Polizei nutzt nach Brandstiftung Medien für eine Falle

Bielefeld. In der Nacht zum 17. April 2020 gingen im Ravensberger Park drei Fahrzeuge des Ordnungsamtes in Flammen auf. Schnell gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Eine Woche später geht der Staatsschutz davon aus, dass es sich um Anschläge aus der linksextremen Szene gehandelt haben dürfte. Zwei junge Männer (19, 20) stehen seitdem unter Verdacht. Sie sollen in der Tatnacht Slogans wie &bdquo;Ordnungsamt verpiss dich“ auf Plakaten verteilt haben. Ihre Wohnungen wurden daraufhin durchsucht. Doch danach tut sich lange nichts mehr. Bis die &bdquo;Ermittlungskommission Phönix“ einen Plan ausheckt, um einen möglichen Mittäter in eine gut vorbereitete Falle zu locken. Am 24. November 2020 veröffentlicht die Polizei eine Pressemeldung, wonach nun noch ein dritter Tatverdächtiger aus der linksextremen Szene im Fokus der Ermittlungen steht. Tatsächlich hat der Staatsschutz aber kaum etwas gegen ihn in der Hand – außer, dass der junge Mann in der Tatnacht mit den beiden Beschuldigten telefoniert hat. Insgesamt dreimal. Ein Chat belegt, dass sich alle drei in der Tatnacht getroffen haben. Lancierte Meldung bereitet Telefonüberwachung vor Warum teilt die Polizei dann der Öffentlichkeit diese sehr dünne Ermittlungsneuheit überhaupt mit? Die extra lancierte Meldung soll den polizeibekannten jungen Mann dazu bringen, zum Telefon zu greifen und sich im Gespräch mit Mitwissern zu belasten. Denn die Telefonüberwachung des Verdächtigen läuft bereits. Die Polizei stellt ihm quasi mit Hilfe der Bielefelder Medien eine Falle. Das geht nach Angaben von Rechtsanwalt Sebastian Nickel eindeutig aus dem Beschluss des Amtsgerichts hervor: &bdquo;Es ist beabsichtigt, eine polizeiliche Pressemitteilung herauszugeben, die sich inhaltlich auf den Brand der Fahrzeuge des Ordnungsamtes bezieht und informiert, dass sich der Täterkreis vermutlich um eine dritte Person erweitert hat.“ Scharfe Kritik an Vorgehen der Ermittlungsbehörden In dieser Meldung wird dieser Tatverdächtige so beschrieben, dass zumindest er sich selbst erkennen muss. Er soll aufgeschreckt werden. Also nicht ohne Hintergedanken erwähnt der Staatsschutz, dass der 18-Jährige &bdquo;als Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung am 21. September 2020 bereits eine Nacht im polizeilichen Gewahrsam verbrachte.“ Diese extra erwähnte Ingewahrsamnahme wurde übrigens vom Landgericht Bielefeld am 8. Januar als rechtswidrig eingestuft. Sebastian Nickel und die Verteidigerin des dritten Tatverdächtigen kritisieren das Vorgehen der Ermittlungsbehörden und des Amtsgerichts scharf. Natürlich sei es bei einer Telefonüberwachung nicht üblich, dass der Beschuldigte vorher über seinen Status aufgeklärt wird. Das sei aber sehr wohl der Fall, bevor Beschuldigte von der Polizei in der Öffentlichkeit präsentiert werden. &bdquo;Dass ein Pressebericht dazu dienen soll, einen belastenden Beweis am Telefon zu erwirken, das habe ich in dieser Deutlichkeit noch in keinem gerichtlichen Beschluss gelesen“, sagt Verteidiger Nickel. Damit sei der gesetzlich verankerte Schutzgedanke des Jugendstrafrechts – der Verdächtige war zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt – &bdquo;mit Füßen getreten“ worden. Ermittlungsbehörden dürfen tricksen Grundsätzlich ist es den Ermittlungsbehörden erlaubt, Tricks anzuwenden, sagt Moritz Kutkuhn, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nur bewusste Täuschungen verbietet die Strafprozessordnung. Zum konkreten Fall wollten weder Kutkuhn noch Polizeisprecherin Sonja Rehmert Stellung nehmen – wegen laufender Ermittlungen. Grundsätzlich gibt Kutkuhn zu bedenken: &bdquo;Was hätten wir davon, wenn wir Beweismittel bekommen, die nicht verwertbar sind?“ Die Verwertbarkeit der Beweise würde ständig geprüft. Trotzdem scheinen die Ermittler in dem Fall auch Grenzen überschritten zu haben: Laut Nickel wurde sein Telefonat mit seinem Mandanten mitgehört. &bdquo;Das vertrauliche Gespräch mit dem Verteidiger ist streng geschützt. Die Beamten hätten die Überwachung sofort beenden müssen.“ Doch stattdessen findet sich laut Nickel genau dieses Gespräch in einem Aktenvermerk wieder. Der Vermerk soll als Argument für einen schnellstmöglichen Durchsuchungsbeschluss gedient haben, da die Gefahr bestehe, dass nach dem nun anberaumten Treffen mit dem Verteidiger der Verlust von Beweismitteln drohe. Nickel legte dagegen offiziell Beschwerde ein. Auch dazu wollten weder Staatsanwaltschaft noch Polizei eine Stellungnahme abgeben. Kommentar Verlust der Glaubwürdigkeit Eine Pressemeldung der Polizei, die offensichtlich nur dazu dient, den Tatverdächtigen aus der Reserve zu locken, ist eine Besonderheit. Vermutlich ist die Ermittlungsfinte juristisch nicht zu beanstanden. Umso erstaunlicher ist es, dass weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei die Grundlage dafür erklären wollte. Die Medien können sich in der Sache als verlängerter Arm der Ermittlungsbehörden instrumentalisiert fühlen. Zwar helfen sie bei der Aufklärung von Straftaten gerne und oft weiter. Aber sie tun dies lieber offen und ehrlich. Es geht nicht darum, die Tatverdächtigen in Watte zu packen. Wir haben es hier vermutlich mit politischen Aktivisten zu tun, die einen extremen Weg eingeschlagen haben. Dass die Polizei Straftaten aufklären muss, ist auch klar. Dass sie dafür verschiedene Mittel einsetzt, ist bekannt. Manche werden sagen: Ist doch gut, wenn die Polizei sich Beweise beschafft. Aber was bedeutet es, wenn die Veröffentlichungen der Polizei zu Ermittlungszwecken benutzt werden? Heute wissen wir, dass die ungewöhnlich dünne Mitteilung im November nur ein Trick war. Ein Trick, der die Glaubwürdigkeit der Polizei beschädigen könnte. Viele Leser werden sich künftig fragen, ob diese Polizeimitteilung wohl wirklich dem Zweck dient, die Öffentlichkeit zu informieren? Die Pressearbeit soll unter anderem &bdquo;das Vertrauen in professionelle polizeiliche Aufgabenerledigung stärken.“ Das ist in diesem Fall schief gegangen.

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