Grandios: Bielefelder Insektenvernichter stellt das Töten ein

Sennestadt. Ausgerechnet Fruchtfliegen. Die quirligen kleinen Flieger, die besonders im Sommer in der Küchen nerven und sich noch dazu explosionsartig vermehren. Aber auch diese Winzlinge mit den charakteristischen roten Augen und dem empfindlichen Riechorgan, die als Forschungsobjekt heiß begehrt, den meisten Menschen aber im besten Fall lästig sind, haben ein Recht auf Leben, findet der Sennestädter Unternehmer Hans-Dietrich Reckhaus. Nützlich seien sie zudem - als Bestäuber von Orchideen und Aronstabgewächsen etwa und als wichtiges Glied in der Nahrungskette. Um sowohl Mensch als auch Tier gerecht zu werden, hat Reckhaus eine Fruchtfliegen-Lebendfalle entwickelt. Als Weltneuheit. Insektenbestand ist bis zu 80 Prozent zurückgegangen Das ungewöhnliche Produkt wurde jetzt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, ausgerechnet in der abgelegenen Sennestädter Industriestraße. Mit heimischer Presse, Film, mit Rede und Beifall, wohlgefällig verfolgt vom Gründerehepaar, Ruth (86) und Klaus Reckhaus (94). Ihr Sohn und jetziger Firmenchef, der sich seit 2012 für den Schutz von Insekten einsetzt und deshalb schon mehrfach ausgezeichnet wurde, unterstrich vor Mitarbeitern, Journalisten und laufender Kamera die Wichtigkeit der kleinen Erdbewohner, auch für die Bestäubung und den Abbau organischen Materials. Gleichwohl sei der Bestand in manchen Gebieten Deutschlands um 80 Prozent zurückgegangen, über 40 Prozent aller Arten aktuell gefährdet, 5 Prozent gar bereits ausgestorben. "Wir müssen lernen, mit Insekten anders umzugehen." Inzwischen hat in vielen Bereichen ein Umdenken begonnen, bei Kommunen, in der Wirtschaft, aber auch privat. Auch der mittelständische Unternehmer will seinen Teil dafür leisten. Vor dem Firmensitz erblüht eine Wildblumenwiese, das Flachdach ist insektenfreundlich gestaltet. Im August wird auch der Parkplatz vor dem Haus aufgerissen und umgewandelt. Insektenfreundliche Lebensräume 2012 hat der 54-Jährige die Marke Dr. Reckhaus gegründet und das Gütesiegel für bekämpfungsneutrale Insektenschutzmittel &bdquo;Insect Respect" entwickelt, das er auch Dritten zur Verfügung stellt. Das Siegel steht dafür, dass für jedes Insekt, das das Produkt tötet, in eine insektenfreundliche Ausgleichsfläche investiert wird, durch die andere Insekten gerettet werden. 2015 hat der Sennestädter den Tag der Insekten ins Leben gerufen. "Der ist mittlerweile in Berlin gelandet." Zudem arbeitet er mit dem ökologisch arbeitenden Landschaftsgärtner Helge Jung zusammen, unterstützt Interessierte bei der Anlage von insektenfreundlichen Lebensräume. "Aber es lohnt sich nicht, für 1.000 Quadratmeter nach Hamburg oder Berlin zu fahren." Deshalb will er nun bundesweit Landschaftsgärtner ausbilden helfen, damit sie solche Flächen schaffen können. "Damit werden sie zu ,Insect Respect'-Botschaftern." Zunächst nur 3.000 Fruchtfliegen-Lebendfallen produziert Gleichzeitig mit der Präsentation der neuen Fruchtfliegen-Lebendfalle stampft Reckhaus die Produktion seiner namenseigenen Marke ein: "Es wird mit Dr. Reckhaus kein Töten mehr geben. Punkt. Fertig. Aus." Stattdessen bringt er nun in einem ersten Schritt den "Fruchtfliegen-Retter" auf dem Markt, als zweites soll Anfang nächstes Jahr ein handlicher Fliegenkescher für Stubenfliegen folgen. Hergestellt hat Reckhaus sein neues Fruchtfliegen-Produkt zunächst einmal in einer Stückzahl von 3.000. Denn mit einem großen Absatz rechnet er nicht. "Man muss erst einmal ein Bewusstsein schaffen." Wer nun selbst seine Wohnung von den kleinen Störern befreien möchte, ohne sie zu töten (und sie stattdessen nach draußen befördern will), findet weitere Infos unter dr-reckhaus.com. Auch in kleinen Reformhäusern will der Unternehmer seine Lebendfalle anbieten. Umsatz ist in vergangenen fünf Jahren spürbar gesunken Weil dem Firmenchef Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz wichtiger sind als wirtschaftliche Erfolg, ist das Unternehmen spürbar geschrumpft. Reckhaus: "Der Umsatz ist in den vergangenen fünf Jahren von 25 auf 20 Millionen Euro zurückgegangen." Doch er beschäftigt immer noch 50 Mitarbeiter. Und die will er mitnehmen auf seinem Weg der Nachhaltigkeit. "Aber viel Geld verdienen - nein, dass muss ich nicht."

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