Koranunterricht ohne Kontrolle

Bielefeld. Einen dringenden Appell richtete jüngst ein ehemaliges Mitglied der Hicret-Moschee in Brackwede über die NW (&bdquo;Ohne Kopftuch bin ich endlich frei") an Stadt und Politik: &bdquo;Bitte kontrollieren Sie die Moscheevereinigungen, besonders im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz." Als Insiderin könne sie berichten, dass dort Mädchen und Jungen beim Islam-Unterricht indoktriniert und Mädchen schon als Kinder in Kopftücher und Gewänder gesteckt würden. Eine freie Entfaltung sei so nicht möglich, das Kindeswohl gefährdet, so die Diplom-Pädagogin. Eine institutionelle Kontrolle aber, wie sie der ehemaligen Koranschülerin vorschwebt, existiert nicht. »Weder theologische noch organisatorische Vorgaben« Mehr als ein Dutzend Moscheen gibt es in Bielefeld. Der größte Teil davon ist türkisch geprägt; entweder der staatlich türkischen Religionsbehörde zugeordnet oder eigenständig, aber meist dem türkischen Staat nahestehend wie die Hicret-Moschee an der Windelsbleicher Straße, die der als erzkonservativ-islamistisch eingestuften &bdquo;Milli-Görüs"-Bewegung angehört. Andere Moscheen haben entweder multiethnische, ethnische oder spezielle religiöse Profile. Nahezu alle Moscheevereine unterrichten Kinder ihrer Mitglieder in religiösen Angelegenheiten – wie es christliche Gemeinden auch tun. Was in den Amtskirchen unterrichtet wird, ist in der Regel klar umrissen. Bibelstunden in Freikirchen liegen in der Verantwortung der einzelnen Organisationen oder Gemeinden. So ist es auch in den islamischen Vereinen. &bdquo;In der Tat gibt es in den Moscheen unterschiedliche Vorgehensweisen, da weder theologisch noch organisatorisch Vorgaben existieren", sagt Shkumbin Berisha, Pressesprecher des Bündnisses Islamischer Gemeinden (BIG) in Bielefeld. &bdquo;Letztendlich geht es hier um Vereine, die ehrenamtlich organisiert sind, so dass keine Vorgaben existieren." Vielerorts komme es jedoch darauf an, welche Ressourcen und Möglichkeiten eine Moschee zur Umsetzung von Korankursen habe, sprich Räume und Personal, erklärt er. Das bedeutet: Es gibt islamintern weder Richtlinien noch Kontrollinstanzen für Koranschulen. Staatliche Institutionen prüfen genauso wenig, was dort wo und wie an wen unterrichtet wird. &bdquo;Das Jugendamt käme erst dann ins Spiel, wenn es Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls gibt", erklärt Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Er weist auf das starke Recht der Eltern bei der Erziehung der eigenen Kinder hin; ein Recht, das generell sinnvoll sei. Im Rahmen der religiösen Erziehung könne es zu Druck und Kleiderzwängen kommen, aber eine Kindeswohlgefährdung müsste daraus nicht automatisch abgeleitet werden. Was für Räume die Moscheen – wie auch die Kirchen – für ihren religiösen Unterricht nutzen, liegt ebenfalls allein in ihrer Hand. Erst wenn es sich bei einer Koranschule um eine regelmäßige, schulartige Einrichtung – ähnlich einem Internat – handle, muss eine Genehmigung des Landesjugendamtes eingeholt werden. Regelmäßige sonntägliche Unterrichte seien nicht genehmigungspflichtig, teilt das Landesjugendamt mit. Sozialdezernent Nürnberger weiß um die Probleme, die religiöse Zwänge bei Heranwachsenden mitunter auslösen. Ihm ist bekannt, dass vor allem Mädchen mit dem Beginn der Pubertät vielfach nicht mehr in Kinder- und Jugendeinrichtungen erscheinen; weil sie der Nähe zu Jungen entzogen werden sollen oder mit 13 oder 14 Jahren familiäre Pflichten auferlegt bekommen. Den einzigen Weg, den offiziellen Stellen für eine Einflussnahme sehen ist die Zeit der Kinder in Kita, Schule, OGS und anderen Bildungs- und Freizeitorten. &bdquo;Dort lernen sie andere Rollenmodelle kennen", sagt Nürnberger. Im günstigsten Fall entwickeln sie dort auch das Selbstbewusstsein, eigene Wünsche fürs Leben kennenzulernen – um später Nein sagen zu können zu Geboten, die ihre persönliche Freiheit einschränken. Das Kommunale Integrationszentrum der Stadt setzt auf vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Moscheen – eine andere Wahl gibt es sowieso nicht. &bdquo;Wir sind keine Kontrollbehörde", sagt Leiterin Nilgün Isfendiyar. Wenn trotz aller Bemühungen und guter Wünsche in religiösen Gemeinden durch Indoktrination und Druck Kindeswohl gefährdet sein könnte, müssen sich Betroffene, Angehörige oder Beobachter direkt an das Jugend- oder Integrationsamt wenden. Erst dann kann reagiert werden. Denn ohne Kläger gibt es keine Klage – und keine Kontrolle. Lesen Sie auch: Bielefelder Muslimin legt Kopftuch ab: "Seitdem bin ich endlich frei" Hicret-Moschee sieht sich als Opfer von CDU-Wahlkampf

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