In der Coronazeit wird Tänzerin zur Fotografin

Bielefeld. Das Theater ist zu, selbst der Probenbetrieb ruht. Welchem Künstler fällt da nicht die Decke auf den Kopf, eingedenk des schon monatelang dauernden Shutdowns im Frühjahr 2020? Noriko Nishidate, seit sechs Jahren festes Mitglied des Bielefelder Tanzensembles, geht das so. Naturgemäß dürfte Menschen, für die Bewegung und Nähe Berufsvoraussetzungen sind, der verordnete Stillstand noch schwerer fallen als anderen. Doch die aus Japan stammende Tänzerin lebte in der Reduzierung bereits seit April 2020 eine zweite Leidenschaft aus: das Fotografieren. Im Theater Bielefeld, in dem Umfeld also, das sie am besten kennt, entstanden Porträts und Szenenbilder. Die Reihe wuchs Stück für Stück und trägt nun den vielsagenden Titel &bdquo;Behind the Stage“. Die Bilder erzählen von kreativen Wegen, durch diese Zeit zu kommen &bdquo;Als der erste Shutdown kam und wir alle zuhause bleiben mussten, spürte ich ganz stark, dass ich mich und meine Gefühle ausdrücken muss“, schildert die 32-Jährige ihre Motivation, die Kamera in die Hand zu nehmen. Sobald das Theater Bielefeld für den eingeschränkten Probenbetrieb wieder öffnete, hatte Noriko also neben der eigenen Probenarbeit als Tänzerin einen Zusatzjob. Schauspieler, Sänger und Tänzer in ihren Pausen und beim Proben auf Abstand wurden zu Motiven. Instrumentarien dieser Zeit, wie Desinfektionsmittelspender, Alltagsmasken, Menschen aus der Masken- und Kostümbildnerei, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten müssen, geben ihrem Kamerablick aufs Theater zeitdokumentarischen Charakter. Die Bilder erzählen von kreativen Versuchen Kreativer – alle zurzeit an ihrer Berufsausübung gehindert – durch diese unwirkliche Zeit zu kommen. "Sie sorgen dafür, dass wir überhaupt auftreten können" Auch Mut machende Beispiele neugewonnener Lockerheit nach dem ersten Shutdown, wie etwa ein Foto von zwei Tänzerkollegen in einer Probenpause, geben Einblick in das Theater-Leben während der Pandemie. &bdquo;Ich liebe die Theaterarbeit und die Menschen im Theater“, bekennt Noriko Nishidate. Schon häufig ist sie als Tänzerin in expressiv und leidenschaftlich getanzten Partien aufgefallen (etwa in der Rolle der Julia in &bdquo;Romeo und Julia“/Spielzeit 2017/18). Anfangs porträtierte sie vor allem Tänzerkolleginnen und -kollegen. Vor zwei Jahren hatte sie sich eine leistungsfähige Nikon-Kamera angeschafft, mit der sie ihren Blick auf die Akteure hinter den Kulissen erweiterte. Ohne Stativ und aufwendige Beleuchtung und Zusatztechnik. Es sind Schnappschüsse, die den Moment erhaschen und den Fotografien Spontaneität und Authentizität geben. &bdquo;Die Leute hinter der Bühne sind die, die dafür sorgen, dass wir überhaupt auftreten können“, verweist sie im Gespräch mit der NW auf die Leistungen von Bühnen-, Kostüm- und Maskenbildern sowie Technikern. Sie will den besonderen Moment nicht verpassen Zu Beginn hat sie eine Auswahl ihrer Fotos an drei Tagen pro Woche auf Facebook gepostet. Die Resonanz war gut und machte ihr Mut. Kolleginnen und Kollegen, die es gewohnt seien, auf der Bühne zu stehen, hatten meist keine Scheu, sich ablichten zu lassen. &bdquo;Mich interessieren aber auch die Non-Dancers und Non-Actors“, beschreibt sie. Diese Menschen zu &bdquo;knacken“, sie in ihrer Tätigkeit zu zeigen, sei eine Herausforderung gegenüber dem Umgang mit Bühnenprofis. Dieser erweiterte Fokus sei titelgebend für die Serie &bdquo;Behind the Stage“ gewesen. Nach strenger Auswahl des Rohmaterials umfasst diese nun rund 87 Bilder, in Schwarz-Weiß und in Farbe. Sie mache viele Fotos, um den &bdquo;besonderen Moment“ nicht zu verpassen, schildert Nishidate. Später, am Computer, wird streng aussortiert und entschieden, was in die Serie darf und was nicht. Ein Traum wäre für sie, wenn sich die Reichweite ihrer Bilder vergrößern ließe. Eine Ausstellung im Theaterfoyer bei den &bdquo;Nachtansichten 2021“, so die denn stattfinden, ist angedacht. Auch ein Theater-Kalender mit ihren Bildern, von dessen Erlös einiges dem Theater Bielefeld zugutekommen könne, schwebt ihr vor. &bdquo;Ich erhalte viel ideelle Unterstützung aus dem Theater. Das weiß ich zu schätzen“, lobt sie. &bdquo;Alle im Haus eint die Leidenschaft für das Theater, wir teilen dieselbe Energie.“ Auch davon wolle sie &bdquo;der Welt da draußen“ etwas erzählen.

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