Bielefelder fassungslos: So wenig bleibt von der Corona-Soforthilfe übrig

Bielefeld. Etliche Handwerker stehen am Abgrund, drei Viertel der Gastronomiebetriebe sehen ihre Existenz bedroht und in der Einzelhandelsbranche wird in diesem Jahr deutschlandweit mit 50.000 Firmenpleiten gerechnet. &bdquo;Die Folgen des Lockdowns werden auch an Bielefeld nicht vorbeigehen", sagt Thomas Kunz vom Handelsverband OWL. Bisher sind die beim Bielefelder Amtsgericht eingegangenen Insolvenzmeldungen eher gering. Ist das nur die Spitze des Eisbergs? Mehr Infografiken finden Sie bei Statista &bdquo;Wir werden mit Sicherheit einen deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen erleben", sagt Christoph von der Heiden, Geschäftsführer bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen. Klarheit werde es jedoch erst Mitte des Jahres geben. Denn gesicherte Zahlen für die Stadt liegen bislang erst für das erste Halbjahr 2020 vor. Bisher vor allem kleinere Firmen betroffen Danach meldeten von Januar bis Juni 39 Bielefelder Unternehmen ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Im ersten Halbjahr 2019 waren es 53 Betriebe. Besonders betroffen waren 2020 bisher kleine Betriebe, darunter drei Reisebüros. Das Leibnizinstitut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) veröffentlicht monatlich ein Insolvenzbarometer. Danach stieg die Zahl der Insolvenzen in Deutschland im Dezember stark an. Dabei habe sich auch &bdquo;die Wiedereinführung der Insolvenzanzeigepflicht für die allermeisten Unternehmen" im vergangenen Oktober ausgewirkt, so das IHW. Eine Insolvenzwelle sei aber ausgeblieben, meint Steffen Müller von der Abteilung Insolvenzforschung des IHW. Dramatischer Anstieg befürchtet Zahlen aus dem Bielefelder Handwerk gehen bisher in die gleiche Richtung. 2020 haben lediglich vier Betriebe einen Insolvenzantrag gestellt, drei davon aus dem Fliesenleger-Handwerk. !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}();Wolfgang Borgert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer OWL, befürchtet jedoch, dass es dabei nicht bleibt. &bdquo;Aktuell stehen viele vom Lockdown betroffene Handwerksbetriebe am Abgrund zur Insolvenz und kämpfen verzweifelt um ihr wirtschaftliches Überleben. &bdquo;Die Insolvenzen dürften in diesem Jahr dramatisch steigen, wenn die von der Politik zugesagten Corona-Hilfen nicht endlich ausgezahlt werden." Rückzahlungspflicht hat viele überrascht Soforthilfen, Schnellkredite, Überbrückungshilfen – Bund und Land haben eine Reihe von Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft aufgefahren. Nicht jedem Betrieb wird dadurch die Existenzangst genommen. Die Einstiegshürden sind hoch, der bürokratische Aufwand teils enorm. Zudem überschneiden sich unterschiedliche Programme. &bdquo;Auch für Fachleute haben die Hilfsprogramme einen hohen Komplexitätsgrad erreicht", sagt Thomas Mikulksy, Leiter des Fachbereichs Unternehmensförderung bei der IHK. So würden beispielsweise Nachbesserungen bei der aktuellen Überbrückungshilfe III ausstehen. Gleichzeitig hätten viele noch mit der Rückzahlung der Soforthilfen aus dem Frühjahr zu kämpfen. Mikulsky: &bdquo;Die Rückzahlungspflicht ist für viele völlig überraschend aus der Tiefe des Raumes gekommen." Zu den Betroffenen zählt beispielsweise Dirk Bache, Betreiber eines kleinen Geschäfts für Schmuck, Deko-Artikel und Kleidung in der Altstadt. Er hat im Frühjahr 9.000 Euro Soforthilfe erhalten. 7.000 Euro soll er nun zurückzahlen. &bdquo;Absolut keine der laufenden Kosten oder Umsatzausfälle konnten auf die Soforthilfe angerechnet werden. Nur 2.000 Euro für den Lebensunterhalt wurden gewährt. Und dies mit der Begründung, dass wir im März vor und im April nach dem Lockdown ja noch ausreichend Umsatz gemacht hätten, um die laufenden Kosten zu decken", berichtet er. Bei Vielen liegen die Nerven blank 2.000 Euro bleiben ihm. &bdquo;Nicht schlecht, werden manche denken", meint Bache. &bdquo;Aber schauen wir mal: Da die Summe als Einkommen versteuert werden muss, ist schon ein Drittel weg. Für Beantragung, Betreuung und Beratung in Bezug auf coronabedingte Arbeiten stellt das Steuerberatungsbüro 600 Euro in Rechnung. Sollten wir also 7.000 Euro zurückzahlen müssen, haben wir ganze 600 bis 700 Euro bekommen." Bache ist nicht der einzige mit solchen Sorgen. &bdquo;Bei Vielen liegen die Nerven blank. Oft sind Rückzahlungen derzeit nicht möglich, da das Geld ausgegeben werden musste", so Thomas Mikulsky. Und von den Überbrückungshilfen seien bisher oft nur Abschlagszahlungen angekommen. Gleichzeitig müssten aber weiterhin Rechnungen bezahlt werden. Löhne, Mieten, Reparaturen – die Kosten liefen weiter. &bdquo;Modehändler müssen beispielsweise die jetzt eintreffende Frühjahrsware bezahlen", berichtet Thomas Kunz vom Handelsverband. Sparvermögen ist gestiegen IHK-Geschäftsführer von der Heiden befürchtet daher, dass es bald vor allem Firmen treffen könne, die vor dem Lockdown schon angeschlagen waren. Gesunde Unternehmen könnten mit Krediten, Rücklagen oder anderen Einnahmequellen länger durchhalten. Und nach dem Ende der Corona-Krise dann hoffentlich von einem Nachholbedarf etwa in den Bereichen Einkaufen, Gastronomie oder Reisen profitieren. &bdquo;Das Sparvermögen ist im letzten Jahr gestiegen, es ist denkbar, dass ein Teil in den Konsum geht." Doch es hänge alles vom Verlauf der Pandemie ab.

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