Corona-Schnelltests sollen Bielefelder schützen - doch keiner weiß Bescheid

Bielefeld. Die Infektionszahlen steigen weiter. In Bielefeld stecken 10 Infizierte aktuell durchschnittlich 15 weitere Personen an. Die Lage für das Gesundheitsamt wird immer unübersichtlicher. Jetzt sollen vor allem Risikogruppen in der Stadt besser geschützt werden – mithilfe von Antigentests. Die bieten die Möglichkeit, eine Infektion nach 15 Minuten zu erkennen. Besonders Pflegeheime und Krankenhäuser sollen davon profitieren. Doch die Beteiligten äußern große Bedenken. Zu viele wichtige Fragen seien nicht geklärt. Die Idee klingt gut: Besucher, Beschäftigte, Bewohner und Patienten von Pflegeheimen, Krankenhäusern und weiteren medizinischen Einrichtungen werden an der Eingangstür getestet. Nach nur 15 Minuten liegt das Ergebnis vor. Das gibt Sicherheit, spart Zeit und Ressourcen. Labore werden entlastet, und Bewohner müssen nicht isoliert werden – so wie im Frühjahr. Das ist das Ziel der neuen Testverordnung, die seit Mitte Oktober gilt. Doch bei der praktischen Umsetzung hapert es – aus mehreren Gründen. Die Mitarbeiter der Einrichtungen müssen die Tests selbst vornehmen – und vorab speziell geschult werden. Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger: &bdquo;Man muss wissen, dass die Schnelltests in der Handhabung nicht einfach sind." Das Personal müsse Abstriche nehmen – und mit der Testapparatur umgehen können. Handhabung ähnlich wie bei Schwangerschaftstest Es handelt sich um einen Mund-Nasen-Abstrich – so wie das bei den weit verbreiteten PCR-Tests der Fall ist. Deren Auswertung kann mehrere Tage dauern. Bei Schnelltests wird der Abstrich sofort in eine Lösung eingelegt und auf einen Teststreifen aufgetragen – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Während des gesamten Vorgangs müssen die Mitarbeiter Schutzkleidung tragen. Das schreibt die Corona-Schutzverordnung vor. Das heißt im Umkehrschluss: Für die Tests müssen die Häuser Personal abziehen. Das stellt sie vor Probleme, da die Lage ohnehin schon angespannt ist. &bdquo;Ich kann doch eine qualifizierte Fachkraft nicht zum Testen von Besuchern vor die Tür stellen", sagt Maria Bores vom Haus Laurentius. Auch Christine Bode äußert Bedenken. Die Geschäftsführerin des Trägers Diakonische Altenzentren Bielefeld schätzt, dass allein in einer Woche bis zu 400 Tests pro Einrichtung zusammenkommen können. Bode begrüßt den Einsatz der Tests, hält diesen aber unter den gegenwärtigen Anforderungen für kaum durchführbar. Für jedes der vier Häuser wären dann drei bis vier zusätzliche Fachkräfte notwendig – bloß woher sollen sie kommen? Weitere Frage: Wer trägt die zusätzlichen Personalkosten? Weil es auch darauf noch keine befriedigende Antwort gebe, sei die derzeitige Regelung keine wirkliche Lösung, sagt Bethel-Sprecher Johann Vollmer. Auch Bethel befürworte die Schnelltests als Ausdruck des politischen Willens, ein Besuchsverbot wie im Frühjahr um jeden Preis zu vermeiden. Wegen der sich abzeichnenden Probleme stehe man mit den Ministerien und Aufsichtsbehörden im Austausch, sagt Vollmer. Und auch das Johanneswerk und die AWO OWL arbeiten noch an ihren Konzepten, teilten beide Träger mit. Ein Ziel der Schnelltests ist es auch, die Labore zu entlasten. Die Proben müssen nicht mehr extra eingeschickt werden. Carsten Thiemann ist Geschäftsführer vom Labor Krone in Bad Salzuflen, das täglich rund 8.000 Tests auswertet, darunter auch Bielefelder. Thiemann schätzt die Antigentests qualitativ als etwas schlechter ein als die PCR-Tests in den Laboren. Experten kritisieren, dass die Antigentests bei Personen ohne Symptome oder mit eher mildem Verlauf falsche negative Ergebnisse anzeigen können. &bdquo;Ein Vorteil ist aber die schnelle Diagnostik", sagt Tiemann. Was er jedoch in der öffentlichen Diskussion vermisse, sei die Frage, wo konkret und wie schnell sie wirklich durchgeführt werden können. &bdquo;Wenn 20 Besucher vor einem Pflegeheim stehen und das bei jedem Einzelnen 15 Minuten dauert, ist das nicht mehr schnell", so Tiemann. Das Klinikum Mitte setzt Schnelltests seit kurzem vor allem für Notfälle ein und vereinzelt beim Personal. &bdquo;Sie sind nicht ganz so sicher wie PCR-Tests", sagt der stellvertretende Ärztliche Direktor, Christoph Stellbrink. Die Stadt Bielefeld hat vor zwei Wochen Schnelltests bestellt – für den eigenen Bedarf des Gesundheitsamts. Pflege- und Behinderteneinrichtungen müssten die Tests selber organisieren, könnten das aber über die Pflegekasse oder die Kassenärztliche Vereinigung abrechnen lassen, so Nürnberger. Vorausgesetzt, sie haben mit dem Gesundheitsamt ein Konzept abgestimmt. Die Nutzung in Kitas sei noch nicht geklärt. Nürnberger stellt klar: Schnelltests sind kein &bdquo;Allheilmittel" und für eine flächendeckende Nutzung nicht geeignet.

Meistgelesen