Drogen-Prozess: Richter kritisiert üble Presse-Attacken von Clan-Oberhaupt

Bielefeld. Am 31. Oktober vergangenen Jahres begann vor dem Landgericht Bielefeld der Prozess gegen vier Angehörige einer Großfamilie. Ihnen wurde das bandenmäßige Handeln mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen vorgeworfen. Nach 31 Verhandlungstagen, einer mehr als schwierigen und umfangreichen Beweisaufnahme, der Auswertung von tausenden abgehörten Telefonaten und zeitaufwendigen Observationen hat das Landgericht Bielefeld die vier Männer verurteilt. Für das 54-jährige Familienoberhaupt sprach Thorsten Bolte, Vorsitzender Richter, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln (BTM) aus. Suchtkranker in Entziehungsanstalt Sein ältester, 34-jähriger Sohn, wurde wegen unerlaubten Handels mit BTM in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel mit BTM in nicht geringer Menge zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der 33- jährige Sohn muss wegen unerlaubten Handels mit BTM in nicht geringer Menge in mehr als 10 Fällen für neun Jahre ins Gefängnis. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet. Dort werden suchtkranke Straftäter entsprechend den Maßregeln der Besserung und Sicherung untergebracht. Dem Begriff "Familienclan" widerspricht der Richter nicht Der jüngste, 20-jährige Sohn, wurde nach dem Jugendstrafrecht zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auch dort war das unerlaubte Handeln mit Drogen in nicht geringen Mengen und Beihilfe zum unerlaubten Handeln Grund für die Freiheitsstrafe. In seiner Urteilsbegründung sprach der Vorsitzende Richter, Thorsten Bolte, eingangs von einem langen und sehr schwierigen Verfahren, das hinter allen Beteiligten liege. Bei dem Begriff &bdquo;Familienclan", der immer wieder in der Presse Niederschlag gefunden hätte, wolle er kein Veto einlegen. Großfamilie zwischen zwei Wertesystemen Immer wieder hatte in der Vergangenheit die Berichterstattung über den Drogenprozess, auch in dieser Zeitung, den Unmut der Großfamilie geweckt. Wütend sei in einer Verhandlung von einem Angeklagten auf einen schreibenden Journalisten mit den Worten &bdquo;Das ist er" gezeigt worden. Nach Meinung des Familienoberhauptes habe der durch seine Artikel die ganze Familie in Verruf gebracht. Die Großfamilie stehe zwischen zwei Werte- und Kultursystemen, einerseits dem jesidisch-kurdischen und andererseits dem westeuropäisch-deutschen, führte Thorsten Bolte aus. Furcht vor Blutrache Aus Furcht vor Blutrache einer anderen Familie habe der 54-Jährige so zwei seiner jetzt verurteilten Söhne aus der Schule genommen. Sie sollten vor möglichen Angriffen geschützt werden und mussten über lange Zeit eine schusssichere Weste tragen. Im Prozess hatte der Vater eingestanden, aus diesen Gründen nicht unerheblich an der Entwicklung dieser Söhne beteiligt gewesen zu sein. Vermutlich 2015 begannen die ersten Drogengeschäfte einer seiner Söhne mit dem Partner Taylan C., der vor einem halben Jahr bereits zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof inzwischen aufgehoben. Demnächst wird in dieser Sache neu verhandelt. Peilsender und Videoaufnahmen Vom eigenen Konsum des 33-Jährigen war der Weg nicht weit bis zum Verkauf. Die Kommunikation erfolgte zunächst über Mobiltelefone, die später vermeintlich abhörsicher umgerüstet wurden. Später unterstützten die beiden Brüder die Geschäfte. 2018 nahm, so der Richter, der Handel mit Betäubungsmitteln richtig Fahrt auf. Durch Zeugenhinweise begannen Ermittler mit ihrer Arbeit. Telefongespräche wurden abgehört und aufgezeichnet, Fahrzeuge der Familienmitglieder mit Peilsendern versehen und verdeckte Videoaufnahmen von Drogenübergaben gefertigt. Applaus auf den Besucherbänken Nicht immer war es möglich, eindeutig Drogengeschäfte durch die Überwachungsmaßnahmen zu beweisen. &bdquo;Im Zweifel für den Angeklagten", sagte so der Richter. Somit fielen einige Vorwürfe, die der Staatsanwalt angeklagt hatte, unter den Tisch. Dadurch ist zu erklären, dass das Urteil unter der Strafmaßforderung der Staatsanwaltschaft liegt. Für den jüngsten, 20-jährigen Sohn, wurde nach Urteilsverkündung der Haftbefehl aufgehoben, was großen Applaus auf den Besucherbänken auslöste. Angerechnet werden allen Verurteilten die rund 17-monatige Untersuchungshaft. Die Urteile sind noch nicht rechtsgültig. Die Strafverteidiger haben bereits Revision angekündigt.

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