"Tragisch": Bielefeld droht seine Start-up-Szene zu verprellen

Bielefeld. Der zukünftige Dr. Oetker könnte Bielefeld den Rücken kehren, weil er in einer anderen Stadt bessere Bedingungen vorfindet, um sein Unternehmen aufzubauen und groß zu machen. Diese Befürchtung hegt Jan Maik Schlifter. Der FDP-Ratsherr wirft der politischen Mehrheit vor, nicht genug zu tun, um gründungswillige Absolventen der Hochschulen in der Stadt zu halten. Er fordert schnell ein neues Innovationszentrum für diese jungen Unternehmen. Verprellt die Stadt die wichtige Start-up-Szene durch Trägheit? Wie berichtet hat die Universität das 2019 eröffnete ICB – Innovations-Centrum Bielefeld – für die Medizinische Fakultät gekauft. Das ICB war gebaut worden, um akademisch ausgebildeten Unternehmensgeistern einen sicheren Raum für Entfaltung zu bieten – damit sie mit ihren Firmen in Bielefeld heimisch werden. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Acht Start-ups waren bereits eingezogen. Sie haben die Kündigung erhalten und überlegen zum Teil, ihr Unternehmen in einer anderen Stadt zu etablieren. &bdquo;Tragisch" nennt das Schlifter, &bdquo;wo doch die Wertschöpfung der Zukunft genau aus diesen wissensbasierten Firmen kommt". Alle reden von der "Wissenschaftsstadt". Was tun sie dafür? Im Grunde sehen das wohl alle politisch Verantwortlichen so. Seit Jahren wird das Etikett &bdquo;Wissenschaftsstadt" in Reden strapaziert. Das ICB war eine Säule dieser Zukunftsvision, aber nicht die einzige. Zum Thema: Info: Diese Start-ups sind in der Founders Foundation entstanden So haben Uni, Fachhochschule, Stadt und IHK 2019 die &bdquo;Bielefeld Research and Innovation Campus GmbH, kurz Bric, gegründet. Damit sollen Forschungskooperationen zwischen Spitzenforschern, Unternehmen der Region und außeruniversitären Forschungseinrichtungen umgesetzt werden. &bdquo;Eine wichtige Säule von Bric sind forschungsnahe Start-ups", teilt Uni-Sprecher Ingo Lohuis mit. Engagement für Gründer zeigt zudem die FH. Traditionell stark darauf ausgerichtet, eigene Absolventen mit guten Businessideen zu unterstützen, hat sie sich auf diesem Feld weiter professionalisiert, unter anderem mit dem &bdquo;Center for Entrepreneurship", kurz CFE. &bdquo;Wir beraten und coachen unsere Gründer-Absolventen bis zur Marktreife", sagt Tim Kampe vom CFE. 120 Quadratmeter des knapp bemessenen Raums in der FH steht den Start-ups als anfänglicher Bürofläche zur Verfügung. Die Arbeit trägt Früchte. Allein 2020 gab es neun Ausgründungen aus der FH, aktuell sind 22 Teams in Betreuung. Ist also doch alles gut? "Irgendwo zwischen Uni und Babenhausen" Sicher nicht, das sieht Gregor Moss nach dem Verlust des ICB so. Der Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (Wege) arbeitet nach eigenen Worten an einem neuen Raumangebot für die Start-up-Szene. &bdquo;Dafür gibt es einen politischen Auftrag", sagt der Dezernent der städtischen Verwaltung. Zum Thema: Star der Start-up-Szene macht Unternehmen in OWL Mut Derzeit muss sich die politische Mehrheit im Stadtrat sortieren, Moss wartet auf weitere Entscheidungen, hat aber Ideen, wie es weiter gehen könnte. Es solle ein neues Innovationszentrum geben. Wie das aussehen und wo es entstehen könne, will er noch nicht verraten. Fakt sei, so Ingeborg Schramm Wölk, Präsidentin der FH, &bdquo;dass unsere Gründer vor allem Büroflächen brauchen". Ratsherr Schlifter hat konkrete Vorschläge für einen passenden Ort. &bdquo;Im Gebiet zwischen Uni und Babenhausen", sagt er. Kaum eine Stadt habe die Chance, so viel potenzielle hochschulnahe Flächen für ein Innovationszentrum vorzufinden. Denkbar sei auch ein Abriss von Uni-Parkhäusern zugunsten eines solchen Gebäudes. "Schnell eine Alternative finden" Wie die Uni das sehen würde, ist ungewiss – sind doch die Parkhäuser eine Reserve für mögliche Erweiterungen. In der Hochschule wird der grundsätzliche Bedarf jedoch erkannt. &bdquo;Zentrale Herausforderung für junge Unternehmen ist es, passende Flächen zu finanzierbaren Kosten anmieten zu können", schreibt Lohuis. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Zwar stünden für Start-ups unter dem Dach der Founders Foundation sowie dem Pioneers Club attraktive Räume zur Verfügung. &bdquo;Diese bedienen aber nicht die Bedürfnisse von forschungsnahen Unternehmen, die Zugänge zu Forschungsinfrastruktur brauchen. Dieser Bedarf wird aktuell nicht ausreichend bedient." Diese Einschätzung teilt Rainer Wend. &bdquo;Ich setze darauf, dass alle Beteiligten schnell eine Alternative für das ICB finden", sagt der Geschäftsführer der Universitätsgesellschaft Bielefeld. Bis es soweit ist, versucht Moss als städtischer Verantwortlicher für Wirtschaftsentwicklung, die gekündigten ICB-Mieter für Bielefeld zu halten. &bdquo;Ich bin mit ihnen im Dialog. Wir bieten ihnen so viel Support wie möglich." Mehr als 200 Ausgründungen in Paderborn Wie es besser gehen könnte, zeigt möglicherweise die Nachbarstadt Paderborn. Sie bietet mit dem Innovationsquartier "garage33" eine "exzellente Gründungsförderung für Hochschulausgründungen", so Sebastian Vogt, Professor und Geschäftsführer des Technologie- und Existenzgründungscenters (Tecup). Die Uni Paderborn verzeichnte in den vergangenen Jahren mehr als 200 Ausgründungen und 8.500 dadurch geschaffene Arbeitsplätze und somit Top-Platzierungen in Gründungsrankings und Förderprogrammen. Mittlerweile werden mehr als 50 Teams pro Jahr betreut, damit sie erfolgreich am Markt bestehen. Außerdem entsteht bis Ende 2022 ein etwa 7.000 Quadratmeter großes Gründungszentrum.

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