19-Jähriger erlebt echten Albtraum auf der A2

Bielefeld. Diese Stunden wird Jonas Müller nicht so schnell vergessen: Als sich am vergangenen Montag auf der tief verschneiten Autobahn 2 ein 30 Kilometer langer Mega-Stau zusammenbraute, stand der angehende Student in seinem roten VW Polo mittendrin. Er erlebte eine bizarre Nacht in klirrender Kälte, ohne Essbares an Bord, mit Hiobsbotschaften aus dem Autoradio und einem sich langsam leerenden Tank. Dabei hatte der Ex-Bielefelder, der jetzt in Löhne wohnt, nur mal schnell aushelfen wollen – in der Eckardtsheimer Einrichtung, in der er nach dem Abi sein Betheljahr absolviert hatte. Mitarbeiter waren ausgefallen. Klare Sache für Jonas, beim Abendbrotmachen und Zubettbringen der Bewohner einzuspringen. Die Autofahrt von Löhne zum Einsatzort war trotz des Schneechaos glatt gelaufen. Kaum Autos unterwegs um 17 Uhr, die A2 frei. Allerdings hatte Jonas’ Mutter die Sache schon mit Argwohn betrachtet und dem Sohn eine dicke Decke aufs Auge gedrückt. &bdquo;Zum Glück", sagt dieser rückblickend, das machte das Ganze erträglich. Selbst der Handy-Akku ging in die Knie Nach einem kurzen, knackigen Dienst in Sennestadt machte sich der junge Mann zuversichtlich und ohne den Verkehrsfunk abzurufen, gegen 20 Uhr auf den Weg nach Hause. Kein Polizeiauto mit Blaulicht versperrte ihm den Weg auf die A2. &bdquo;300 Meter weit bin ich gekommen, dann ging nichts mehr", erinnert er sich. Anfangs sei er optimistisch gewesen, mit Verspätung zu Hause anzukommen. Nach zwei, drei Stunden, in denen sich nichts bewegte und das Radio immer mehr quer stehende Lkw meldete, schwand diese Hoffnung. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista &bdquo;Es wurde immer kälter. Zum Glück hatte ich ein Thermoshirt an, Mütze und Handschuhe dabei, außerdem die Decke. Aber in den Zehen begann es verdächtig zu kribbeln", berichtet Jonas. Der sportliche 19-Jährige, der eine Mädchen-Handballmannschaft beim TSVE 1890 Bielefeld trainiert, hielt also seine Füße in Bewegung. Als der Handy-Akku bei Extremtemperaturen (-14 Grad) aufgab, wurde auch der WhatsApp-Kontakt mit Eltern und Freundin, die längst in großer Sorge waren, erschwert. &bdquo;Das Handy habe ich mir in die Hosentasche gesteckt, danach funktionierte es für eine Weile." »In Stresssituationen bleibe ich meist ruhig und strukturiert« Als sich die Stunden zogen, legte sich der junge Mann einen pragmatischen Plan zurecht: Um Sprit zu sparen, den Motor immer eine halbe Stunde laufen lassen, dann Restwärme nutzen. Viel nachgedacht habe er nicht, auch nicht mit der Situation gehadert: &bdquo;Nützte ja eh nichts", sagt er abgeklärt. &bdquo;Irgendwie war jeder auf sich gestellt. Ich dachte nur, ich will hier vernünftig rauskommen und auf keinen Fall mein Auto mit leerem Tank stehenlassen müssen". Seine Devise: unbedingt Benzin sparen. Gegen Mitternacht sei ihm klar gewesen: &bdquo;Das wird heute nichts mehr, die Nacht werde ich wohl auf der A2 verbringen." Bis fünf Uhr morgens habe er sich immer wieder einen Timer gestellt, um jeweils für 30 Minuten einzunicken. Nur wenige Leute hätten ihre Fahrzeuge verlassen. Eigentlich nur, um sich in einem Lkw-Führerhaus aufzuwärmen. Oder um sich bei Eiseskälte am Fahrbahnrand zu erleichtern. Inzwischen waren die Scheiben innen gefroren. Jonas musste sie frei kratzen, um mitzubekommen, falls es weiterging. Die Augen des Kontaktlinsenträgers brannten und tränten, die Gesichtshaut schmerzte und wurde immer trockener. Dazu ständiges Niesen, eine Erkältung kündigte sich an. Keine Verzweiflung in dieser Lage? &bdquo;Eher nicht", gibt er, inzwischen von der Erkältung genesen, zu Protokoll. &bdquo;In Stresssituationen war ich schon immer recht ruhig und strukturiert." Das DRK versorgte mit Tee und Wurststullen Und er ergänzt: &bdquo;Mir taten eher die Leute leid, die vielleicht älter waren, keine ausreichend warme Kleidung trugen oder womöglich in eine medizinische Notlage gerieten." Auch habe er eher an Eltern und Freundin gedacht, die zuhause kein Auge zutaten. Dafür schickten sie ihm Durchhalteparolen per Messenger. Um 5.30 Uhr kam die Erlösung: Zwei DRK-Helfer zogen mit einem Schlittenwagen heran und versorgten ihn mit Tee und Wurststullen. &bdquo;Das war wirklich toll", sagt Jonas. Ganz allmählich setzte sich auch die Blech-Lawine in Bewegung. Es dauerte aber noch ein paar Stunden, bis Jonas die Abfahrt Elverdissen erreicht hatte. Zuhause musste zuerst der wegen der Kälte juckende Kopf unter die Brause, dann ab ins Bett – den Stress der letzten 13 Stunden wegschlafen.

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