent und eine 47-jährige Altenpflegerin gezählt, die mit einer Reisegruppe in Israel waren. Sie waren am Mittwoch, 4.März, zurückgekehrt. Am nächsten Tag wurden sie vom Reiseveranstalter informiert, dass ihr Busfahrer erkrankt sei. Daraufhin wurden die Mitglieder der Gruppe getestet. Am Samstag, 7. März, verkündete Oberbürgermeister Pit Clausen den Befund – unter anderem und nach den Erfahrungen der vergangenen Monate heute unvorstellbar - bei der Verleihung des Frauenpreises mit 330 Gästen im Kunst- und Kulturzentrum Sieker. Zielinski fühlte auch zu Beginn der nun kommenden Woche keine Symptome des Virus. Vom Gesundheitsamt hörte er nichts. Also kümmerte er sich weiter um seine Patienten. Inzwischen gab es Medienberichte über die Verbreitung der Krankheit bei wilden Apres-Ski-Partys. "So was gab es in unserem Hotel nicht”, sagt Zielinski. "Außerdem hatten wir unsere vierjährige Enkelin dabei. Da macht man doch sowas sowieso nicht.” Und wieder - kein Test Am Mittwoch, 11. März, bekam Zielinski einen Anruf vom Gesundheitsamt. "Mir wurde mitgeteilt, dass Südtirol jetzt Krisengebiet sei. Ob ich Symptome habe, wurde ich gefragt.” Er hatte keine – daher wurde er wieder nicht getestet. Am nächsten Tag hatte er erste spürbare Symtome, die aber eher einer Allergie auf Frühblüher-Pollen glichen. Das entsprach nicht dem damals bekannten Krankheitsbild. Erst am Freitagabend, 13 Tage nach der Rückkehr aus Südtirol, brach Covid-19 bei ihm und seiner Lebensgefährtin aus. "Alles schmeckte, als ob ich Aluminiumfolie kauen würde.” Er bekam hohes Fieber, die Muskeln versagten. "Ich habe 20 Stunden am Tag geschlafen und neun Kilogramm in zwei Wochen abgenommen.” "Ich habe sofort versucht, den ärztlichen Notdienst zu erreichen”, sagt der 65-Jährige. Die Nummer sei ständig besetzt gewesen oder die Leitung zusammengebrochen. Am Montag setzte er sich verzweifelt ins Auto und fuhr trotz Fieber selbst zur Anlaufstelle, die sich in einem Nebengebäude des Klinikums Mitte befindet. Dort gab es keine Warteschlange. Doch auch vor Ort wurde er abgewiesen. Einen Virustest bekomme er nur mit Termin vom Gesundheitsamt. Für den sorgte dann schließlich sein Hausarzt. !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}(); Erst am Freitag, 20. März, begann die Behörde, alle Personen in Quarantäne zu bitten, an deren Begegnung sich Zielinski erinnern konnte. Darunter waren 64 Patienten, gut ein Drittel von ihnen im Risikoalter. Beruhigend für den Physiotherapeuten: "So weit ich weiß, habe ich niemanden angesteckt.” Seine Lebensgefährtin und ihm geht es wieder gut. Die Tochter ist nicht erkrankt. Ob das Corona-Virus die Ursache war, dass die Enkelin zwei Tage während des Ski-Urlaubs Fieber hatte, wurde nie untersucht. Zielinski, der gemeinsam mit Doreen Theil seit 25 Jahren eine Praxis an der Beckhausstraße betreibt, wurde am Sonntag geimpft. Seine Kollegin bereits am Donnerstag. Auch der angestellte Mitarbeiter hat inzwischen die erste Impfung bekommen. Fünf Wochen war die Praxis im März und April vergangenen Jahres geschlossen. Für den Angestellten, der in dieser Zeit weiter entlohnt wurde, gab es eine Entschädigung: Insgesamt 76,23 Euro.

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