Hier entstehen die neuen Fahrrad-Routen

Bielefeld. Ambitionierter könnte das Projekt kaum sein: Bis 2025 sollen die Bielefelder ein Viertel aller Wege auf dem Fahrrad zurücklegen. Wie aber hebt man Skeptiker in den Sattel, verwandelt man mürrische Tret-Muffel zu stolzen Pedal-Rittern? Grundsätzlich brauchen sie wohl erst einmal schicke und sichere Strecken, auf denen sie auch ohne Rüstung gesund und munter von A nach B gelangen. Die ersten Meter im neuen Stil sind bereits in Arbeit: Im Zuge der Umgestaltung des Jahnplatzes soll es dort moderne Radwege geben. Der Stadtring in Brackwede wurde jüngst überarbeitet und zählt zukünftig mit zu wichtigen Strecken. Ebenso die Radwege im Grünzug entlang des Roggenkamps in Sieker. Die Pilot-Anlage wird wohl als erste den neuen Standards entsprechen: Breit ausgebaut, versehen mit einem hellen Asphalt, im Herbst gereinigt von Blättern, im Winter befreit vom Matsch und natürlich immer gut beleuchtet. Diese Vision von einem Netz sicherer Radwege findet sich wieder in dem rund 120 Seiten starken Radverkehrskonzept der Stadt, dessen Umsetzung der Rat im Juni beschloss und gleichzeitig mit dem Arbeitsauftrag an die Verwaltung versah, ein Konzept für die Umsetzung bis Ende dieses Jahres zu präsentieren. Daran arbeite man mit Hochdruck, sagt Barbara Choryan, schließlich gebe es viel zu tun: In den kommenden zehn Jahren sollen an die 600 Maßnahmen realisiert werden, sagt Bielefelds Nahmobilitäts-Beauftragte. Das reiche vom Bau millionenteurer Streckenabschnitte an den Hauptstraßen bis hin zum Platzieren von Schildern. &bdquo;Man muss ja nicht immer gleich den Bagger holen", sagt Claudia Böhm vom ADFC und von der Initiative Radentscheid. Die Stadt sei auf einem guten Weg, doch es gebe auch Kritik am Radverkehrskonzept aus dem Hause des Aachener Verkehrsbüros Kaulen. RADWEGE IN BIELEFELD Das Stadtgebiet erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung über eine Länge von rund 22 Kilometer und in Ost-West-Richtung über 17 Kilometer. Darin verlaufen rund 365 Kilometer (km) Radwege, die sich so auf die Stadtbezirke verteilen: Brackwede 45 km, Dornberg 45 km, Gadderbaum 15 km, Heepen 55 km, Jöllenbeck 35 km, Mitte 45 km, Schildesche 35 km, Senne 30 km, Sennestadt 25 km, Stieghorst 35 km. Laut Mängelanalyse der Profis aus Aachen gelten davon nur 178 km als gesicherte Radverkehrsanlagen, 120 km würden sogar auf Abschnitten ohne Sicherung verlaufen. Das soll sich durch den Zehn-Jahres-Plan ändern. AUSBAU DER RADWEGE Priorität genießt bei den einzelnen Projekten die Gestaltung der Strecken. &bdquo;Denn der subjektiv empfundene Grad an Verkehrssicherheit entscheidet bei vielen Menschen über die Nutzung des Fahrrades", schreiben die Experten. So sollen Störungen auf den Radwegen vermieden werden sowie Konflikte mit Autos oder Fußgängern. Der große Wurf zeigt auf der Karte 11 sogenannte &bdquo;Entwicklungskorridore" (siehe Grafik). Entlang dieser Verkehrsadern entstehen Hauptrouten sowie ein Kapillar-Geflecht aus Nebenstrecken. DIE STRECKEN-TYPEN Hauptrouten der Kategorie I (breit, beleuchtet, besenrein) stehen im Fokus der Planung für die flotten Verbindungen. Sie sollen die Radler möglichst zügig und direkt zum Ziel bringen. Beispiel: der Jahnplatz am Innenstadtring 1 sowie der Stadtring der Senne-Route 4 (siehe Grafik). Während die Hauptrouten der Kategorie II weniger Komfort bieten, erhalten die Alltagsradverbindungen in Grünzügen wieder den Standard der Kategorie I. Beispiel: Radweg entlang der Linie 3 in Sieker auf Route Ost 9 (siehe Grafik). WEITERE MASSNAHMEN Dazu gehört auch der Bau von Abstellanlagen oder das Einrichten von Fahrradstraßen. &bdquo;Wir werden mobile Fahrradbügel ausprobieren, Parkplätze mit Fahrradständern versehen und weitere Piktogramme für Fahrradstraßen entwickeln", zählt Choryan nur einige weitere Projekte auf – die Liste ist lang und reicht von Vorfahrt-Regeln gegenüber dem Autoverkehr über Haltegriffe an Ampeln bis zur &bdquo;Grünen Welle". DIE KOSTEN Im Doppelhaushalt 2020/21 stehen bisher jährlich rund 2,6 Millionen Euro inklusive Fördermittel zur Verfügung – die aber wegen Verzögerungen bei Bau und Planung bisher gar nicht komplett abgerufen wurden, mahnten die Experten. Ab 2022 müsse dann deutlich mehr Geld fließen. Die Aachener kalkulieren mit jährlich 6,2 Millionen Euro. ADFC UND RADENTSCHEID Die Radler-Lobby, ADFC und Radentscheid, begrüßt die Absicht, ein zusammenhängendes wie möglichst gradliniges Radwegenetz zu schaffen. Unterbrochene Radwege seien uninteressant, sagt Claudia Böhm. Das angestrebte Angebot könnte zukünftig mehr Menschen fürs Radfahren motivieren. Auch würden die Baumaßnahmen nicht auf Kosten der Fußgänger gehen – die seien gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer. Diesmal müsse der Autoverkehr verzichten. Negativ seien weich formulierte Standards für den Streckenausbau. So fordert der Radentscheid für die Radwege an der Hauptstraße entweder klare Kante oder aber Poller zur Abgrenzung von der Fahrbahn. Ausgerechnet bei der Uni und dem Campus Nord sowie diversen Industriegebieten sei es mehr dem Zufall überlassen, diese mit dem Rad zu erreichen. Auch könnten Grünzüge keine Hauptrouten ersetzen, denn nur an denen liegen Ziele wie Schulen, Firmen oder Supermärkte. Wege-NETZ im INTERNET Die Stadt bietet auf ihrer Homepage den &bdquo;Zielnetzplan" zum Herunterladen. Dort sind alle geplanten Routen farblich eingetragen. Interaktiv dagegen präsentiert sich die Karte des Radentscheids (RE) zum Radverkehrskonzept (RVK) – dort kann jeder schon mal in die Tiefe gehen: go.nw.de/RVKbyRE . ERWEITERTER HORIZONT Die elf &bdquo;Entwicklungskorridore" enden nicht an der Stadtgrenze der Leineweberstadt, sondern sie führen weiter zu den Mini-Metropolen der umliegenden Kreise. Mit der Regiopole Bielefeld im Zentrum vernetzen sich dann beispielsweise auch Gütersloh und Herford über den geplanten Radschnellweg.

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