HSG-Handballerinnen waren einst die Nummer eins in Bielefeld

Bielefeld. Zugegeben, den Ton im Bielefelder Frauenhandball geben derzeit andere an. Neben dem TuS 97, HT SF Senne oder TuS Brake fliegt die HSG Schröttinghausen/Babenhausen ein wenig unter dem Radar – aber sie fliegt. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre waren die Frauen aus dem Nordwesten auch mal die Senkrechtstarter. Oder eher die Parabelflieger. Als Verbandsligist waren sie über einige Jahre das Aushängeschild des Bielefelder Frauenhandballs, lernten aber kurze Zeit später auch die Tiefen der Kreisliga kennen. Fast immer treu an der Seite &bdquo;seiner“ Schützlinge stand Trainer André Pohl. Mit Gründung der HSG in den Neunzigerjahren übernahm er Verantwortung. Allein seit der Jahrtausendwende kommt er auf 17 Jahre als Chef. Der Coach, der sich während der vergangenen Serie zurückzog, ist längst eine Institution im Klub. Niemand ist besser geeignet, um eine Legendenmannschaft aufzustellen. "Die Glanzzeiten sind vorbei" Vereinstreu ist er, aber auch kritisch: &bdquo;Die Glanzzeiten sind vorbei“, sagt Pohl. Aus der guten Basis der JSG Bielefeld 07 (Fusion aus TG Schildesche, SC Babenhausen und SuS Schröttinghausen) komme zu wenig in den Seniorenteams an. Er wünsche sich eine stärkere Förderung durch die Stammvereine. &bdquo;Als wir in der Verbandsliga gespielt haben, sind wir zu jedem Auswärtsspiel mit dem Bus gefahren“, erinnert sich Pohl. Das waren Zeiten. Viele der Akteurinnen von einst tauchen auch in seiner Auswahl der vergangenen 20 Jahre auf. Nicht wenige hatte der Coach schon in der Jugend geprägt. Ins Tor stellt André Pohl Jessica Seidel. &bdquo;Sie hat alle unsere Teams seit der E-Jugend durchlaufen“, stellt Pohl heraus, der bei zahlreichen seiner Kandidatinnen die besondere Vereinstreue hervorhebt. Dass Seidel zwischendurch in der Oberliga für Oerlinghausen auflief – geschenkt. &bdquo;Das war alles abgesprochen. Sie hat den Schritt gewagt, was ich gut fand. Danach kam sie zurück und hat noch vier, fünf starke Jahre für uns gespielt.“ Seidel habe das &bdquo;Auge-in-Auge-Spiel“ geliebt. &bdquo;Sie hatte null Angst“, betont Pohl. Kerstin Lohmann stand ebenfalls auf Pohls Liste. &bdquo;Sie kam erst mit 26 Jahren zu uns und hat dann noch acht Jahre auf hohem Niveau für die HSG gespielt“, erinnert sich der Trainer. Auf Linksaußen steht Anna Schmitz, eine der wenigen, die von außerhalb zum Team stießen. Die Kemptenerin kam zum Studieren nach Bielefeld und stürzte mit der HSG aus der Verbands- bis in die Kreisliga. Pohl schwärmt: &bdquo;Alle Angebote aus der Region schlug sie aus. Sie war immer Vorbild, hat stets gute Laune verbreitet und zählte immer zu unseren Top-drei-Torschützen. Sie hat sich über sieben Jahre vorbildlich eingebracht.“ Willeweit zählte zum Jugendkader des DHB Die Königsposition auf Halblinks besetzt Birte Willeweit. Was für eine Talent: Die Rückraumspielerin, die als 14-Jährige aus Gadderbaum kam, schaffte es über Westfalen- und Westdeutsche Auswahl bis in den Jugendkader des DHB. Mit 26 Jahren beendete sie überraschend ihre Karriere. &bdquo;Sie hätte höher spielen können“, meint Pohl schulterzuckend. Sich im Training zu quälen, sei nicht ihre Stärke gewesen. Trotzdem war sie auf dem Feld herausragend. Ebenfalls unvollendet blieb die Laufbahn von Pohls Ersatzfrau: Marina Knufinke (geb. Tubbesing) wurde immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen. &bdquo;Sie hat kaum mal acht Monate am Stück verletzungsfrei gespielt“, klagt Pohl über die Akteurin, die ihn als Coach der Frauen beerbte. Beatrice Uhlworm lenkt das Spiel von Pohls Legendenmannschaft in der Rückraummitte. &bdquo;Sie hat unsere Landes- und Verbandsligajahre geprägt.“ Eine schwere Verletzung bremste sie und vermutlich auch das ganze Team im dritten Verbandsligajahr aus. Zusammen mit den Weisser-Schwestern bildet sie ein unangefochtenes Gespann in der Jahrhundert-Auswahl. Apropos: Sie sind zwar mittlerweile verheiratet und haben den Namen geändert, aber als &bdquo;Weisser-Schwestern“ haben die nächsten Kandidatinnen ihren legendären Ruf begründet. &bdquo;Es gab zwei, drei Leute, an denen ich bei der Nominierung nicht vorbei kam. Sie waren absolute Leistungsträgerinnen und haben den Verein nie verlassen“, eröffnet Pohl und nennt auf Halbrechts Verena Torke (&bdquo;Weisser-Schwester“ Nummer eins). Aus der Not heraus kam die Rechtshänderin in den rechten Rückraum, wo sie ihre Qualitäten bestens einsetzte: &bdquo;Mit ihrem eins-gegen-eins hat sie immer ihre Schwester auf Außen frei gespielt. Sie hatte nie große Klappe, ist auf die jungen Spielerinnen zugegangen und war immer beim Training. Es war die einfachste Spielerin, die sich ein Trainer wünschen konnte“, schwärmt Pohl. "Da kam sofort Widerstand" Rechtsaußen steht Ariane Volkmar (Weisser-Schwester Nummer zwei). Die bislang einzige Frau in Bielefelds Handball Hall of Fame ist, wie ihre Schwester, Rechtshänderin. Pohl erinnert sich: &bdquo;Einmal habe ich sie auf Linksaußen gestellt. Da kam sofort Widerstand.“ Uhlworm, Torke und Volkmar prägten das Team so nachhaltig, dass Pohl keinen Ersatz parat hält. Am Kreis steht dafür ein Talent, das mit gerade mal 23 Jahren jetzt seinen Rücktritt verkündete: Alicia Ullrich. &bdquo;Eine starke Persönlichkeit mit Kampfkraft, Schnelligkeit und Disziplin, die in jeder Oberligamannschaft der Region spielen könnte. Ich hoffe dass sie nur ein Sabbatjahr einlegt“, erklärt Pohl. Ersatz ist Katrin Biermann, die zehn Jahre lang in der Mannschaft spielte. &bdquo;Sie kam als 16-Jährige, und ich musste sie nach dem Training immer zurück nach Stieghorst bringen“, erinnert sich der Coach. Mit diesem letzten Satz ist auch klar, wer die Mannschaft coachen wird: &bdquo;Es gab ja in den vergangenen 20 Jahren kaum andere“, meint André Pohl bescheiden. Sein Engagement, der Draht zur Mannschaft und sein Fachwissen waren einzigartig. Einmal war er zurückgetreten. Danach stürzte das Team bis in die Kreisliga. Da standen die Spielerinen eines Tages bei ihm vor der Tür und sagten: &bdquo;Du hast lange genug ausgesetzt. Du musst es wieder machen.“ Und natürlich sprang Pohl wieder auf – auf seinen Parabelflieger HSG Schröttinghausen/Babenhausen.

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