Mehr als 5.000 Einkäufe: Dieser Bielefelder ist Deutschlands größter Karstadt-Fan

Bielefeld. Von seinem Nachbarn hat er es erfahren: &bdquo; Karstadt ist gerettet", rief ihm der griechische Ölhändler von nebenan gleich nach der ersten Meldung in den Nachrichten zu. Erst hinter der geschlossenen Tür seiner Wohnung konnte Hermann Peitz seine Erleichterung herauslassen: &bdquo;Es geht weiter", jubelte laut der fast 88-jährige ehemalige Maßschneider. Die Freude über den Erhalt des Kaufhauses ist bei Kunden groß.Wann er zum ersten Mal dort eingekauft hat, daran kann sich Peitz nicht mehr genau erinnern. Vor 30 oder 40 Jahren – das hat er nie in seinem Tagebuch notiert. Und wie oft? Einige tausend Male werden es wohl gewesen sein. Mindestens vier Mal die Woche, rechnet er vor, habe er den Weg von seiner Wohnung mit dem angrenzenden Atelier an der Neustädter Straße zu Karstadt zurückgelegt. Uhren, Schreibwaren, Lebensmittel &bdquo;Alles, was ich benötige, kaufe ich nur dort", sagt der fast zart anmutende Mann mit den stets eleganten, selbst geschneiderten Anzügen aus farbenfrohen Glencheck-Stoffen. Die Waschmaschine, der Kühlschrank, alle schon vor Jahren angeschafft, funktionierten bis heute. Dazu kommt so manches Paar Schuhe, das Peitz in der Fachabteilung ausgesucht hat. Und Uhrenbatterien, Schreibzeug – einfach alles, was der Mensch so braucht. Seine bevorzugte Abteilung allerdings ist der Supermarkt. Und das hat einen besonderen Grund. Neue Entdeckungen Peitz, der sein Atelier inzwischen aufgegeben hat, war sein Leben lang ein leidenschaftlicher Modeschneider, doch mit gleicher Begeisterung kümmert er sich bis heute um alles, was mit der Gesundheit zu tun hat. Statt Medikamente zu nehmen, versuchte er den Beschwerden häufig, mit alternativen Methoden zu Leibe zu rücken, häufig auch mit Lebensmitteln. Die findet er ebenfalls bei Karstadt. Roquefort etwa. Der soll eine ordentliche Dosis Penicillin enthalten, hat Peitz gehört. Seine jüngste Entdeckung: Kakaocreme mit Chili. Dieser Brotaufstrich soll gegen Muskelkrämpfe und Nervenschmerzen helfen. Das Warenhaus als Gesundheitsladen. Die ideale Adresse für den Senior, der als erster Vorsitzender den Stadtverband der Volksgesundheits-Bewegung leitet und als Übungsleiter auch Gymnastikkurse organisiert. Rettung? "Gott sei Dank" Selbst bei diesen sportlichen Veranstaltungen ist immer ein Stück von Karstadt mit im Spiel: Es sind diese kleinen Saftflaschen, die der Trainer im Laufe der Jahre dort gekauft und sie später, geleert, in ein Fitnessprogramm eingebaut hat.Nicht zeitgemäß, aber unverzichtbar für ältere KundenAlles aufzuzählen, was Peitz an der Bahnhofstraße kauft, könnte ein Telefonbuch füllen. Die Karstadt-Schließung hätte unvorstellbare Konsequenzen gehabt. Inzwischen kann Peitz wieder ruhig schlafen. Sein Kommentar zur Karstadt-Rettung: &bdquo;Ich finde das hervorragend. Mein Leben geht weiter wie bisher. Ich fühle mich gut versorgt. Groß war die Freude auch bei den Kundinnen, die am Freitag zur Mittagszeit ihre Wochenendkäufe erledigen wollten &bdquo;Ehrlich? Gott sei dank." "Gehört einfach zum Leben" Gudrun Gethke nimmt vor Begeisterung die Maske von ihrem Gesicht, lacht und ist in ihrer Begeisterung kaum noch zu bremsen. Karstadt ist für die Rentnerin aus Leopoldshöhe eine Institution. Hier bekommt sie alles, was sie benötigt. &bdquo;Garderobe für mich und Spielzeug für die Enkel." Für Heike Seppmann gehört Karstadt &bdquo;einfach zum Leben". Die Hotelfachfrau kommt aus Gütersloh und kennt das Kaufhaus schon seit vielen Jahren. Nach ihrem Umzug ist Karstadt Bielefeld ihre erste Shopping-Adresse. Ihre bevorzugten Artikel: Bekleidung und Haushaltsgeräte. Am Supermarkt im Tiefparterre schätzt sie vor allem die Qualität des Sortiments. Engagement der Stadt &bdquo;Ich freue mich ganz tüchtig und gehe jetzt sofort zu meiner Nachbarin, um ihr die gute Nachricht zu überbringen", sagt eine alte Dame mit sorgfältig gewellten, grauen Haaren. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Viel lieber erzählt sie, dass sie schon als junge Frau bei Karstadt eingekauft hat. Heute geht sie gern in die Lebensmittel-Abteilung, holt frischen Fisch und ausgewählte Wurstsorten. Jeden Tag mindestens kommt Evelyn Kobergovic zu Karstadt. Die junge Frau, Auszubildende in einer benachbarten Arztpraxis, kauft für die Frühstückspause ihre Brötchen, häufig auch Briefmarken und zum Feierabend noch etwas fürs Abendessen. &bdquo;Dass die weitermachen, find ich echt gut", sagt sie. Positiv äußert sich auch Henner Zimmat. &bdquo;Das finde ich gut", sagt der Vorsitzende der Altstädter Kaufmannschaft. Das Kaufhaus sei &bdquo;ein wichtiges Zugpferd für Bielefeld als Oberzentrum der Region." Unverzichtbar sei das nicht mehr zeitgemäße Kaufhaus-Konzept vor allem für die älteren Kunden. Nie so richtig an die geplante Karstadt-Schließung geglaubt hat Hans Mensendiek. Der langjährige ehemalige Vorsitzende der Werbegemeinschaft City sagt: &bdquo;Ein Haus in der besten Lauflage zu schließen, ist einfach unvorstellbar." Es sei auch dem Engagement der Stadtverwaltung zu danken, dass es jetzt weitergeht. Doch der Immobilienkaufmann weiß auch, dass es nach Ablauf des Mietvertrags wohl schwierig werden könnte, einen Nachfolger zu finden. &bdquo;Kaufhäuser in dieser Größenordnung wird es wohl nie wieder geben." Die Erfahrung zeige: &bdquo;Über die erste Etage hinaus bewegen sich nur wenige Kunden." Obwohl Karstadt Bielefeld sein Sortiment stark reduziert, etwa die Elektro- und einige Jahre zuvor die Zooabteilung geschlossen habe, biete das Haus immer noch &bdquo;Artikel, die man sonst nirgendwo findet".

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