Bielefeld fordert Bundeswehr-Hilfe an: Ist die Corona-Lage noch beherrschbar?

Bielefeld. Eigentlich hatte sich die Corona-Lage in Bielefeld schon wieder beruhigt. Doch nun gibt es einen neuen Fall, der folgenreich sein könnte: Nach der Familienfeier mit 74 Infizierten Mitte September hat es nun eine Ansteckung auf gleich zwei Feiern gegeben – mit jeweils 150 Gästen. Sogar die Bundeswehr ist eingeschaltet. Ein unbeherrschbarer Zustand? Wir haben die Zahlen in Bielefeld in den Blick genommen und schauen, wie die Lage in anderen Städten ist. NEUE FÄLLE Die Stadt verzeichnet 17 neue Infektionen. Offiziell infiziert sind somit bis heute 1.010 Personen. Ein Schüler des Helmholtz-Gymnasiums wurde positiv getestet. Ebenso ein weiteres Kind der Kita Leuchtturm. Auch in der Kita Kupferhammer gibt es nun einen positiven Fall. Außerdem war ein inzwischen positiv Getesteter am Wochenende auf zwei Hochzeiten eingeladen – und feierte mit jeweils rund 150 Personen. BUNDESWEHR HILFT AUS Für das Gesundheitsamt fallen nun erneut umfangreiche Arbeiten an, sagt Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. Die Mitarbeiter kommen bei der Nachverfolgung der Kontakte kaum noch hinterher. &bdquo;Wir haben Amtshilfe von der Bundeswehr angefordert und erhalten." Laut Stadtsprecherin Gisela Bockermann handelt es sich um zehn Personen, die bei der Kontaktverfolgung unterstützen sollen. Weitere Infos gibt die Stadt am Freitag in einer Pressekonferenz bekannt. Bockermann: &bdquo;Wir sind nicht die einzige Stadt, die diese Unterstützung erhält." STÄDTEVERGLEICH Von offiziell 1.010 Infizierten in der Stadt kamen rund 80 ins Krankenhaus, neun sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Diese Zahlen zeigen, dass die Situation in Bielefeld insgesamt medizinisch beherrschbar ist. Das bestätigt ein Blick auf andere Städte. Gütersloh verzeichnet 3.047 Infizierte, 20 Tote. Paderborn: 916 Infizierte, 34 Tote. Bochum: 1.403 Infizierte, 28 Tote. Bonn: 1.339 Infizierte, 9 Tote. Münster: 1.140, 13 Tote. (Stand Donnerstag). KEINE KINDER KRANK In Bielefeld ist nach offiziellen Angaben bislang kein Kind durch das Virus ernsthaft erkrankt. &bdquo;Ich habe von keinen Fällen gehört", sagt Marcus Heidemann, Sprecher der Kinderärzte. In den Praxen gäbe es nur vereinzelt positiv getestete Kinder. Heidemann: &bdquo;Ich glaube nicht, dass wir in Bielefeld bei den Kindern und Schulen ein ernsthaftes Problem an Ansteckungen und erst recht nicht bei Erkrankungen haben." Ein ähnliches Bild in der Kinderklinik des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB): Dort lagen zwei Kinder mit Corona – sie hatten aber keine &bdquo;Corona-Symptome", sondern wurden aus anderen Gründen eingeliefert. STERBERATE Von 1.010 infizierten Bielefeldern sind 9 an oder mit dem Coronavirus gestorben – also 0,9 Prozent. Jedoch gehen Experten von einer Dunkelziffer von Infektionen aus, die bis zu drei Mal so hoch sein könnte. Demnach hätte es in Bielefeld bis heute rund 3.000 Infizierte gegeben. Das würde eine Fallsterblichkeitsrate von 0,3 Prozent bedeuten – was in etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht. Zuletzt ist hier im September eine 94-Jährige im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen in Bielefeld liegt bei rund 80 Jahren. Einige hatten schwere Vorerkrankungen. SITUATION IN KLINIKEN In den drei Krankenhäusern wurden bislang 123 Patienten wegen Corona behandelt. Die Häuser schätzen, dass rund zwei Drittel davon aus Bielefeld kommen, also rund 80. Im EvKB waren es 34 Patienten – 12 von ihnen wurden intensivmedizinisch behandelt, sechs wurden beatmet. Die meisten Patienten lagen bisher im Klinikum Mitte: 78. Davon lag fast jeder dritte zeitweise auf der Intensivstation. Im Franziskus-Hospital wurden bislang 11 Patienten wegen Corona stationär behandelt. Aus einer klinischen Studie von Ärzten der Helios Kliniken geht hervor, dass in Deutschland zwei von drei &bdquo;Corona-Patienten" auf der Intensivstation künstlich beatmet werden. Jeder dritte beatmete Intensivpatient verstirbt, heißt es. Für eine verlässliche Aussage seien die Zahlen in Bielefeld zu gering, sagt Manuel Bünemann vom EvKB. Die Betten für Corona-Patienten waren in den Kliniken zu keiner Zeit voll ausgelastet. DIE MASSENTESTS Aktuell werden in der Stadt pro Woche durchschnittlich 1.000 Tests durchgeführt. 600 Schüler hatte das Gesundheitsamt in der Vorwoche getestet, davon waren sechs positiv. Für den Bielefelder Krisenstab ein Zeichen, dass die Quarantänemaßnahmen greifen. Weitere mögliche Interpretation: Das Virus verbreitet sich in den Schulen nicht so stark wie anfangs angenommen. QUARANTÄNE Wenn von rund 600 Tests nur sechs positiv waren, heißt das im Umkehrschluss: 594 Schüler durften zwei Wochen lang ihr Haus nicht verlassen, obwohl sie nicht infiziert sind. Das frustriert viele. Doch an der Quarantäneregel hält der Krisenstab fest, weil die Inkubationszeit bis zu 14 Tage beträgt, also der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen. In bislang nur wenigen Fälle musste die Quarantäne verlängert werden, heißt es von der Stadt. DIE INFIZIERTEN Knapp 54 Prozent der Infizierten in Bielefeld waren Männer, 46 Prozent Frauen. Im ganzen Land waren die Infizierten in der ersten Phase der Infektion durchschnittlich 50 Jahre alt, sagt Johannes Hartmann, Sprecher der Bielefelder Hausärzte. Laut Georg Rüter, Geschäftsführer des Franziskus-Hospitals, ist das Durchschnittsalter derzeit um etwa 20 Jahre niedriger. &bdquo;Das sind die Feiernden." Auch junge Menschen sollten Corona nicht unterschätzen, warnt Rüter. Im Sankt-Vinzenz-Hospital Rheda-Wiedenbrück, das zum Verbund zählt, lagen zeitgleich 22 Männer zwischen 30 und 59 Jahren. Drei bis dahin kerngesunde junge Männer wurden wegen Corona über Wochen beatmet. Rüter: &bdquo;Es kann jeden treffen." Alle Infos zur Corona-Krise in Bielefeld im Überblick

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