Senioren im Altenheimen bewusst bei Corona-Impfungen ausgelassen

Bielefeld. Gabriele F. (Namen geändert) ist immer noch verärgert. Ihr 96-jähriger Vater, der in einem Bielefelder Altenheim lebt, ist bei der Corona-Impfkampagne in den Senioren- und Pflegeheimen nicht geimpft worden, obwohl sie ihn angemeldet hatte. Gustav F. hatte wie viele andere Bewohner und Mitarbeitende im November eine Covid-19-Infektion, die er glücklich überstanden hatte. Nun sollte er größtmöglichen Schutz durch die Impfungen bekommen, wurde aber bewusst ausgelassen. Auch in anderen Heimen wird so gehandelt. &bdquo;Zu meinem Entsetzen wurden alle Genesenen, Bewohner und Personal, ohne vorherige Antigentests nicht geimpft", schildert Gabriele F. nw.de. Nach Rücksprache mit der Heimleitung und der Impfärztin sei ihr erklärt worden, dass Genesene nach Ablauf der Erkrankung noch derzeitigem Stand der Wissenschaft einige Monate immun seien. Daher sei der Impfstoff anderweitig verimpft worden. Stattdessen seien die Bewohner der nebenan liegenden Altenwohnungen geimpft worden. Nur wenig Antikörper Die Tochter ließ bei ihrem hochbetagten Vater einen Antigentest machen, der nach ihrer Aussage nur noch wenige Antikörper aufgewiesen habe. Bei den diversen Schnelltests in den Wochen zuvor sei ihr Vater auch immer negativ gewesen. Sie habe die Ärztin über das Ergebnis des Antigentests informiert, und ihr Vater sei am 23. Januar nachgeimpft worden. &bdquo;Die Grundproblematik besteht damit aber nach wie vor", ist Gabriele F. überzeugt. Die Impfverordnung sehe ihrer Ansicht nach keinen Ermessensspielraum für die Impfärzte vor. &bdquo;Damit würde die Entscheidung über die Reihenfolge doch erheblich beeinflusst." Der Geschäftsführer eines anderen Altersheimes in der Stadt bestätigt gegenüber nw.de, dass auch in seinem Haus Bewohner und Mitarbeiter bewusst außen vor gelassen worden seien. Er vertrat sogar die Meinung, dass die 16 infizierten und wieder genesenen Heimbewohner sowie analog die genesenen sieben Mitarbeiter &bdquo;ja keinen Anspruch auf eine Impfung hätten". Impfung bei Genesenen notwendig Das ist falsch, sagt Theodor Windhorst, Ärztlicher Leiter des Bielefelder Impfzentrums auf Nachfrage. Mitte Januar sei von der Ständigen Impfkommission der Bundesregierung (Stiko) eine neue Impfordnung herausgegeben worden. Darin steht, dass &bdquo;grundsätzlich die Notwendigkeit" einer Impfung auch nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion gesehen werde. Der geeignete Zeitpunkt hierfür könne jedoch noch nicht angegeben werden. Keine Impfung in Akutphase Mediziner Windhorst erklärt, dass nachgewiesen Positive während der Akutphase auf alle Fälle keine Impfung bekommen sollten. Eine Zehn-Tage-Karenz sei mindestens vorgesehen. &bdquo;Aber sie haben einen Anspruch auf eine Impfung", betont Windhorst. Nach einem neuerlichen PCR-Test, der auch die Zahl der vorhandenen Antikörper ermittele, könne geimpft werden. Man wisse derzeit ja noch nicht, wie lange eine durchgemachte Infektion immunisiere. Impfpflicht für Personal Der Mediziner hält es für wichtig, dass in Alten- und Pflegeheimen möglichst umfassend geimpft wird. &bdquo;Fast 86 Prozent unserer Corona-Toten kommen aus Altenheimen", sagt Windhorst, &bdquo;und die werden in der Regel von außen infiziert." Die Statistik des Landeszentrums für Gesundheit NRW vermeldet aktuell, dass knapp 74 Prozent aller Toten 80 Jahre und älter sind; schaut man auf die ab 70-Jährigen sind es sogar 91,9 Prozent. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Als Arzt und ehemaliger Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe würde er sich wünschen, dass in Zukunft Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen arbeiten wollen, eine Impfung nachweisen müssen. Noch heute verfolge es ihn, wie im ersten Lockdown ab März die alten Menschen in den Heimen isoliert worden und teils einsam gestorben seien. Besuchsverbote zähneknirschend akzeptiert Das ist im zweiten Lockdown nicht mehr vorgesehen. Doch Gabriele F. berichtet, dass die Zeit seit Oktober &bdquo;gekennzeichnet ist von zeitweisen Besuchsverboten und Zimmerquarantäne". Aktuell dürften die Besucher ihre Angehörigen nur einmal in der Woche und für maximal eine Stunde in der Cafeteria sehen, Besuche auf dem Zimmer seien nicht möglich. Von den meisten werde das akzeptiert, um ihre Angehörigen weitestgehend zu beschützen. Die Altenheime gehören auch in Bielefeld zu den aktuellen Corona-Hotspots, gefolgt von Ausbrüchen in Krankenhäuser. So ist es aus Kreisen des Gesundheitsamtes zu hören. Aber auch vielfältige private Kontakte seien nach wie vor Infektionstreiber sowie lange unerkannte Infektionen bei Kindern. Coronabedingte Personalausfälle hätten erhebliche Auswirkungen auf die Pflegequalität in den Heimen, schildert Gabriele F. &bdquo;Ich möchte nicht noch einmal erleben, dass die Bewohner deshalb drei Wochen lang nicht geduscht werden." Umso größer seien die Hoffnung auf die Impfungen.

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