Bielefelder Theater-Paar stemmt den Lockdown

Bielefeld. Vieles in der Coronakrise hat sich zurechtgeruckelt bei Familie Lippold/Böhm mit ihren Kindern Emil (7) und Lise (3). Seit Kitas und Schulen wieder offen sind, hat das Schauspieler-Paar, wie andere Eltern kleiner Kinder, etwas mehr Planungssicherheit. &bdquo;Wir jammern auf hohem Niveau, wenn wir fürchten, dass eine (weitere) Quarantäne oder gar Erkrankung alles zerschießen könnte. Oder dass die Schulen wieder schließen", sagt Lippold. Andere hätten mehr Probleme mit Homeschooling, wenig Platz oder sie müssten das alleinerziehend stemmen. Allerdings müssen die jungen Eltern auch Job, Haushalt und Kids weitgehend alleine schaffen, Großeltern in der Nähe gibt es nicht. Nicole Lippold (41) und Georg Böhm (38) stammen aus &bdquo;dem Osten", Lippold aus Weimar, Böhm wurde in Berlin-Pankow groß. &bdquo;Mit dem Engagement am Theater Bielefeld habe ich meinen Wohnort erstmals in den Westen Deutschlands verlegt", erinnert sich Böhm, der an der Leipziger Schauspielschule studiert hat. Die Stadt ist nicht zu satt und gut für Familien Nicole Lippold hatte das Glück, eine der Auserwählten an der Berliner Ernst-Busch-Hochschule zu sein und kam 2009 an die Bielefelder Bühnen. Sie startete gleich mit der anspruchsvollen Rolle der &bdquo;Antigone". Böhm hatte einige Jahre zuvor sein Bielefelder Engagement im Weihnachtsstück &bdquo;Ronja Räubertochter" begonnen. Am Theater lernten sie sich kennen und lieben. 2013 kam Emil zur Welt, vier Jahre später Lise. Von der Stadt am Teuto hatte Böhm 2009 zuerst einen zwiespältigen Eindruck: &bdquo;Am Hauptbahnhof zeigt sie sich ja nicht gerade von ihrer besten Seite." Inzwischen geht es beiden wie vielen anderen Neubürgern: &bdquo;Die Stadt ist toll, vor allem wenn man Kinder hat. Sie ist keine satte Stadt, aber auch nicht so unübersichtlich und problembeladen wie Berlin", hat Böhm beobachtet. Inzwischen fühle er sich richtig &bdquo;verwurzelt" und wünsche sich: &bdquo;Hier will ich unkündbar werden." Doppel-Besetzungen für jedes Stück Zurzeit stehen beide Theaterleute im aktuellen Weihnachtsstück vom &bdquo;Räuber Hotzenplotz" auf der Bühne, für das es wegen der Unwägbarkeiten der Coronakrise zwei Besetzungen gibt. Als vor der Premiere am 22. November (rein digital) feststand, dass das Stück wegen des November-Lockdowns nicht im Theater vor Publikum stattfinden kann, gab es bei allen schon &bdquo;eine Menge Frust und Enttäuschung", schildert Lippold. Immerhin hatten die Theater wie auch andere Kulturtempel schlüssige Hygienekonzepte parat und auch bereits erprobt. Das Theaterjahr war voller Hiobsbotschaften und Entbehrungen – und jetzt auch noch das Weihnachtsmärchen mit seiner großen Publikumsresonanz in bis zu 60 Vorstellungen! "Dieses Jahr hat den Kindern viel abverlangt" Viele seien erleichtert gewesen, als immerhin ein Live-stream möglich wurde – Darsteller wie Zuschauer. Die Nachfrage war sogar so groß, dass der Radio-Bielefeld-Server, der die Übertragung übernahm, zur Premiere zeitweilig wegen zu hoher Nachfrage in die Knie ging. &bdquo;Einerseits eine tolle Bestätigung", findet Böhm (Theatertaler-Träger 2016), der den Wachtmeister Dimpfelmoser und den Zauberer gibt. &bdquo;Den Kindern in einem Jahr, das gerade ihnen viel abverlangt, etwas Schönes zu bieten ist uns ein Bedürfnis." Andererseits fehle das unmittelbare, ehrliche Feedback der jungen Theaterbesucher. Dass ihr Gehalt weiterfließe, die Proben &bdquo;auf Abstand", an die man sich leidlich gewöhnt habe, im Theater fortgesetzt werden können, so Böhm, mache ihn demütig. Trotzdem sei zu beobachten, wie viele langsam &bdquo;müde und frustriert" würden: &bdquo;Wie soll man in Stücken von Nähe erzählen, ohne welche haben zu dürfen?", fragt Nicole Lippold. "Es gibt gerade gar kein Grau, kein Dazwischen" Beide haben dennoch vor allem jene im Blick, denen es nicht so gutgeht: &bdquo;Andere Künstler müssen um ihre Existenz fürchten", so Böhm. Was die jungen Eltern besorgt: &bdquo;Was macht das langfristig mit der Gesellschaft?" Zutage tretende Ungleichheiten, das berühmte Brennglas, das die Missstände klarer hervortreten lässt, die enormen Kosten der Corona-Strategie, die nachfolgende Generationen schultern müssen, dazu viele ängstliche, beinahe misstrauische Menschen im Stadtbild. &bdquo;Es gibt gerade kein Grau", ist Lippolds Eindruck. Corona sorge seit einem Dreivierteljahr für permanente Anspannung, Pausen seien selten. Kleinen Kindern könne man die Tatsache, dass sie kaum Freunde treffen, ihre Hobbys nicht pflegen können, nur schlecht erklären: &bdquo;Alles in Kindern schreit nach Bewegung und Begegnung", sagt die 41-Jährige. Eine Hoffnung trägt sie aber durch diese Zeit: &bdquo; Dass die Gesellschaft das, was jetzt fehlt, besser schätzen lernt. Und dass gerade die Unbefangenheit der Kinder uns helfen wird, wieder in einen normalen Alltag zurückzufinden."

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