Fledermäuse erschweren Abriss von Bielefelds größtem "Spukschloss"

Bielefeld. Von dem einst stolzen Eichhof mit seinem schmucken Mix aus unterschiedlichen Bauelementen - von Fachwerk über Sandstein bis Holzgiebel und -balkone - ist nur noch eine marode Ruine übrig. Die wunderschön strukturierte Fassade ist kaum wiederzuerkennen, das Dach löchrig, überall lösen sich Steine, das Innere ist durch mehrere Bränden zerstört. Sträucher, junge Bäume und kriechendes Grün überwuchern die bröckelnden Mauern, bilden an vielen Stellen ein kaum zu durchdringendes Dickicht. Die Eigentümer haben unten sämtliche Fenster und Eingänge zugemauert, das Gelände ist mit einem Bauzaun gesichert. Hier sind nur noch Vögel und Fledermäuse einigermaßen sicher. Für Menschen ist es lebensgefährlich. Lazarett und Kindererholungsheim Die Bielefelder Geschichte des Eichhofs begann 1884, als die "Anstalt für Epileptische" in Bethel den damaligen Hof Obergassel, der einst auf Sender Gebiet lag und bereits 1153 als "Hof Godesloh" erstmals urkundlich erwähnt wurde, für 90.000 Euro mitsamt zugehörigen Gebäuden und Ländereien kaufte. Nach Umbauten brachten die heutigen von Bodelschwinghschen Stiftungen dort ab 1886 nervenleidende Männer unter, die häufig auch ein Alkoholproblem hatten. 1905 bot das Haus 30 Plätze, ist in dem kleinen Büchlein "Eckardtsheim - ein Rundgang durch die Geschichte" nachzulesen. Ein Jahr später bekam es eine Zentralheizung und Licht. Im Laufe der Jahrzehnte wechselte die Nutzung: In beiden Weltkriegen diente der große Eichhof als Lazarett, dazwischen als Kindererholungsheim, und nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die britische Militärregierung hier psychisch kranke sogenannte "displaced persons" wohnen. Später lebten dort Männer mit geistiger Behinderung oder leichter psychischer Erkrankung. 1998 wurde das Heim geschlossen und zwei Jahre später "besenrein" verkauft. Inzwischen hat es zweimal den Besitzer gewechselt, steht seit Jahren leer und verfällt immer mehr. Mehrere willkürlich gelegte Brände Randalierer, Graffiti-Sprayer und selbst ernannte Geisterjäger haben in und am Gebäude ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen. Mehrere Brände wurden willkürlich gelegt, erzählen die umliegenden Nachbarn. Im Frühjahr 2013 rückte die Feuerwehr mit 60 Einsatzkräften zu einem Feuer im Dachstuhl und im ersten Obergeschoss des Hauses aus. Ein Jahr später brannte der Eichhof im Dachbereich erneut, vier Stunden dauerten die Löscharbeiten. Seitdem ist das Gebäude akut einsturzgefährdet. Von seiner einstigen Schönheit ist wenig geblieben. Weitere Feuer habe es nicht gegeben, teilt die Feuerwehr auf Anfrage mit. Ehemaliger Mitarbeiter geschockt vom "puren Vandalismus" Im Internet, in dem der Eichhof in einschlägigen Foren als Geisterhaus oder als "Spukhaus von Sennestadt" bezeichnet wird, kommen die Kommentatoren immer wieder zu dem gleichen Schluss: Der Wind pfeift durchs Gemäuer, die ganze Konstruktion knarrt vor sich hin - doch Geister gab und gibt es hier nicht. Inzwischen sei auch alles vermauert und zugenagelt, berichtet etwa "ErzengelAzureal" und urteilt, "dass es sich nicht mehr lohnt, dorthin zu fahren". Ein Mann, der nach eigenen Angaben rund 13 Jahre im Eichhof gearbeitet hat, zeigt sich in einem Beitrag im Netz entsetzt darüber, wie "verkommen" der Hof sei. Und er sei regelrecht "geschockt" vom "puren Vandalismus" überall. Fremde Autos rasen rücksichtslos über die kleine Privatstraße In den vergangenen Jahren ist es zumindest im Internet ruhig geworden um den abgelegenen Hof. In der Realität aber offenbar nicht, zum Leidwesen der rundum wohnenden Familien. Die Besitzer des Anwesens haben die mächtige Ruine mit einem Bauzaun und "Betreten verboten"-Schildern gesichert, die Nachbarn die Zufahrt mit Baumständen verrammelt. Gleichwohl kämen immer noch Unbekannte mit auswärtigen Kennzeichen, um sich die hinter Bäumen versteckten Haustrümmer auf dem rund 2,5 Hektar großen verwilderten Grundstück persönlich anzusehen. "Zwischen 20 und 30 Jahre" seien die alt, schätzen die Anwohner. Und nicht zimperlich. "Die Leute kommen mit Vorschlaghammer und reißen den Bauzaun immer wieder ein". Die fremden Autos rasten rücksichtslos über den engen Eichweg - "dabei ist das eine Privatstraße, und hier wohnen ja auch Kinder" - und vermüllten die Landschaft. Auch mit Elektroschocker wurden die Anwohner schon bedroht. "Aber die Polizei ist machtlos." Die Beamten kämen nur, wenn sie zu einem Einsatz gerufen würden, erklärt Polizeisprecher Michael Kötter auf Anfrage. Ein durchgängiger Polizeischutz sei nicht zu leisten. Und die Beamten könnten nur Platzverweise erteilen. Und Straftaten verfolgen - wenn die denn nachzuweisen sind. Aus Umbaupläne für seniorengerechtes Wohnen wurde nichts Die Feuerwehr habe den Eichhof nach dem letzten Brand als "einsturzgefährdete Brandruine" eingeschätzt, erzählen die Nachbarn. Ursprünglich hatten die Besitzer ihn zu einem Haus für seniorengerechtes Wohnen umbauen wollen. Die Pläne zerschlugen sich, die Verwaltung habe sie nicht genehmigt. Neue Pläne haben die Eigentümer mit dem Gebäude "in absehbarer Zeit" nicht, bestätigt einer der beiden Besitzer gegenüber der NW. " Es ist ein schwieriges Objekt." Derweil verfällt der alte Hof weiter, und inzwischen lohnt wohl nur noch ein Abbruch. Doch der ist offenbar auch nicht unproblematisch. Das städtische Bauamt habe sich auf Anfrage gleich erkundigt, ob dort Fledermäuse lebten, erzählt ein Eckardtsheimer, der überlegt hatte, das Gelände zu kaufen, den Hof niederreißen und das Areal zu renaturieren. "Das wird schwierig", sei ihm gesagt worden. Worauf er den Plan erst einmal aufgab. Auf Nachfrage der NW sagt Bauamtsleiter Reinhold Beck, dass ein Abriss durchaus grundsätzlich möglich sei. Auch er hatte schon vom nächtlichen Treiben rund um das alte Gemäuer gehört. Allerdings müsse es vorher von der Verwaltung begutachtet und etwaige Auflagen zum Artenschutz wie etwa Fledermauskästen geprüft werden. Lutherhof abgerissen, Gelände renaturiert Leer wie der Eichhof stand lange Zeit auch der Lutherhof, der nur rund 500 Meter entfernt war. Er wurde allerdings erst 1959/60 gebaut, ein Ensemble von sechs weißen Häusern mit roten oder schwarzen Dächern, in denen zuletzt Menschen mit Mehrfachbehinderungen lebten. Der Lutherhof, der optisch bei weitem nicht so viel hermachte wie der schmucke Eichhof, blieb im Besitz der von Bodelschwinghschen Stiftungen und wurde 2016, so Ortschaftsreferent Edmund Geißler, abgerissen. Das Grundstück wurde dann von der Stadt übernommen, und als Ausgleichsfläche für die ehemaligen Bruchwiesen, auf denen Windkraftanlagen errichtet wurden, renaturiert. Zwei der Anlagen stehen auf Bielefelder, eine auf Gütersloher Gebiet, so Geißler. Als Ausgleich für den Abriss des Lutherhofs seien Fledermauskästen aufgehängt worden. Auch die Windräder würden zum Schutz der kleinen Flugtiere zu bestimmten Zeiten abgeschaltet.

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